Stadtentwicklung

Teurer und später fertig: Das läuft schief im Parlamentsviertel

Der Bund der Steuerzahler hat zusammengetragen, bei welchen Bauvorhaben in Berlin Kosten- und Zeitpläne nicht zu halten sind. Es sind einige.

Wird später fertig und teurer: Umbau der ehemaligen US-Botschaft an der Neustädtischen Kirchstraße – eines der Pannenprojekte im Parlamentsviertel.
Wird später fertig und teurer: Umbau der ehemaligen US-Botschaft an der Neustädtischen Kirchstraße – eines der Pannenprojekte im Parlamentsviertel.Volkmar Otto

Die Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses ist nicht das einzige Bauprojekt im Parlamentsviertel, das später fertig wird und dessen Kosten explodieren. Der Bund der Steuerzahler hat eine Auswahl von Vorhaben des Deutschen Bundestags zusammengestellt, bei denen Zeit- und Kostenpläne nicht eingehalten werden – verbunden mit Forderungen, was sich ändern muss.

Neustädtische Kirchstraße 4–5: Die ehemalige US-Botschaft an der Neustädtischen Kirchstraße 4–5 in Mitte wird für den Deutschen Bundestag hergerichtet. „Geplant war, das sanierte Gebäude 2021 dem Deutschen Bundestag zu übergeben“, so der Bund der Steuerzahler. Doch die Arbeiten dauerten noch heute an. Nun solle der Bau im Jahr 2024 fertig sein. Wie so oft bei Verzögerungen seien auch die Kosten gestiegen. Seien anfangs rund 27 Millionen Euro für das Projekt veranschlagt gewesen, werde nun mit Kosten in Höhe von rund 81 Millionen Euro gerechnet.

Schadowstraße 4: An der Dorotheenstraße Ecke Schadowstraße wird anstelle eines ehemaligen Plattenbaus ein Verwaltungsgebäude für den Bundestag errichtet. In dem Neubau sollen später neben Büros auch eine Kantine mit Cafeteria und eine betriebsärztliche Praxis unterkommen. Zudem wird eine unterirdische Energiezentrale errichtet. „Ursprünglich sollte der Bau 2022 fertiggestellt werden“, so der Bund der Steuerzahler. 41 Millionen Euro seien dafür zunächst im Bundeshaushalt eingestellt gewesen – damals noch ohne Planungen für die Energiezentrale. Nach aktuellen Planungen soll der Bau im Jahr 2025 fertig werden und rund 121 Millionen Euro kosten. Grund für die Verzögerungen: Der Abbruch gestaltete sich aufwendiger als gedacht, da die Bestandspläne nicht stimmten und Schadstoffe gefunden wurden, berichtet der Steuerzahlerbund unter Berufung auf Angaben des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Zudem hätten laut BBR „Kapazitätsengpässe bei Auftragnehmern, eingetretene Baugrundrisiken sowie die notwendige Kündigung eines wesentlichen Auftragnehmers wegen Schlechtleistung“ zu Verzögerungen geführt.

Baustelle Schadowstraße 4 Ecke Dorotheenstraße. Die Fertigstellung des Bundestags-Neubaus ist statt 2022 nun erst 2025 geplant.
Baustelle Schadowstraße 4 Ecke Dorotheenstraße. Die Fertigstellung des Bundestags-Neubaus ist statt 2022 nun erst 2025 geplant.Volkmar Otto

Dorotheenstraße 90: Ein historisches Gebäude wurde in der Dorotheenstraße 90 saniert, um dort Teile der Verwaltung des Deutschen Bundestags unterzubringen. Im Jahr 2015 sei mit der Sanierung des Klinkerbaus begonnen worden, so der Steuerzahlerbund. Im Jahr 2016 hätten die Arbeiten beendet sein sollen. Es sei jedoch zu Verzögerungen gekommen, da das Gebäude wider Erwarten kernsaniert werden musste. „So konnte das Haus letztlich erst 2021 wieder genutzt werden“, so der Bund der Steuerzahler. Die Kosten seien von zunächst veranschlagten rund 11 Millionen Euro auf fast 35 Millionen Euro gestiegen.

