Kolumne

Sexuelle Vielfalt bei der Polizei: dem Hass auf der Spur

Vor 30 Jahren setzte die Berliner Polizei als erste in Deutschland queere Ansprechpersonen ein, um Vertrauen bei Minderheiten zu gewinnen – auch innerhalb der eigenen Behörde. Anne von Knoblauch ist eine von ihnen.

Anne von Knoblauch ist eine von zwei LSBTI-Ansprechpersonen der Berliner Polizei.
Anne von Knoblauch ist eine von zwei LSBTI-Ansprechpersonen der Berliner Polizei.Jana Lange/Polizei Berlin

Anne von Knoblauchs Arbeitsalltag ist für den einer Polizistin recht ungewöhnlich: Gerade hat sie mit der „No Angels“-Sängerin Nadja Benaissa gesprochen. Es ging um die Benefiz-Gala „Gemeinsam bunt“ am 29. Juni in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm, die die Polizeihauptkommissarin mit organisiert – gegen Hasskriminalität und für sexuelle Vielfalt. Von beidem versteht sie einiges als eine der zwei Ansprechpersonen für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) der Berliner Polizei. Vor genau 30 Jahren wurde diese Stelle unter dem Namen „Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ eingerichtet, zu einer Zeit also, als der 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichene §175 StGB „Homosexuelle Handlungen“ noch in Kraft war.

„Anfang der 90er-Jahre gab es ein ganz großes Problem mit dem Vertrauen zur Polizei, insbesondere aus der schwulen Community“, erklärt sie, wieso Berlin damals als Vorreiter anderen Bundesländern vorauseilte. Anlass war eine rätselhafte Raubserie in Berlin-Wilmersdorf: „Die Täter hatten in der Vernehmung nicht nur die Raubfälle gestanden, sondern über 50 weitere in einem dortigen Cruising-Gebiet. Sie überfielen schwule Männer mit dem Hintergrundwissen, dass diese sowieso nicht zur Polizei gehen.“ Gerade einmal sechs Anzeigen waren aktenkundig.

„Für alle Menschen da sein“

Der damalige Leiter des Raubkommissariats habe die Dinge ins Rollen gebracht: „So geht es nicht weiter, wir brauchen das Vertrauen und müssen für alle Menschen da sein.“ Bis dieses „alle“ auch trans- und intergeschlechtliche Menschen mit einschloss, vergingen allerdings noch viele Jahre. Inzwischen hat die Berliner Polizei mit Unterstützung ihrer Präsidentin Barbara Slowik außer zwei LSBTI-Hauptamtlichen in allen Abteilungen nebenamtliche Multiplikator:innen.

Bei den für Polizeianwärter:innen verpflichtenden LSBTI-Tagesseminaren steht seit 2019  der Umgang mit Transidentität im Fokus: In den Fortbildungen sprechen Polizeikräfte mit einem trans Kollegen und frischen Wissen auf: Wer etwa darf eine trans Person durchsuchen? Für trans und intergeschlechtliche Personen regelt das Gesetz, dass „bei berechtigtem Interesse … dem Wunsch, die Durchsuchung einer Person bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden“ soll. Aber was, wenn sich die Person weder als männlich noch als weiblich identifiziert? „Nonbinäre Personen sind so in unseren Geschäftsanweisungen und im Gesetz nicht erfasst“, räumt von Knoblauch ein.

„Die Brutalität steigt“

Weil Name und Geschlecht einer trans Person von den amtlichen Personalien abweichen können, besteht die Gefahr, dass ein transphobes Tatmotiv verschleiert wird. Um derartige Hassdelikte besser zu erkennen, erfasst die Berliner Polizei den Sachverhalt unter Berücksichtigung der vom Opfer genannten Identität selbst dann, wenn eine amtliche Personenstandsänderung noch nicht erfolgt ist.

So wird Hasskriminalität gegen Minderheiten präzise erfasst, wie von Knoblauch resümiert: „Die Brutalität steigt. Wenn wir früher Beleidigungen wie ‚schwule Sau‘, ‚scheiß Transe‘ oder ‚scheiß Lesbe‘ auf dem Tisch hatten, ist es jetzt die gefährliche Körperverletzung oder Ekelhaftes wie Anspucken.“ Selbst in Pandemiezeiten habe man mehr Anzeigen erfasst: Neben Hass-Mails, Beleidigungen in sozialen Netzwerken seien Beleidigungen sogar aus der unmittelbaren Nachbarschaft gekommen – in Zeiten, wo gesellschaftlicher Zusammenhang mehr denn je gefragt ist.