Als Dienstwohnungen für Mitglieder der neuen Stadtverwaltung beschlagnahmte der sowjetische Stadtkommandant Nikolai Bersarin 1945 Häuser in Biesdorf. Was da gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs geschah, beschreibt Wolfgang Brauer, Vorsitzender des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf, als „DDR-Geschichte pur der 1940er- und 50er-Jahre“. Brauer bietet dazu eine Stadtführung an. Ihr Motto: „Als Biesdorf ein kleines Wandlitz war“.
Gleich nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai setzte Bersarin am 12. Mai die Mitglieder des neuen Magistrats Berlins ein. Oberbürgermeister Arthur Werner war ein Großbürgerlicher aus Lichterfelde, doch große Teile des Personals gehörten der KPD an. Darunter viele, die wie die Gruppe Ulbricht aus dem Exil, auch in der Sowjetunion, oder den Konzentrationslagern zurückgekehrt waren.
Die Ausgangsposition für die Häuserbesetzung
„Sie mussten ja irgendwo wohnen“, erklärt Wolfgang Brauer die Ausgangsposition für die Häuserbesetzung. War Berlin sonst fast vollständig bombenzerstört, stellte sich das Getreideviertel recht vollständig erhalten dar, dort ging das Leben in angenehmer Atmosphäre weiter.
Die Vorstadtidylle war entstanden, nachdem der Bund der Kinderreichen in den 1920er-Jahren 40 Hektar im ehemaligen Angerdorf erworben hatte. Er wollte dort, wie Brauer berichtet, „Wohnungen für seine Mitglieder, die mittleren Beamten und Angestellten, bauen“. Ab 1933 wurden sehr schnell und umfangreich innerhalb weniger Monate hundert einheitliche Doppelhäuser errichtet. Sogenannte Deutsche Siedlungshäuser, Spitzdächer obendrauf, drin 75 Quadratmeter Wohnfläche, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad. „Hinten 600 Quadratmeter Garten für den Selbstanbau von Nahrungsmitteln wie Kartoffeln und Obst“, sagt der Stadtführer.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mussten die Bewohner vor allem in Gerstenweg und Hafersteig innerhalb weniger Stunden ihr Zuhause räumen. Ein 85-jähriger Herr erinnert sich an damals: „Ich war noch ein Kind. Die kamen und forderten uns auf, sofort rauszugehen aus den Häusern. Wir lebten dann in der Nähe, meine Eltern gingen öfters wieder hin. Als nach mehreren Tagen niemand in unserem Haus wohnte, zogen wir wieder ein. Es gab keinen Ärger.“
Frauen und Männer aus der Elite der DDR
In 36 weitere Häuser aber zogen Frauen und Männer ein, die bald und lange zur Elite der DDR gehörten. Viele von ihnen waren bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in Berlin als Parlamentsabgeordnete tätig gewesen. So wie Martha Arendsee (1885–1953), die 1945/46 Mitglied des ZK der KPD war. Genauso Franz Dahlem (1892–1981), später mitverantwortlich für die Aufrüstung der DDR.
Weitere Neubewohner waren Elli Schmidt (1908–1980), ab 1948 erste Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD), Kurt Goldstein (1914–2007), bis 1978 Intendant der „Stimme der DDR“, Anton Ackermann (1905–1973) 1953 Außenminister, Karl Maron (1903–1975) von 1955 bis 63 Innenminister der DDR, Arthur Pieck (1899–1970) Dolmetscher Bersarins und später Chef der Interflug – sie wohnten fast alle nur wenige Monate bis zu den ersten freien Berliner Wahlen im Oktober 1945 hier. Genauso auch Schauspieler Gustav von Wangenheim (1895–1975), der an seine Frau Inge in Moskau schrieb, „wir haben noch nie so schön gewohnt“ und „also ganz einfach herrlich“.