Dorotheenstraße 90: Die Kosten stiegen laut Steuerzahlerbund von zunächst veranschlagten rund 11 Millionen Euro auf fast 35 Millionen Euro.
Dorotheenstraße 90: Die Kosten stiegen laut Steuerzahlerbund von zunächst veranschlagten rund 11 Millionen Euro auf fast 35 Millionen Euro.Volkmar Otto

Elisabeth-Selbert-Haus: An der Straße Unter den Linden Ecke Schadowstraße ist ein Neubau mit rund 200 Büros für den Deutschen Bundestag geplant – benannt nach der SPD-Politikerin Martha Elisabeth Selbert, die im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt war. Auch die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung soll in dem Gebäude unterkommen. Ursprünglich sollte das Haus im Jahr 2024 übergeben werden, so der Bund der Steuerzahler; im Bundeshaushalt seien zunächst rund 28 Millionen Euro eingeplant gewesen. Derzeit seien – inklusive Abriss eines Gebäudes aus den 1960er-Jahren – rund 73 Millionen Euro eingeplant. Auf seine Nachfrage sei bekannt geworden, dass der Neubau vermutlich später fertig und nochmals teurer werde, so der Bund der Steuerzahler. Zur Jahreswende hatte die für das Projekt zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) auf Anfrage der Berliner Zeitung noch mitgeteilt: „Mit Blick auf den andauernden Planungsprozess können derzeit noch keine gesicherten Termine und Kosten mitgeteilt werden.“

Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses: Die berühmteste Dauerbaustelle im Parlamentsviertel ist die Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses. Seit mehr als einer Dekade wird an dem Gebäude an der Spree gebaut. Eigentlich sollte das Haus mit Büros und Räumen für Besprechungen, Versammlungen und Ausstellungen sowie einem öffentlich zugänglichen Café im Jahr 2014 übergeben werden – vier Jahre nach dem Baubeginn. Aktuell ist die Übergabe, wie berichtet, frühestens im Jahr 2024 geplant. Grund für die Verzögerung: eine undichte Bodenplatte mit anschließender Umplanung. Dadurch sind auch die Kosten explodiert: nach Recherchen des Steuerzahlerbundes von ursprünglich 86 Millionen Euro auf zuletzt rund 332 Millionen Euro – wobei ein noch nicht bezifferter Nachtrag, also eine weitere Kostensteigerung, bereits angekündigt ist.

„Immer wieder laufen die Kosten aus dem Ruder“, lautet das Fazit des Steuerzahlerbundes. Die Gründe seien zwar unterschiedlich, weil es bei jedem Bauprojekt eigene „Herausforderungen und Überraschungen“ gebe. Gleichwohl seien bestimmte Muster festzustellen.

So falle auf, „dass die Mittel für einige Projekte bereits im Bundeshaushalt eingestellt waren, bevor überhaupt eine detaillierte Planung“ vorgelegen habe. Das sei „ein Problem, da einmal beschlossene Projekte in der Regel nicht mehr gestoppt werden“. Es sei also „nicht auszuschließen, dass Bauprojekte realisiert werden, denen die Abgeordneten nicht zugestimmt hätten, wenn sie von Anfang an über die tatsächlichen Kosten Bescheid gewusst hätten“. Zudem würden die Bausubstanz und enthaltene Schadstoffe im Vorfeld teils falsch eingeschätzt. Außerdem falle auf, dass Verzögerungen mit ziemlicher Sicherheit auch zu höheren Kosten für die Steuerzahler führten.

Appell des Steuerzahlerbundes: „Mittel für die Bauprojekte sollten erst dann in den Bundeshaushalt eingestellt werden, wenn die Planungen detailliert genug sind, um die Kosten realistisch abschätzen zu können.“ Ein proaktives Risikomanagement könne helfen, Kosten- und Terminrisiken zu reduzieren. Würden Termine nicht eingehalten, liefen auch die Kosten aus dem Ruder.