Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus für den Deutschen Bundestag bleibt eine Leidensgeschichte. Die Fertigstellung verzögert sich erneut. Nicht mehr im Jahr 2023, sondern frühestens 2024 könne der Anbau übergeben werden, teilte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) vor wenigen Tagen den Mitgliedern der Bau- und Raumkommission des Bundestags mit. Die zuletzt bewilligte Kostenobergrenze von 332,3 Millionen Euro lässt sich voraussichtlich auch nicht einhalten. Das BBR stimmt die Parlamentarier jedenfalls auf eine Nachforderung ein: „Für Mehraufwendungen in der Bauausführung und zum Ausgleich von Preissteigerungen und Bauzeitverlängerungen wird ein weiterer Nachtrag in 2022 vorgelegt“, heißt es in einem Fazit zum Projektstand.
Bau sollte 2014 fertig sein
Wie berichtet sollte der Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses eigentlich im Jahr 2014 fertig werden, wie es zum Baubeginn im Jahr 2010 hieß. Doch ähnlich wie beim Pannenflughafen BER verschob sich die Eröffnung des Parlamentsgebäudes von Jahr zu Jahr – und die Kosten explodierten. Der Grund: eine undichte Bodenplatte und anschließende Umplanungen.
Erst verschob sich die geplante Fertigstellung auf das Jahr 2015, dann auf 2016 und schließlich auf die Legislaturperiode von 2017 bis 2021. Ein zwischenzeitlich angepeilter Fertigstellungstermin im dritten Quartal 2021 konnte ebenfalls nicht eingehalten werden. Ende 2021 machte das BBR zu einem neuen Übergabetermin nur vage Aussagen und erklärte: „Das Projekt befindet sich aktuell in der Endphase der Baudurchführung.“ An die bauliche Fertigstellung werde sich „die bei diesem Projekt besonders aufwändige Inbetriebnahme von mehreren Hundert technischen Anlagen im Jahr 2023 anschließen“. Jetzt wird als Termin für eine „frühestmögliche Übergabe“ das Jahr 2024 genannt. Bleibt es dabei, würde das Gebäude 14 Jahre nach dem Baubeginn fertiggestellt sein. So lange dauerte auch der Bau des BER.
Verzögerung, weil Bundestag DDR-Plattenbau nicht abreißen wollte
Mit der Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses soll die Hauptstadt-Planung aus den 1990er-Jahren vollendet werden. Sie sieht vor, dass sich das Kanzleramt, das Paul-Löbe-Haus und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags in einem „Band des Bundes“ quer durch den Spreebogen über die ehemalige innerstädtische Grenze hinweg bis zur Luisenstraße ziehen. Ein Plattenbau an der Luisenstraße stand der Verwirklichung der Pläne in den 90er-Jahren zunächst im Weg. Der Plattenbau hätte für den Parlamentsblock abgerissen werden müssen. Weil der Bundestag zum Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin aber nicht derjenige sein wollte, der Wohnraum vernichtet, tastete er das Gebäude nicht an.
Von 1998 bis 2003 wurde deswegen nur ein Teil des Lüders-Hauses realisiert. Nachdem der Plattenbau später doch abgerissen worden war, weil eine notwendige Sanierung angeblich in keinem Verhältnis zu den Kosten stand, konnte im Jahr 2010 die Vollendung des Lüders-Hauses in Angriff genommen werden – mit dem Erweiterungsbau. Verantwortlich dafür zeichnet der Architekt Stephan Braunfels, der die Pläne für das Paul-Löbe-Haus des Bundestags und das Lüders-Haus erarbeitet hat. Beide Gebäude sind über die Spree miteinander verbunden. Zu DDR-Zeiten verlief in dem Bereich der Grenzstreifen, der Berlin in zwei Hälften teilte. Der Braunfels-Entwurf steht deswegen symbolisch für die Wiedervereinigung Berlins.
Im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus befinden sich die Bundestags-Bibliothek, die in einer großen Rotunde untergebracht ist, und das Parlamentsarchiv. Außerdem sind dort Sitzungsräume und 600 Büros sowie eine Sporthalle zu finden. In einem Raum stehen mehrere Originalsegmente der Berliner Mauer. In dem Erweiterungsbau sollen weitere Abgeordnetenbüros, ein multifunktionaler Saal für 199 Personen, ein Bereich für Kunstausstellungen, ein Bistro und ein Benutzersaal für das Parlamentsarchiv entstehen. Die bisherige zentrale Halle wird zu einem Veranstaltungsort mit bis zu 1200 Plätzen umgestaltet. Blickfang des Gebäudes soll ein 36 Meter hoher Turm sein.
Kosten haben sich durch EU-Verordnung fast verdoppelt
Durch die Bauverzögerungen bei der Erweiterung des Lüders-Hauses haben sich die Kosten fast verdoppelt. Ursprünglich waren mal 190 Millionen Euro für den Erweiterungsbau geplant. Mittlerweile liegen die Kosten nach der letzten Genehmigung aus dem Jahr 2021 bei 332,3 Millionen Euro. Für den Anstieg der Kosten sorgte unter anderem eine EU-Verordnung, die schärfere Regelungen beim Schadstoffausstoß für technische Anlagen vorsieht, die nach dem 20. Dezember 2018 in Betrieb gehen. In der Folge musste das bereits eingebaute Blockheizkraftwerk mit einer Abgasreinigungsanlage nachgerüstet werden, weil es die strengeren neuen Vorgaben sonst nicht erfüllt hätte.

