Eröffnung

Weihnachtsmarkt-Hopping mit Franziska Giffey: „Das ist doch Heuchelei“

Sind Weihnachtsmärkte kitschig oder wundervoll? Unsere Autorin hofft bei den Eröffnungen in Weihnachtsstimmung zu kommen. Die Reden sind dann nicht der Grund.

Das Riesenrad am Roten Rathaus erstrahlt im Hintergrund als Heiligenschein.
Das Riesenrad am Roten Rathaus erstrahlt im Hintergrund als Heiligenschein.Imago/Emanuele Contini

Weihnachtsmärkte sind purer Kitsch. Und gerade deshalb so schön. Sie schwanken, wie ihr Duft, irgendwo zwischen säuerlichem Bratapfel und zimtigem Lebkuchen. Auf den Plastikzweigen der blau blinkenden Tanne vor dem Roten Rathaus glitzert in diesem Jahr echter Schnee. Und aus den Lautsprechern neben dem angestrahlten Neptunbrunnen inmitten einer Eisbahn plärren pausenlos Weihnachtslieder.

An diesem Montag kommt Bürgermeisterin Franziska Giffey auf fünf der Berliner Weihnachtsmärkte zur Eröffnung. „Weihnachtsmarkt-Hopping“, nennt das einer der Zuhörer und schaut belustigt zu seiner Begleiterin, die eifrig Fotos schießt. Am Neptunbrunnen drückt Giffey den Knopf für die Beleuchtung an besagtem Baum vor dem Rathaus und betont, dass ihr Getränk ein Kinderpunsch ist.

Schließlich habe sie noch ein paar Eröffnungsreden vor sich. Am Bebelplatz bei der Staatsoper lobt sie den gelungenen Ersatzort für den Gendarmenmarkt, auf dem zurzeit gebaut wird. Und am Breitscheidplatz erhebt sie ihr Glas mit dampfender Flüssigkeit darauf, dass die Menschen hier nach der Pandemie wieder zusammenkommen und ihre Sorgen vergessen können.

Man habe an der Beleuchtung gespart, lobt sie, und der Markt sei trotzdem wunderschön. „Sie strahlen hier einfach ein großes Stück Berlin aus“, sagt Giffey, möglicherweise von der kitschigen Dekoration inspiriert oder nun doch vom Glühwein beglückt. Sie freut sich, dass die Entscheidung des Senats, in diesem Jahr ohne Maskenpflicht auszukommen, gut bei den Schaustellern ankommt, und erwähnt auch die wirtschaftlichen Vorzüge der Märkte als „Anziehungspunkt“.

Fabelhafte Kulisse, Nächstenliebe und: große Gefühle

„Das ist doch Heuchelei“, sagt eine Berlinerin in schwarz-glänzender Bomberjacke, die die Rede gar nicht gehört hat. Allein das Hinterherhechten der versammelten Presse deutet sie als Anzeichen. Sie halte nichts von Giffey, man könne sie nicht ernst nehmen, sagt sie. Ihre eisblauen Augen wirken verunsichert. „Hase, ich wollte doch eigentlich gar kein Interview geben“, sagt sie zu ihrem Partner. Giffey und ihr Gefolge machen sich indessen auf zu einem „Rundgang“, der an der Glühweinstube und am Mahnmal des Anschlags am Breitscheidplatz vorbeiführen soll. Die Kälte dringt bis unter die lange Unterhose.

Über das Wetter freuen sich die Rednerinnen und Redner sowieso pausenlos. „Weihnachtlich“, sei es. Dabei schneit es selten an Weihnachten, gerade in Berlin. Stefanie Remlinger, die Bezirksbürgermeisterin von Mitte (Grüne), sagt am Bebelplatz, das Wetter sei „unsere größte Leistung“ in diesem Jahr. Ob sie sich verhaspelt hat oder auf ihre grüne Politik verweisen wollte, bleibt offen.

Am Neptunbrunnen knistert wenigstens ein Lagerfeuer. „Wir haben den besten Platz“, strahlt eine Frau ihre Begleiterinnen an und wendet sich abwechselnd ihrem Glühwein und dem Feuer zu. Sie seien das erste Mal bei der Eröffnung eines Weihnachtsmarktes, meint eine von ihnen. Warum dann jetzt? „Es ist die Freude“, sagt Annegret, kurze graue Haare und Brille. „Nach der Corona-Zeit freuen wir uns endlich über richtige Weihnachtsstimmung.“ Der Neptunbrunnen, das Riesenrad, das Rote Rathaus, der Fernsehturm und die Marienkirche ringsherum geben zugegebenermaßen eine fabelhafte Kulisse ab.

Doch Weihnachtsstimmung, Nächstenliebe, und überhaupt Gefühle – die kommen bei der Presseveranstaltung auf den Weihnachtsmärkten wohl kaum auf. Aber am Bahnhof Zoologischer Garten spielt ein Straßenmusiker so leidenschaftlich Keyboard, dass weitergehen kaum möglich ist.