Guter Rat

Was tun, wenn mich der Lärm von gegenüber wirklich jeden Tag nervt?

Der Berliner Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli beantwortet Rechtsfragen aus dem Alltag. Heute: Wann darf ich mich bei meinem Nachbarn wegen Lärm beschweren?

Wenn Schlafmittel nicht wirken, können Polizei oder das zuständige Ordnungsamt Abhilfe schaffen
Wenn Schlafmittel nicht wirken, können Polizei oder das zuständige Ordnungsamt Abhilfe schaffenImago

Sandra, 43: Ich wohne in einem Altbau, direkt unter einem bekannten Musiker. Er versteht sein Fach und ich bin tagsüber oft nicht zu Hause, sodass ich zum Glück von seinem Üben nicht viel mitbekomme. Aber manchmal bekommt er Besuch von Freunden und sie spielen dann und singen – auch gern bis spät in die Nacht. Mir ist es peinlich, deswegen nach oben zu gehen, aber ich frage mich: Er darf das doch gar nicht, oder?  

Zunächst ist für die Antwort entscheidend, ob Sie Mieter oder Eigentümer Ihrer Wohnung sind. Ein Mietvertrag kann nämlich Pflichten enthalten, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Ein Mieter kann also auch zur weitergehenden Rücksichtnahme verpflichtet sein. Bei Eigentümern sind solche Regeln eher unüblich oder gar nicht vorhanden.

Unabhängig davon ist es aber verboten, an Sonn- und Feiertagen Lärm zu verursachen, durch den jemand in seiner Ruhe erheblich gestört wird. Zwischen 22.00 und 6.00 Uhr ist Lärm gänzlich verboten, wenn andere dadurch in ihrer Nachtruhe gestört werden können (Paragrafen 3 und 4 des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin, LImSchG). Sonn- und feiertags sowie nachts gilt danach also schon ein viel strengerer Maßstab; deshalb enden die meisten Straßenfeste ja auch schon vor 22 Uhr – aus Rücksicht auf die Anwohner.

Beim Abspielen von Musik gilt Paragraf 5 LImSchG. Sogenannte Tonwiedergabegeräte und Musikinstrumente dürfen danach nicht in einer Lautstärke abgespielt werden, durch die jemand erheblich gestört wird – unabhängig von der Uhrzeit.

Rechtsanwalt nicht zu empfehlen

Das Zauberwort ist hier „erheblich“. Was erheblich ist, richtet sich nach dem Empfinden eines Durchschnittsbürgers, weil sonst ein empfindlicher Jura-Student, der sich auf eine Klausur vorbereitet, besser geschützt wäre als ein schwerhöriger Rentner. Letztlich beurteilen muss das allerdings im Fall eines Streits der Richter. Der kann dabei auch auf eine Vereinbarung drängen, die die Interessen der Streitenden in ein ausgewogenes Verhältnis bringt. Wohnungsbaugenossenschaften und andere Vermieter können in den Mietverträgen aber auch von vornherein spezielle Pflichten vereinbaren, etwa die Einhaltung von Mittagsruhen.

Schnelle Abhilfe kann die Polizei oder das zuständige Ordnungsamt schaffen. Dort kann angeregt werden, ein ermahnendes Gespräch zu führen – dies muss nicht gleich mit einer Anzeige einhergehen, wenn man die Situation nicht gleich eskalieren lassen will. Ohnehin sind die Ordnungsämter bei der Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen gegen das Immissionsschutzgesetz sehr zurückhaltend. Mir ist ein Fall bekannt, bei dem wegen zu lauter Musik lediglich ein Bußgeld von 75 Euro verhängt wurde. Einen Rechtsanwalt würde ich in solchen Fällen nicht empfehlen einzuschalten. Da sind Sie durch die Rechtsanwaltsgebühren locker bei den vierfachen Kosten.

Lärmprotokoll führen kann hilfreich sein

Wird es mit dem Lärm allerdings schlimmer, dann ist es hilfreich, ein Lärmprotokoll zu führen. Aus diesem sollte hervorgehen, wann und in welcher Häufigkeit und Intensität es zum Lärm kommt. Vor Gericht wird so etwas als „qualifizierter Vortrag“ bezeichnet. Es nützt dem Nachbarn dann im Streitfall wenig, nur zu erklären „das war so nicht“; stattdessen muss der Nachbar erklären, was denn gewesen sein soll.

Auch kann es hilfreich sein, sich mit seinen Aufzeichnungen an die Hausverwaltung bzw. den Vermieter zu wenden und über den Vermieter darauf hinzuwirken, dass der Nachbar sich in Zukunft an die Ruhezeiten hält. Andernfalls kann der Vermieter den störenden Nachbarn abmahnen und notfalls sogar kündigen. Allerdings trägt der Vermieter in diesem Fall ein hohes Risiko, denn er muss darlegen und im Zweifelsfall auch beweisen, dass die Gründe für eine Kündigung vorlagen. Meine Empfehlung: Einmal hochgehen, wenn der Nachbar nach dem dritten Mal nicht reagiert, können Sie auch einmal die Polizei anrufen – oder ihm eine Kopie meiner Kolumne in den Briefkasten stecken.