Wohnen in Berlin

Studentin: „Ich finde es nicht fair, dass ich 160 Euro mehr Miete zahlen soll“

Der Akademiker-Nachwuchs wird wegen steigender Energiekosten zur Kasse gebeten. Die Mieten in den Wohnheimen steigen.

Wohnheim am Halbauer Weg in Lankwitz. Hier sollen die Mieten auf rund 420 Euro  steigen. Erste Wohnplätze werden bereits zu dem Preis vermietet.
Wohnheim am Halbauer Weg in Lankwitz. Hier sollen die Mieten auf rund 420 Euro steigen. Erste Wohnplätze werden bereits zu dem Preis vermietet.Sabine Gudath

Unter Berlins Studenten macht sich Verzweiflung breit. Der Grund: Das Studierendenwerk erhöht wegen der explodierenden Energiepreise die Mieten in seinen Wohnheimen. „Ich zahle jetzt eine Miete von 260 Euro monatlich“, sagt die 21-jährige Anna K., Informatik-Studentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). „Im nächsten Jahr, wenn mein jetziger Vertrag ausläuft, soll die Miete auf rund 420 Euro steigen“ – für ein 17 Quadratmeter großes Apartment im Wohnheim am Halbauer Weg in Lankwitz.

Dann müsse sie schon mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufbringen. „Bafög bekomme ich nicht, weil ich aus dem Ausland komme“, sagt Anna K., die aus Usbekistan stammt. Deswegen arbeite sie neben dem Studium. „Dadurch verdiene ich rund 800 Euro monatlich“, berichtet sie. 200 Euro bleiben übrig, nachdem sie Miete, Krankenversicherung und Internet bezahlt habe. Das ist das Geld fürs Essen.

Manchmal könnten aber auch noch Ausgaben dazukommen, die sie nicht geplant habe, berichtet Anna K. Zum Beispiel für Medikamente, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. „Dafür werde ich kein Geld haben“, sagt sie. „Kulturelle Aktivitäten oder neue Bücher werde ich mir auch nicht leisten können.“ Früher habe sie noch Sportkurse an der Uni belegt. Das habe sie inzwischen schon gestrichen, um das Geld zu sparen.

Im Schnitt verteuern sich die Unterkünfte um fast 100 Euro

„Ich finde es nicht fair, dass ich 160 Euro mehr Miete zahlen soll“, sagt Anna K. Das entspreche einer Erhöhung um 62 Prozent. „Wenn ich 60 Euro mehr zahlen müsste, würde ich es noch verstehen“, sagt sie. „Aber nicht, dass ich 160 Euro mehr zahlen soll. Das ist viel zu viel.“

Ahmed A., Student im Fach Angewandte Informatik an der HTW, geht es ähnlich. Seine Miete soll ebenfalls auf rund 420 Euro steigen, berichtet er. „Ich weiß nicht, wie ich das bezahlen soll“, sagt der 28-Jährige, der aus dem Irak kommt. „Schon jetzt reicht das Geld, das ich zur Verfügung habe, kaum aus.“ In den zwei Jobs, die er habe, verdiene er rund 950 bis 1000 Euro im Monat. „Fünf Euro pro Tag habe ich für das Essen“, sagt er. Für Bücher bleibe leider kaum noch Geld übrig.

So wie Anna K. und Ahmed A. geht es gerade vielen Studenten, die einen der insgesamt 9200 Wohnheimplätze des Studierendenwerks in Berlin gemietet haben. Die Mieten steigen nach Angaben des Studierendenwerks von durchschnittlich 290 Euro vor der Energiekrise um durchschnittlich 98 Euro auf 388 Euro pro Wohnplatz – abhängig davon, wann die Verträge verlängert oder neu abgeschlossen werden.

Erhöhungen sind nicht in laufenden Verträgen möglich

Weil die Studenten für einen Wohnheimplatz Pauschalmieten zahlen, in denen die Nebenkosten für Wasser, Wärme und Strom enthalten sind, dürfen die Mieten nur bei einer Verlängerung der stets befristeten Verträge oder beim Neuabschluss verändert werden. Die 388 Euro sind der neue Durchschnitt, Abweichungen nach oben, wie am Halbauer Weg, gehören dazu. Wie stark die Mieten steigen, hängt vom Energieträger für die Heizung ab. Unterkünfte, die mit Gas beheizt werden, verteuern sich stärker als Unterkünfte, die mit Fernwärme beheizt werden.

