Berlin

Mieter fordern mehr Rechte ein: Gesetzentwurf dazu liegt in der Schublade

Die Einrichtung von Mieterbeiräten bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen soll rechtlich abgesichert werden. Die rot-grün-rote Koalition debattiert.

Hat einen besonders hohen Anteil an Mieterbeiräten: die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge. 
Hat einen besonders hohen Anteil an Mieterbeiräten: die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge. dpa/Wolfgang Kumm

Sie vertreten die Interessen der Mieter bei Fragen zu den Betriebskosten, zu Plänen der Nachverdichtung, der Modernisierung und vielem mehr: die Mieterbeiräte bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen. Seit Jahrzehnten gehören die ehrenamtlichen Mietervertreter zum festen Bestand einer umfassenden Beteiligungsstruktur.

Im Gegensatz zu den seit 2016 bestehenden Mieterräten, die unternehmensweit agieren, beschränkt sich die Arbeit der Mieterbeiräte auf das jeweilige Wohnquartier. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Gremien: Während die Arbeit der Mieterräte gesetzlich verankert ist, fehlt eine solche Absicherung für die Mieterbeiräte. Und das hat Folgen.

„Unsere Arbeit als Mieterbeirat wird zwar geduldet, doch ist unsere Stellung rechtlich nicht abgesichert“, sagt Wolfgang Ewald, Vorsitzender des Mieterbeirats Andreasviertel in Mitte, in dem die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) der Vermieter ist. „Unsere Tätigkeit hängt damit letztlich vom Goodwill der WBM ab“, so Ewald. „Das würden wir gerne ändern“, sagt der 69-Jährige. „Gut wäre es, wenn unsere Stellung als Mieterbeirat gesetzlich festgeschrieben würde.“

Unterstützung aus der Koalition

„Außerdem würden wir uns gerne mit anderen Mieterbeiräten zusammenschließen, um mit vereinten Kräften auftreten zu können. Das würde uns helfen, unsere Wünsche und Forderungen durchzusetzen“, sagt Ewald. „Denn: Wenn wir mit einer Stimme sprechen, müssen sie uns ernst nehmen.“ Auf einer Konferenz der Mieterräte und Mieterbeiräte an diesem Mittwoch soll unter anderem darüber diskutiert werden, wie die Vernetzung der Mietervertreter gelingen kann.

Unterstützung kommt aus der Regierungskoalition. „Die umfassende Demokratisierung der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist ein unverzichtbarer Baustein, um den gemeinwohlorientierten Kurs der landeseigenen Wohnungsunternehmen abzusichern“, sagt der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker. „Die insgesamt 135 Mieterbeiräte mit 599 Mitgliedern leisten eine zentrale Arbeit für die nachhaltige Fortentwicklung der Nachbarschaften.“ Sie verdienten „endlich mehr Wertschätzung“.

Seit mehr als einem Jahr liege ein Gesetzentwurf vor, der das ändern soll, doch die SPD blockiere diesen. Die SPD müsse sich nun „endlich bewegen“. Die Koalition stehe gegenüber den Mieterbeiräten „in der Bringschuld“ und müsse liefern, so Schenker. „Ich erwarte, dass wir diese Reform noch bis Ende des Jahres auf den Weg bringen. In der ersten Woche nach den Herbstferien muss sich das entscheiden.“

Berliner Mieterverein stellt sich hinter Forderungen

Ähnlich äußert sich die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. „Damit die landeseigenen Wohnungsunternehmen ihrer sozialen Verantwortung und ihrem demokratischen Anspruch nachkommen können, ist eine umfassende Mitbestimmung von Mieter:innen elementar“, sagt sie. Schon in der vergangenen Legislaturperiode sei in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Unternehmen, Mieterbeiräten und Mieterräten die Verbesserung der Beteiligung beschlossen worden. Leider sei die Umsetzung an dem Begriff „Mitbestimmung“ gescheitert, der „nicht bei allen Koalitionspartnern Unterstützung fand“, so Schmidberger. Sie erwarte nun von der SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Änderung des entsprechenden Gesetzes. Die fachliche Diskussion dazu sei abgeschlossen.

Zumindest aus der SPD-Fraktion kommt Unterstützung dafür. „Die Mieterbeiräte als Mitspracheorgane in den Quartieren sind ein wichtiges und bewährtes Instrument der demokratischen Beteiligung von Mieter:innen der landeseigenen Wohnungsunternehmen“, sagt die Abgeordnete Sevim Aydin. „Ich finde es deshalb richtig, sie auch gesetzlich zu verankern.“

Wichtig sei ihr dabei, „dass alle im jeweiligen Quartier lebenden Bevölkerungsgruppen und Milieus“ in den Mieterbeiräten vertreten seien – „und nicht eine oder mehrere Gruppen das Gremium dominieren“. Der Wahlprozess und die Arbeit in den Mieterbeiräten müssten deshalb „so gestaltet sein, dass alle Interessierten sich daran beteiligen können“, fordert Aydin. „Sie dürfen keine exklusiven Gremien für erfahrene Aktivist:innen werden, sondern müssen die tatsächliche Bewohnerschaft der Quartiere repräsentieren.

Senatsverwaltung will Prüfung des Rechnungshofs abwarten

Der Berliner Mieterverein (BMV) stellt sich hinter die Forderung für mehr Mitbestimmung der Mieter per Gesetz. „Nur so können Rechte auch gegenüber unwilligen Wohnungsunternehmen durchgesetzt werden“, sagt BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann. „Inhaltlich sehen wir keine Hürden, die bisher bereits als Leitlinien zwischen Unternehmen und Mieterbeiräten verhandelten Rechte auch auf die gesetzliche Ebene zu heben, um diese demokratisch gewählten Gremien nicht von dem guten Willen des Unternehmens abhängig zu machen“, sagt Hamann. Der Gesetzentwurf liege seit mehr als einem Jahr vor. Er müsse nun schleunigst umgesetzt werden. Hamann: „Dass die engagierten Mitglieder der über 130 Mieterbeiräte langsam wütend und ungeduldig werden, kann ich gut verstehen.“

Möglicherweise werden die Mieterbeiräte noch mehr Geduld aufbringen müssen. Denn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung möchte vor einer Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes, in dem die Rechte der Mieterbeiräte verankert werden sollen, eine Untersuchung des Landesrechnungshofs abwarten. Dieser prüft derzeit die Wohnraumversorgung Berlin, die durch das Gesetz als Anstalt öffentlichen Rechts errichtet wurde und Leitlinien für die Arbeit der landeseigenen Wohnungsunternehmen erarbeiten soll. Die Senatsverwaltung möchte „die Prüfergebnisse berücksichtigen können, bevor dem Abgeordnetenhaus eine Novelle“ des Gesetzes vorgeschlagen wird, so Behördensprecher Martin Pallgen.

Zugleich macht die Senatsverwaltung weiter Bedenken gegen den Begriff der Mitbestimmung geltend. Die Senatsverwaltung unterstütze „eine rechtliche Stärkung der Rolle der Mieterbeiräte“ und habe „auch eine Verankerung im Wohnraumversorgungsgesetz geprüft“, so Behördensprecher Pallgen. „Der Begriff der Mitbestimmung“ sei dafür aber „ungeeignet“ – „aufgrund seiner Verankerung im Gesellschaftsrecht“. Entscheidend sei, dass Mieterinnen und Mieter sich beteiligen können und ihre Interessen gut vertreten würden. Pallgen: „Das gelingt den Mieterbeiräten und Mieterräten bereits sehr gut und eine stärkere rechtliche Verankerung soll dazu beitragen, sie weiter zu stärken.“