Rom Calling

Tourismus extrem: Damit es Spaß macht, stehen Touristen in Rom um 5 Uhr auf

Unser Autor war in Rom und hat dort erlebt, was passiert, wenn Städten wegen Tourismus der Kollaps droht: Man steht sehr früh morgens auf, nur dann hat man seine Ruhe. 

Touristen erhaschen einen Blick auf den Trevibrunnen
Touristen erhaschen einen Blick auf den TrevibrunnenNelson Almeida/AFP

Als ich kurz vor meiner Abreise einen Schlenker zum Trevibrunnen mache, wird mir noch einmal schlagartig klar, warum es so wichtig ist, die Stadt auch anders zu kennen. Ich biege um die Ecke und gelange auf einen Platz, der voller Touristen ist. Sie alle versuchen, den berühmten Brunnen aufs Bild zu bekommen, dabei regnet es gerade. Ich bin dann nicht bis zum Brunnen hingelaufen, nur um ein La-Dolce-Vita-Gefühl zu erzwingen. Ein Italiener neben mir muss meinen entsetzten Blick gesehen haben, er sagt: „Das findest du voll? Versuch mal im Juli hierher zu kommen. Wahnsinn!“

Aber in diesem Augenblick wird mir endgültig klar, dass der Moment, der sich von diesem Romurlaub bei mir am meisten einprägen wird, der ist, als wir morgens kurz nach 5:30 Uhr am Pantheon stehen und der Platz davor komplett menschenleer ist. Das war der Treffpunkt für unsere ungewöhnliche Stadtführung, die mein Freund gebucht hatte. Zugegeben, ich war muffelig durch die Stadt gelaufen und bin auch sonst kein Typ „früher Vogel“. Aber diesen Platz einmal so still zu sehen, ist wirklich jede Reise wert. 

Aber als wir dann drei Stunden später wieder müde im Hotel ankamen und Schlaf nachholten, muss ich sagen, dass ich eine andere Stadt gesehen habe als an den Tagen davor. Petersplatz, Colosseum, der Platz vor der Engelsburg, die Engelsbrücke sowie alle Straßen dazwischen: alles komplett menschenleer. Keine Touristen, keine mit Händen streitende Einheimische, und vor allem keine Restaurantmitarbeiter, die jeden Passanten bitten, doch hier Platz zu nehmen. Beste Pizza in der Stadt und so. 

Und plötzlich kann unser Guide ein Rom präsentieren, in dem es auch nicht mehr darum geht, irgendetwas zu kaufen („das beste Eis der Welt“) oder zu konsumieren („die beste Pizza der Welt“), sondern er zeigt eine Innenstadt, in der so viele Monumente stehen, dass er bei fast jeder Straßenecke einen Sprung von Jahrtausenden machen muss: Hier ist Cäsar gestorben und dort wollte Mussolini eine Nazi-Parade-Straße bauen, hier wurde ein James-Bond-Film gedreht und dort wurde bei Bauarbeiten ein alter Tempel von vor Christus entdeckt.

An einer Stelle sagte unser Touristenguide: Diese Straße hier gilt als die schönste Straße in ganz Rom, manche sagen in ganz Europa. Es ist die Via dei Coronari, eine kleine, 500 Meter lange Straße, die fast keine Kurven hat, weswegen die hohen Häuser besonders eindrucksvoll nebeneinander aufgereiht aussehen. Es ist die Straße, in der Michelangelo, Raffael und Donatello gewohnt haben, außerdem war hier im 14. Jahrhundert Roms berühmtestes Bordell. 

Laut des italienischen Hotelverbands wurde der Vorpandemie-Wert von 16 Millionen Touristen in Rom pro Jahr nur knapp verfehlt. Dieses Jahr werden sie es wohl überholen. Das hat auch den Nachteil, dass sich die Einheimischen mehr abschotten. Als wir an einem Abend in eine Bar gehen wollten, ließ uns der Türsteher nicht ein. Wir standen noch eine Weile in der Gegend, als der Inhaber herauskam. Der fragte den Türsteher auf Italienisch: „Wollten die zwei rein?“ - „Ja, nur zwei Touristen, ich hab sie weggeschickt. “