Kolumne

Wen wundert’s: Berlin ist nicht die Nummer 1

Wohin zieht es die Deutschen, wenn sie Städtereisen in Europa machen? Unser Kolumnist ist wenig überrascht, dass eine andere deutsche Stadt vor Berlin steht.

Blick hinter die Mauer: Touristen in der Gedenkstätte Berliner Mauer. Sie steht auf der ehemaligen Grenze.
Blick hinter die Mauer: Touristen in der Gedenkstätte Berliner Mauer. Sie steht auf der ehemaligen Grenze.Christian Ditsch/epd

Hamburg ist die angesagteste Stadt in Deutschland. Das ist ein harter Schlag für Berlin. Denn genau wie die Londoner oder Pariser gehen auch die Berlinerinnen und Berliner davon aus, dass die Hauptstadt die Nr. 1 im Land ist, oder?

Egal wo die Berliner weltweit im Urlaub gefragt werden, woher sie kommen, ernten sie fast immer ein anerkennendes Nicken. Doch im eigenen Land ist die Hauptstadt nicht ganz so angesagt.

Das ergab eine Analyse des Hotelunternehmens Accor, das untersuchen ließ, wie oft Internetnutzer in Deutschland vom Juni 2019 bis Mai 2023 im Netz bestimmte Namen für eine Städtereise in Europa suchten. Platz 1 ist Hamburg, gefolgt von Amsterdam, Barcelona und Paris, dann kommen Berlin, Antalya, London und Rom.

Nun könnte sich Berlin darauf berufen, dass sie im Vergleich der deutschen Städte doppelt so beliebt ist wie München und dreimal so angesagt wie Köln – und dass es Frankfurt am Main gar nicht erst in die Top Ten geschafft hat. Aber wer macht schon einen Städtetrip nach Frankfurt?

Und für die Hauptstadt ist es auch wenig tröstlich, dass Potsdam – die schönere kleine Schwester von Berlin – weit abgeschlagen auf Platz zehn ist.

Galoppierende Mietpreise

Dabei war Berlins Ruf einst legendär. Nicht erst in Arm-aber-sexy-Zeiten war die Anziehungskraft der Stadt gerade im Ausland magisch: eine Stadt der Weltgeschichte, die mit dem Fall der Mauer eine große Zeitenwende brachte. Eine Stadt der Freiheit. Eine Stadt der Vielfalt und Verrücktheit, der billigen Mieten und endlosen Partys.

Heute gilt Berlin oft als Stadt der galoppierenden Mietpreise, der Gentrifizierung, der verdreckten Straßen, der Bürokratie. Die Stadt war immer unvollendet. Das machte viel von ihrem Charme aus, aber inzwischen wird die chaotische Dauerbaustelle oft nur noch belächelt. Berlin hat keinen echten „Rizz“ mehr – wie es aktuell in der Jugendsprache heißt, also keine Strahlkraft.

So ist es wenig überraschend, dass Berlin europaweit bei den beliebtesten Reisezielen des World Travel Awards nicht unter den Top 15 ist.

Damit nicht genug: Anfang des Jahres ergründete eine Umfrage, in welcher Stadt die Deutschen am liebsten leben würden. Auch dort liegt wieder Hamburg auf Platz 1, gleich dahinter München, erst mit einigem Abstand folgt Berlin.

Der einzige Trost: Berlin ist bei Leuten im Studentenalter weiter auf Platz eins. Bei der Jugend zieht die chaotische und rumplige Stadt mit ihren vielen bunten Nischen weiterhin. Aber wenn die jungen Leute im coolen Berlin ein paar wilde Absturzjahre verbracht haben, zieht es die meisten nun mal wieder nach Heidelberg oder Halberstadt.