Berlin-Jens Wieseke übte sich in grimmigem Humor. „Mögen die Spiele zu Lasten wehrloser Fahrgäste beginnen“, sagte der Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB, nachdem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Dienstagvormittag einen Streik bei der bundeseigenen Deutschen Bahn (DB) angekündigt hatte. Mit dem Güterverkehr sollte der Arbeitskampf am selben Tag um 19 Uhr beginnen. Die Ansage kam kurzfristig. Ab Mittwoch, 2 Uhr, sollten der Personenverkehr inklusive der S-Bahnen sowie die Bahn-Infrastruktur folgen – 48 Stunden lang bis Freitag, 2 Uhr.
Hauptleidtragende sind die Fahrgäste. Doch sie können versuchen, die Auswirkungen des Streiks für sich ganz persönlich zu verringern. Wer sich informiert, kann die betroffenen Strecken umfahren. Und auf manchen Strecken soll den Reisenden eine Art Notfahrplan geboten werden. Nicht alle Züge werden ausfallen – so viel steht fest.
Keine S-Bahnen nach Spandau, Wartenberg und Spindlersfeld
Beim jüngsten Lokführerstreik der GDL 2015 gelang es der S-Bahn Berlin, wenigstens rund ein Drittel der Züge fahren zu lassen. So soll es auch bei dem jetzigen Arbeitskampf sein, sagte ein Mitarbeiter des DB-Tochterunternehmens der Berliner Zeitung. Dort wurde am Dienstag ein Ersatzfahrplan erarbeitet, der im Laufe des Tages auf die Website gestellt werden sollte. Einige Details waren bereits zu erfahren. So hieß es: „Dort, wo es wenig oder keine Alternativen zur S-Bahn gibt, versuchen wir alle 20 Minuten zu fahren.“ Während der Spätverkehrszeit sei auch ein 40-Minuten-Takt möglich.
Vorausgesetzt, die Fahrdienstleiter in der Betriebszentrale schließen sich diesmal nicht dem Arbeitskampf an. In diesem Bereich versucht die GDL, der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Mitglieder abzujagen. Es gebe weitere Risiken, ob der geplante Notbetrieb stattfinden könne, hieß es. „Wir wissen nicht und können dies auch nicht zuverlässig erfragen, wer sich am Streik beteiligen wird.“ Und: „Erfahrungsgemäß melden sich an Streiktagen viele Mitarbeiter krank, was auch ein Risiko für die Normalisierung des Betriebes am Freitag darstellt.“
Geplant ist bislang unter anderem, dass die Linien S2 (Bernau-Blankenfelde) und S25 von Teltow Stadt nach Hennigsdorf verkehren. Die S3 soll den Ostbahnhof mit Erkner verbinden, die S5 Charlottenburg mit Strausberg Nord. Die Linie S1, die normalerweise in Wannsee endet, wird nach Potsdam verlängert und ersetzt dorthin die S7, die auf den Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Ahrensfelde beschränkt werden soll. Die S46 verkehrt zwischen Schöneberg und Königs Wusterhausen, die S9 verbindet Schöneweide mit dem BER - damit würde auch der Hauptstadt-Flughafen am S-Bahn-Netz bleiben.
Dagegen entfallen die S-Bahnen nach Spandau, weil dorthin bereits die U-Bahn-Linie U7 führt, hieß es bei der S-Bahn weiter. Auch nach Wartenberg (S75) und Spindlersfeld (S47) sollen während des Streiks keine S-Bahnen fahren. Auf dem Ostring werde nur die S85 unterwegs sein, die dann Birkenwerder mit Schöneweide verbindet, auf dem Südring lediglich die S46. „Ringabschnitte im Westen und Norden bleiben ohne Zugbetrieb“, hieß es. Im gesamten S-Bahn-Netz können sechs Streckenabschnitte während des Streiks nicht befahren werden, so die Zusammenfassung. Dabei handelt es sich um die Teilstücke Schönhauser Allee - Westkreuz - Schöneberg (westlicher Ring), Neukölln - Treptower Park (südöstlicher Ring), Charlottenburg – Wannsee, Charlottenburg – Spandau, Springpfuhl – Wartenberg sowie Schöneweide – Spindlersfeld.
BVG fehlt Kapazität für Verstärkerfahrten - es wird voll
Dort sorgen die landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für Ersatz. U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse und Fähren verkehren wie gewohnt. Das gelte auch für die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) sowie die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB).
Zwar sind die BVG-Fahrzeuge wegen Corona derzeit im Schnitt nur zu 70 Prozent ausgelastet. Trotzdem könne es auch dort voll werden, teilte BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt vorsorglich mit. Eine zusätzliche Verstärkung einzelner Linien mit mehr Fahrzeugen sei auch aufgrund der sehr kurzen Vorwarnzeit nicht möglich, bedauerte er. „Wir werden das volle Fahrplanangebot auf die Straßen und Schienen bringen und – wo es machbar ist – die größtmöglichen Fahrzeuge einsetzen. Wir sind aber trotz Pandemie auch schon planmäßig mit vollem Einsatz unterwegs.“ Die BVG appellierte: „Nehmen Sie besonders Rücksicht und haben Sie im Zweifel etwas Geduld.“
Kulanzregelung für Reisende im Fernverkehr
Auch die DB arbeitet an einem Ersatzfahrplan, den sie am Dienstag ins Netz stellen wollte. Geplant ist, im Fernverkehr rund 25 Prozent der Kapazität trotz des Streiks anzubieten. Im Gegenzug bedeutet dies aber: 75 Prozent des Angebots fällt aus. „Bitte verschieben Sie Ihre für den 11. August sowie den 12. August 2021 geplanten Fernverkehrsreisen, wenn Sie nicht zwingend fahren müssen“, war am Nachmittag auf der Internetseite des Bundesunternehmens zu lesen.



