Ronny, 43: Neulich im Gespräch mit einer Kollegin erinnerte ich mich daran zurück, dass ich als Jugendlicher im Supermarkt gestohlen habe. Damals waren es vor allem Fanta, Eis und Bonbons. Die Kollegin sagte, sie habe vorher immer geschaut, wo die Fünf-Meter-Linie ist. Ich fragte, was sie meinte und sie sagte: „Wenn man weiter als fünf Meter vom Laden entfernt ist, darf einen der Detektiv nicht mehr ansprechen.“ Ist das eine moderne Legende oder stimmt das?
Wie es im Recht oft ist, ist die Antwort auf die Frage leider etwas kompliziert: Der Detektiv übt ein Recht aus, das jedermann zusteht – und das vielen als Jedermannsrecht bekannt ist. Geregelt ist es in Paragraf 127 der Strafprozessordnung. Danach ist jedermann dazu berechtigt, jemanden vorläufig festnehmen, wenn dieser auf frischer Tat ertappt wurde oder gerade verfolgt wird und seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann.
Der Ladendetektiv darf also – wie auch ein Fahrkartenkontrolleur – eine Person an der Flucht hindern und etwaigen Widerstand rein rechtlich betrachtet auch brechen.
Was alles etwas komplizierter macht, ist das Wort „Tat“ in dem Gesetzestext. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben ihr Smartphone in der Hand. Sie merken, dass Ihr Schuh offen ist und wollen ihn schließen. Ihr Smartphone legen Sie währenddessen kurz in das Schokoladen-Regal. Sie stehen mit geschlossenen Schuhen wieder auf und greifen sich ihr Telefon, was der Ladendetektiv jetzt aus einiger Entfernung sieht. Er nimmt auch wahr, wie Sie es sich in die Hosentasche stecken. 15 Minuten schlendern Sie so durch den Supermarkt, bis Sie schließlich angesprochen werden – vollkommen überrumpelt können Sie mit dem Vorwurf gar nichts anfangen. Den offenen Schuh und ihr Smartphone haben Sie schon längst vergessen. Der Ladendetektiv glaubt Ihnen natürlich kein Wort, wenn Sie beteuern, nichts gestohlen zu haben.
Und das ist die Krux an der Sache. Tatsächlich liegt keine „Tat“ vor. Der Detektiv nimmt nur eine an. Deswegen lässt die Rechtsprechung auch den sehr gut begründeten Verdacht einer Straftat ausreichen.
Ähnlich ist es beim Umweltkarten-Abonnenten, der nur seine Fahrkarte vergessen hat – zumindest sagt er das. Auch hier darf der Kontrolleur die Person bis zum Eintreffen der Polizei vorläufig festnehmen, wenn diese sich nicht ausweisen kann oder will. Ein Abonnent, der seine Fahrkarte vergessen hat, erschleicht sich keine Leistung.
Was aber hatte es mit den fünf Metern auf sich, die Ihre Freundin erwähnt hat? Natürlich muss die Person auf „frischer Tat“ betroffen sein, aber wann ist die Tat noch „frisch“ und wann nicht mehr „ganz so frisch“? Ein räumlicher Zusammenhang braucht nicht zu bestehen, sondern vielmehr reicht ein enger zeitlicher Zusammenhang, denn der Täter darf auch bei der Flucht festgenommen werden – auch wenn diese unauffällig geschieht – oder wenn der Ladendetektiv sofort die Verfolgung aufgenommen hat. Das mit den fünf Metern ist also falsch.




