Mobilität

Tempolimit für E-Scooter: Woanders  erlaubt, in Deutschland verboten

In Stockholm wird die Geschwindigkeit automatisch gedrosselt. Das wäre auch in Berlin sinnvoll, sagt der Anbieter Voi - und stellt überraschende Daten vor.

Startklar: E-Scooter des schwedischen Unternehmens Voi warten in Berlin auf Mieter.
Startklar: E-Scooter des schwedischen Unternehmens Voi warten in Berlin auf Mieter.Berliner Zeitung

Nicht jeder Fußgänger wird die Freude teilen. Doch beim E-Scooter-Vermieter Voi zeigt man sich gut gelaunt. „Aufs ganze Jahr gesehen sind wir profitabel. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung“, sagte Voi-Manager Stephan Boelte, der am Donnerstag Unternehmenszahlen aus dem vergangenen Jahr vorstellte. Der positive Trend gelte auch für Berlin, wo sich die Zahl der Nutzer mehr als verdreifacht habe. Hier sei die Zuwachsrate sogar deutlich größer als im übrigen Deutschland. Die durchschnittliche Streckenlänge, die in Berlin mit elektrischen Tretrollern des schwedischen Anbieters zurückgelegt wurde, sei ebenfalls gestiegen. Eine solide sechsstellige Zahl von Autofahrten sei Berlins Straßen allein 2021 erspart geblieben, so Voi. Gegen Regulierung hat das Unternehmen nichts. Eine automatische Geschwindigkeitsbeschränkung wie in Stockholm könnte für mehr Sicherheit sorgen. Aber hierzulande sei das nicht erlaubt.

Eine Gefahr – oder ein Gewinn für die Stadt? Wenn über E-Scooter diskutiert wird, gehen die Meinungen auseinander. Fußgänger fühlen sich von den Fahrzeugen bedrängt, Blinde und Sehbehinderte fürchten falsch abgestellte Roller als Stolperfallen. Wenig überraschend ist, dass die Anbieter diese Form der Mikromobilität ganz anders sehen. Für die Vermieter sind E-Scooter ein unverzichtbares Vehikel der Mobilitätswende. Ein Teil der Zahlen, die Stephan Boelte und Caspar Spinnen von Voi am Donnerstag präsentierten, sollte dieses Argument untermauern.

Durchschnittliche Fahrdistanz wuchs auf zwei Kilometer

Im vergangenen Jahr haben fast eine Million Menschen in Deutschland E-Scooter von Voi mindestens einmal genutzt. Das waren doppelt so viele wie im Jahr davor, so das Unternehmen, das mittlerweile in 17 deutschen Städten präsent ist. In Berlin stieg die Zahl der Nutzer sogar noch stärker: Hier nahm sie von 68.754 auf 228.679 zu, wie aus dem aktuellen City-Report hervorgeht. Die durchschnittliche Fahrtdistanz wuchs sowohl in Berlin als auch in ganz Deutschland von 1,7 auf zwei Kilometer. 4,5 Millionen Fahrten wurden allein in Berlin mit Voi-Rollern unternommen, hieß es weiter.

Wie wirkte sich das auf die anderen Verkehrsarten aus? Bei einer Befragung im vergangenen Sommer, an der auch mehr als 800 Berliner teilnahmen, antworteten 15 Prozent, dass ihre jüngste E-Scooter-Nutzung eine Autofahrt ersetzt habe. „Für 2021 bedeutet dies rund 390.000 ersetzte Autofahrten allein in Berlin.“ Auf ganz Deutschland bezogen seien dem Klima drei Millionen Autofahrten erspart geblieben, so Stephan Boelte, Manager für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa. 32 Prozent der Nutzer besitzen kein eigenes Kraftfahrzeug.

E-Scooter-Mieter sind meist männlich und jung

Ein großer Teil der E-Scooter-Touren fand vor oder nach der Nutzung von Bussen und Bahnen statt. „In Berlin begannen oder endeten 53 Prozent der Fahrten in der Nähe von Haltestellen oder Bahnhöfen“, erläuterte Caspar Spinnen. In ganz Deutschland kombinieren 49 Prozent der Nutzer ihre E-Tretroller-Touren mit dem Nahverkehr. Club-Hauptstadt Berlin – mag ja sein, aber der überwiegende Teil der Fahrten fand montags bis freitags zwischen 7 und 19 Uhr statt. Die gesamtdeutsche Umfrage ergab, dass 40 Prozent alltäglichen Zwecken dienten, etwa um zur Arbeit oder zur Schule zu gelangen, berichtete Boelte.

Und was lässt sich zu den Nutzern sagen? Sie sind jung: Das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren. Frauen sind unterrepräsentiert. Nur 30 Prozent der Kundschaft ist weiblich – auch wenn dieser Anteil gestiegen sei, wie das Unternehmen betonte.

Immer wieder gibt es Ärger, weil sich Fußgänger über falsch abgestellte E-Scooter beschweren. „In Berlin haben wir einen großen Teil der Grünflächen als Parkverbotszonen gekennzeichnet. Auch in den Uferbereichen von Flüssen und Kanälen kann die Miete unserer Fahrzeuge nicht beendet werden“, sagte Voi-Managerin Neele Reimann-Philipp der Berliner Zeitung. Zu Forderungen nach kleinteiligeren Einschränkungen, zum Beispiel zur Einbeziehung bestimmter Gehwegbereiche, sagte sie: „Hier müssen wir beachten, dass GPS-Systeme immer noch eine gewisse Ungenauigkeit haben. Probleme bei der Handyortung sowie bauliche Gegebenheiten können weitere Hindernisse darstellen.“

Zonenmodell und E-Scooter-Tempolimit für Berlin

Am Donnerstag betonte Voi, dass Regulierung grundsätzlich okay sei. „Mit der GPS-Technologie ist es möglich, lokal angepasste Steuerungsmittel wie Abstellverbotszonen und incentivierte Parkzonen einzuführen“ – dann würde es belohnt, E-Tretroller in bestimmten Bereichen abzustellen. „In ausgewählten Zonen lässt sich die Geschwindigkeit der Scooter außerdem automatisch drosseln – oder sogar ganz stoppen.“

In Stockholm zum Beispiel hat Voi diese Technologie bereits im Einsatz, aktuell ist sie in Deutschland allerdings noch nicht erlaubt. Geschwindigkeit sei ein grundlegender Risikofaktor für Unfälle, und es sei bekannt, dass sich viele Unfälle in der Nacht ereignen. „Alle unsere E-Scooter in Schweden haben jetzt eine begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde in der Nacht von Donnerstag bis Sonntag. Zu den anderen Zeiten beträgt die Höchstgeschwindigkeit 20 Kilometer pro Stunde“, so der Anbieter.

„Wir arbeiten ständig daran, diese Art von Beschränkungen zu ergänzen und anzupassen, um eine bessere öffentliche Ordnung zu schaffen“, so Voi. Dazu wolle man auch in Berlin mit der Verwaltung zusammenarbeiten.