Die Studierenden protestieren gegen die Erhöhungen. „Studentenwohnheime sind die letzte Möglichkeit für bezahlbares Wohnen in einer Stadt wie Berlin“, sagt David Tzafrir, 21, von der studentischen Selbstverwaltung im Wohnheim am Halbauer Weg. „Mit den aktuellen Erhöhungen wird auch diese letzte Option zunichte gemacht“, sagt er. Jeder dritte Studierende sei von Armut betroffen. Hinzu komme, dass große Teile der Studierendenschaft bei aktuellen Hilfspakten übergangen würden. Heizkostenzuschüsse erhielten nur Studierende, die Bafög bekommen. Das seien lediglich elf Prozent. Ob und wann die Einmalzahlung für Studierende komme, sei offen. „Hinzu kommt, dass etwa zwei Drittel der Studierenden in den Wohnheimen, aus dem Nicht-EU-Ausland kommen“, so Tzafrir. „Sie können sich weder auf Stipendien bewerben noch können sie Bafög erhalten.“ So wie Anna K. und Ahmed A.

David Tzafrir, 21, setzt sich in der studentischen Selbstverwaltung im Wohnheim am Halbauer Weg für seine Kommilitonen ein.
David Tzafrir, 21, setzt sich in der studentischen Selbstverwaltung im Wohnheim am Halbauer Weg für seine Kommilitonen ein.Sabine Gudath

Das Studierendenwerk verteidigt die Mieterhöhungen. „Dass diese Steigerungen ungewöhnlich hoch sind, ist uns bewusst“, sagt Sprecherin Jana Judisch. Die prognostizierten Preissteigerungen – beim Gas um 400 Prozent, bei der Fernwärme um 200 Prozent – seien „auch von einem nie da gewesenen Ausmaß“. Das studentische Wohnen des Studierendenwerks müsse sich jedoch selbst tragen. „Zuschüsse dürfen hier nicht hineinfließen“, sagt Judisch. „Wir können daher nicht anders handeln, als die Energiepreissteigerungen in den Mieten abzubilden.“

Senat verweist auf Hilfen des Bundes

Vom Senat ist wenig Unterstützung zu erwarten. Zwar räumt die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ein, dass „die Mietsituation für Studierende in Wohnheimen“ zurzeit „alles andere als gut“ sei. Die Studierenden litten wie viele andere unter der Energiekrise und den steigenden Preisen. In der aktuellen Situation seien Entlastungen für Studierende aber „in erster Linie durch den Bund vorgesehen“, der für das Bafög zuständig sei.

Dazu gehöre ein Heizkostenzuschuss von einmalig 345 Euro für Bafög-Empfänger und die einmalige Zahlung für alle Studierenden in Höhe von 200 Euro. Studierende profitierten zudem von den allgemeinen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise, wie etwa der Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro für Erwerbstätige, vergünstigten Nahverkehrsangeboten oder dem Gaspreisdeckel. Auf Landesebene gebe es darüber hinaus einen Notfallfonds des Studierendenwerks.

Die Studenten fordern mehr finanzielle Unterstützung durch den Senat. Im Nachtragshaushalt würden ja gerade 2,6 Milliarden Euro verteilt. Um die Mieten in den Wohnheimen konstant zu halten, wären 13 Millionen Euro nötig, sagt David Tzafrir. In Relation zum Gesamtpaket sei das zwar „eine wirklich kleine Summe“. Doch Hilfe für Studierende scheine wohl „keine hohe Priorität zu haben“.

Studenten haben Online-Petition gestartet

Die Studenten haben eine Online-Petition gestartet. Darin fordern sie einen Stopp der Mieterhöhungen und die Rücknahme der bereits erfolgten Anhebungen. Innerhalb weniger Tage fanden sich schon mehr als 600 Unterstützer.