Deutsche Wälder

Waldsterben: Wird der Kampf gegen den Klimawandel zum Todesurteil für die Wälder?

Beim Häuserbau soll weniger Beton verwendet werden, dafür mehr Holz. Der Markt braucht schnelle Lösungen, doch Bäume wachsen langsam. Ein Kommentar.

Ein toter Wald bei Treuenbrietzen in Südbrandenburg: Bäume, die durch den Klimawandel geschädigt sind, fallen auch schneller Waldbränden zum Opfer.
Ein toter Wald bei Treuenbrietzen in Südbrandenburg: Bäume, die durch den Klimawandel geschädigt sind, fallen auch schneller Waldbränden zum Opfer.Benjamin Pritzkuleit

Die Fichte ist der häufigste Baum in deutschen Wäldern – und doch gilt die Fichte nicht mehr als heimischer Baum. Das klingt verwirrend. Deshalb stellt sich die Frage: Kann ein Fakt stimmen und gleichzeitig das Gegenteil?

In Zeiten des Klimawandels ist es durchaus möglich, zumindest bei der Fichte: Der Nadelbaum steht auf 26 Prozent der Wälder und ist in Deutschland klar die Nummer eins vor der Kiefer. Und doch wird in den meisten Wäldern keine Fichte mehr gepflanzt. Sie hätte keine Überlebenschance in Zeiten von Hitze, Trockenheit und ständigen Wetterextremen.

Die Bilder der toten Wälder im Harz sprechen Bände: Dort stehen fast nur Fichten, und 80 Prozent von ihnen sind inzwischen abgestorben. Wegen des Klimawandels, der Borkenkäfer und der Dürren.

Der deutsche Wald stirbt. Mal wieder. In den 1980er-Jahren konnten die Menschen die Ursachen leichter angehen und mit Filtern an Industrieanlagen die Ursachen des sauren Regens reduzieren. Dieses Mal geht es ums weltweite Klima, und das ist nur schwer zu beeinflussen.

Doch ausgerechnet der Kampf gegen den Klimawandel kann nun sogar zum Todesurteil für Wälder werden. Der Grund ist die Zementproduktion. Die ist so energieintensiv, dass viele nun eine einfache Lösung fordern: Beim Häuserbau soll weniger Beton verwendet werden, dafür mehr Holz.

Nachwachsende Rohstoffe sind begehrt

Das klingt erst mal gut, weil Holz ein nachwachsender Rohstoff ist. Doch die Idee kann kontraproduktiv werden, weil Bäume sehr langsam wachsen. Ein Beispiel: Eine Buche, die in diesem Frühjahr in einem Brandenburger Wald sprießt, ist frühestens in 120 Jahren „hiebsreif“. Bis für die Buche die Motorsäge aufheult, folgen auf den Förster, der heute für den Wald zuständig ist, ganze drei Generationen.

Der Wald taugt nicht für schnelle Lösungen. Deshalb ist ein größtmögliches Maß an Weitsicht gefragt. Deshalb muss der Umgang mit den Wäldern endlich auf die Tagesordnung.

Und die Lage ist ernst: Gerade in der Region Berlin-Brandenburg, der trockensten Ecke Deutschlands, seien in den vergangenen fünf Jahren vier Sommer zu trocken gewesen. Doch Probleme gebe es bundesweit. Das sagt Peter Wohlleben, der bekannteste Forstmann in Deutschland. Mit seinen millionenfach verkauften Büchern stieg er zu einer Art Popstar seiner Branche auf. Er zeichnet ein düsteres Bild für den Wald und sagt: Laut offizieller Statistik verlor Deutschland bislang jedes Jahr ein bis anderthalb Prozent seiner Waldfläche. Er geht davon aus, dass es sogar mehr ist und dass sich der große Schwund nun durch den Klimawandel massiv beschleunigen wird. Wohlleben befürchtet: Deutschland werde in den kommenden zehn Jahren wohl die Hälfte der Waldflächen verlieren.

Selbst wenn es nicht so extrem kommen sollte, wäre es ein düsteres Szenario. Deshalb ist eine gesellschaftliche Debatte nötig, was die Aufgaben des Waldes sein sollen: der wichtigste Produzent von Sauerstoff, ein Erholungsort, ein Platz der Artenvielfalt oder ein reiner Wirtschaftsfaktor.

Aber selbst wenn der Wald nur als Holzlieferant gesehen wird, darf nicht wieder zum Raubbau zurückgekehrt werden. Denn nicht nur der Regenwald im Amazonas ist elementar fürs Klima.

Wie dramatisch die Folgen von Kahlschlägen sind, erlebten bereits die Griechen in der Antike und später die Spanier, die für ihre Flotten ganze Landstriche abholzten. Landschaften, die sich teilweise nie wieder erholten und kahl blieben.

Auch in Deutschland regierte lange der Raubbau. Doch dann wurde – um die Wälder doch noch zu retten – vor 300 Jahren in Sachsen die Idee von der Nachhaltigkeit geboren. Das Prinzip ist einfach: Es darf nur so viel Holz geschlagen werden, wie jedes Jahr nachwächst. In diese Rechnung müssen nun auch die Schäden im Wald durch den Klimawandel eingepreist werden.

Holz für den Bau ist begehrt.
Holz für den Bau ist begehrt.Bernd Wüstneck/dpa

Nur so ist Stabilität möglich. Denn der Markt wird das Problem nicht lösen. Schon bald wird das Waldsterben für eine große Holzschwemme sorgen. Das „Borkenkäfer“-Holz ist zwar minderwertig, aber die Mengen werden für fallende Preise sorgen und schon wird mehr und mehr mit billigem Holz gebaut. Doch irgendwann ebbt die Schwemme an Holz aus den abgestorbenen Wäldern ab. Nicht aber die Forderung nach Nachschub. Wenn dann zu viele gesunde Bäume viel zu früh geerntet werden, wird das schnell zum Teufelskreis. Und schon würde das Bauen mit diesem nachwachsenden Rohstoff für den Tod weiterer Wälder sorgen.

Einst wurde die Idee der Nachhaltigkeit in heimischen Wäldern geboren und stieg bis heute zu einem der wichtigsten Schlagworte der Politik auf. Nun darf die Idee der Nachhaltigkeit nicht ausgerechnet für den Wald aufgegeben werden.