Hennigsdorf ist ein Bahnhof der Unglückseligen, titelte die Berliner Zeitung jüngst. Immer wieder stranden dort Fahrgäste, weil Anschlüsse zwischen der S-Bahn und dem Regionalverkehr wegen Verspätungen verpasst werden. Jetzt ist die Wahrscheinlichkeit, wertvolle Lebenszeit mit Warten in Hennigsdorf verbringen zu müssen, noch größer geworden. Wegen Bauarbeiten startet und endet ein Teil der Regionalzüge an einem anderen Bahnsteig als die S-Bahn. Das bedeutet: Treppen steigen, über Stufen hetzen – nur um den Anschlusszug dann doch schon abfahren zu sehen. Die Fahrplanauskunft zeigt: Am Montag und Dienstag wurden noch mehr Anschlüsse verpasst als sonst.
Das zusätzliche Problem sieht man auch beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) mit Sorge. „Durch den längeren Umsteigeweg verschlechtert sich die Lage“, sagte VBB-Sprecher Joachim Radünz. Dabei war der Bahnhof Hennigsdorf schon vorher eine Problemzone. Weil die Bahn-Infrastruktur im Umkreis durch den Abbau von Überholgleisen und Weichen „optimiert“ worden ist, können sich Verspätungen leicht aufschaukeln und auf andere Züge übertragen. Eingleisig ist nicht nur die Strecke der S25 aus Berlin, sondern auch die Trasse, auf der Regionalzüge der Deutschen Bahn (DB) nach Velten, Kremmen, Neuruppin, Wittstock und Wittenberge verkehren.
Bahnbrücke wird abgerissen und neu gebaut
Immerhin war es bislang so, dass die S-Bahn und die Regionalzüge den selben Bahnsteig nutzten. Das erhöhte die Chance, bei Verspätungen mit einem Sprint den Anschluss doch noch schaffen zu können. Seit Montagfrüh halten die Züge der Regionalexpresslinie RE6 von und nach Wittenberge/Neuruppin aber nicht mehr am Gleis 1. Stattdessen stoppt der Prignitz-Express am benachbarten Bahnsteig am Gleis 6 oder 7. Grund sind Arbeiten an der Bahnüberführung Marwitzer Straße, die nun auch den Zugverkehr betreffen – für zwei Jahre, wie es heißt. Die 1925 erbaute Brücke im Nordteil des Bahnhofs hat das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer nahezu erreicht. Sie wird durch einen Neubau ersetzt.
Es kam wie erwartet: Der Zwang, nun außerdem zwei Treppen steigen und eine längere Strecke laufen zu müssen, hat dazu geführt, dass die Anschlüsse in Hennigsdorf seit Montagfrüh noch unsicherer geworden sind. Sie sind mit wenigen Minuten ohnehin ziemlich knapp bemessen.
Welche S-Bahn fährt als Erstes nach Berlin?
Sven Krein aus Velten, der nach Berlin pendelt, hat das schon befürchtet. „Besonders kritisch dürfte es stadteinwärts werden, weil die S-Bahn nicht wartet und vor der Nase wegfährt“, so die Einschätzung des Pendlers. Wie berichtet, soll die S-Bahn nach Berlin möglichst pünktlich abfahren, Wartezeiten sind nicht vorgesehen. Ein weiteres Problem: Wenn Fahrgäste aus dem Regionalexpress die Treppe zum S-Bahnsteig hochsteigen, sehen sie oft zwei S-Bahnen dastehen. Um herauszufinden, welche zuerst nach Berlin abfährt, muss man recherchieren – wodurch wertvolle Zeit vergeht.
Sven Krein hat am Montag und Dienstag in die VBB-Fahrplanauskunft im Internet geschaut. Öfter als bisher ist seine Bilanz: „Der Anschluss ist futsch.“ Die erhöhte Gefahr bestünde nun für zwei Jahre, befürchtet der Bankkaufmann. „Nicht zu fassen, was da für ein Schaden im Hinblick auf die Verkehrswende entsteht. Ein absolutes Desaster.“ Zwar halten zumindest die Züge der Regionalbahnlinie RB55 (Hennigsdorf – Kremmen) wie bisher an Gleis 5, also am selben Bahnsteig wie die S-Bahn. Aber auf dieser Linie sind die Verspätungen zum Teil so groß, dass ebenfalls zahlreiche Anschlüsse verpasst werden. Und zuletzt gab es auch häufig Ausfälle. Harte Zeiten für Pendler in Hennigsdorf.


