Das 9-Euro-Ticket ist ein großer Erfolg. Bereits Ende Juni waren bundesweit rund 21 Millionen der Sonderfahrkarten verkauft. Ende August läuft das Programm aus. Doch was kommt danach? Politiker denken laut über Nachfolgepakete nach, Verbraucherschützer fordern 29-Euro-Tickets. Aus Berlin kommen vor allem Forderungen an den Bund, aber auch Überlegungen über ein Zwangsticket.
Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) erwartet vom Bund rasche Vorschläge für eine Anschlusslösung. „Ich sehe Herrn Minister Wissing in der Pflicht, den Ländern ein Angebot für ein vergünstigtes bundesweites ÖPNV-Nachfolgeticket zu machen“, sagte sie am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Senatorin Jarasch: Verkehrsminister Wissing „darf den Zug nicht stoppen“
„Die Bürgerinnen und Bürger haben uns in beeindruckender Weise gezeigt, dass sie den ÖPNV nutzen, wenn es entsprechende Angebote gibt“, so Jarasch weiter. Keine andere Entlastungsmaßnahme sei so unmittelbar bei den Bürgern angekommen wie das 9-Euro-Ticket. „Diesen Zug darf der Verkehrsminister jetzt nicht stoppen.“
Einerseits will der angesprochene Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das auch gar nicht und sprach in einem Zeitungsinterview von „einem fulminanten Erfolg“ und der „besten Idee für den Bahnverkehr seit ganz langer Zeit“. Andererseits wies er im selben Interview erneut darauf hin, dass zunächst die Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket gründlich ausgewertet werden müssten. „Ab Herbst werden wir dann die notwendigen Schlüsse ziehen“, kündigte Wissing an.
Die wichtigste Lehre laute für Wissing aber schon jetzt: Die komplizierten Tarifzonen sollen abgeschafft werden. „Wir sollten endlich Wege finden, den Tarif-Dschungel in Deutschland zu beenden.“ Dann, so der FDP-Politiker, würden Busse und Bahnen automatisch attraktiver.
Nah dran an Wissings Vereinfachungs-Idee ist derzeit der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der ein Konzept eines Länder-Plus-Tickets entwickelt hat. Dabei wird der aktuelle Tarif-Flickenteppich durch acht sich teils überlappende Großräume ersetzt.
Doch was ist mit den Kosten? Bisher gilt das Wort von Wissings FDP-Parteifreund, Bundesfinanzminister Christian Lindner, das 9-Euro-Ticket könne nicht über den August hinaus finanziert werden. Und auch Wissing sagt: „Allen ist klar, dass der Bund das nicht auf Dauer finanzieren kann. Das wären jährlich rund zehn Milliarden Euro.“ Aber welche Varianten unterhalb einer Vollfinanzierung wären möglich?
Vorschläge gehen wild durcheinander
Weil der Bund sich nicht festlegt, wird munter vorgeschlagen und Druck ausgeübt. Praktischerweise nannte der VCD auch gleich Preise für sein Konzept. Abos für Fahrten in den Großräumen sollten pro Monat zwischen 30 und 75 Euro kosten.
Manche machen es sich da deutlich leichter. So schlug der Bundesverband der Verbraucherzentralen jüngst vor, die Tickets künftig für 29 Euro statt für 9 Euro anzubieten. Und auch in den Parteien herrscht große Uneinigkeit. Besonders wild schießen die Vorschläge bei den Berliner Grünen ins Kraut.
So meldete sich die Grünen-Mobilitätspolitikerin Oda Hassepaß aus dem Berliner Abgeordnetenhaus mit einem Unterstützungsstatement für die Verbraucherzentralen zu Wort. „Ich spreche mich für die Einführung eines 29-Euro-Tickets aus“, zitiert der Tagesspiegel Hassepaß. Man müsse jetzt mutig voranschreiten, um die Mobilitätswende zu schaffen.
Kommt nach dem 9-Euro-Ticket das 20-Euro-Zwangsticket?
Doch Berlins Grüne haben noch mehr zu bieten. Noch vor einigen Wochen sagte Verkehrssenatorin Jarasch am Rande einer Veranstaltung: „Ich denke verstärkt über eine solidarische Umlage von 15 bis 20 Euro im Monat für alle Berliner nach.“ Das wäre ein Zwangsticket für alle.
Wie passt das zueinander? Was ist Beschlusslage der Partei? Auf Nachfrage in der Grün-dominierten Senatsverkehrsverwaltung heißt es am Montag, man sei sehr einverstanden mit der Wortmeldung der Abgeordneten Hassepaß. Alles, was Druck auf die Bundesebene ausübe, sei willkommen. Schließlich müssten dort die Entscheidungen fallen.



