Berlin hilft der Ukraine

Städtepartnerschaften in der Ukraine: Berliner Bezirke wollen helfen

Charlottenburg-Wilmersdorf ist Partner eines Bezirks in Kiew, Steglitz-Zehlendorf ist der Stadt Charkiw verbunden. Jetzt soll Hilfe koordiniert werden.

Blaue Stunde über dem Breitscheidplatz
Blaue Stunde über dem Breitscheidplatzimago/Schöning

Charlottenburg-Wilmersdorf ist Spitze – zumindest, was die Anzahl von Russen und Ukrainern in seinen Grenzen angeht. Kein Berliner Bezirk beherbergt mehr Menschen aus Russland und der Ukraine. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zählt 28.627 in Berlin gemeldete russische Staatsbürger, hinzu kommen 14.597 Ukrainer. In Charlottenburg-Wilmersdorf waren 4222 Russen (Platz 2 im Bezirke-Ranking) und 2547 Ukrainer (Platz 1) gemeldet.

Nun haben im alten Berliner Westen die Verbindungen in den Osten Europas Tradition. Bereits in den 1920er-Jahren sprach man von Charlottengrad. Das ist lange her, aber nicht vergessen. Doch noch nie mag die Verbindung so wertvoll gewesen sein wie dieser Tage: Charlottenburg-Wilmersdorf ist seit 1991 Partnergemeinde von Petschersk, einem Innenstadtbezirk der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Vor allem Architekten und Denkmalschützer pflegten den Austausch.

Dennoch hat die Partnerschaft auch aus Charlottenburg-Wilmersdorfer Perspektive jahrelang keine überragende Bedeutung gehabt. Das hat sich mit dem Tag der russischen Invasion fundamental verändert. Jetzt wollen viele Menschen im Berliner Bezirk den Menschen im Kiewer Bezirk – und darüber hinaus – helfen. Und auch das Bezirksamt will sich beteiligen.

Eine der Schlüsselfiguren ist Oliver Schruofenegger. Der Grünen-Stadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen war in den vergangenen Jahren immer wieder in der Ukraine. Jetzt will er seine Kontakte mit der großen Hilfsbereitschaft im Bezirk zusammenbringen, sagt Schruofenegger im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Seine Aufgabe sei vor allem eine „Vernetzung“. Sollte jemand aus der Administration von Petschersk im Rathaus an der Otto-Suhr-Allee vorstellig werden, hofft er auf engere Zusammenarbeit. „Es könnte jemand aus Kiew an einer Schule hier von der Situation berichten“, sagt er.

Schruofeneggers Reisen beschränkten sich aber nicht auf Kiew, privat war er auch öfter in Charkiw. Wie es der Zufall will, ist die Großstadt in der Ost-Ukraine Partnergemeinde des Nachbarbezirks Steglitz-Zehlendorf. Nun wollen sich beide Berliner Bezirke, in denen es sehr engagierte Willkommensbündnisse aus der Bürgerschaft gibt, zusammensetzen und ihre Hilfe koordinieren.

Seit 1989 gibt es im Berliner Südwesten Kontakt nach Charkiw

Seit 1989 gibt es im Berliner Südwesten Kontakt nach Charkiw, vor allem auf musikalischer Ebene. Diesen September sollte eine Kinder- und Jugendgruppe mit Tänzern und Musikern aus dem Kinder-Kulturpalast von Charkiw nach Steglitz-Zehlendorf reisen, um mit Gruppen der hiesigen Musikschule aufzutreten. Ob der Besuch in diesem Jahr noch möglich ist, ist völlig offen. Jetzt sammelt der Steglitz-Zehlendorfer Städtepartnerschaftsverein Spenden. 18.000 Euro für Medikamente würden benötigt, heißt es.

Während Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf ihre Kontakte in die Ukraine spielen lassen wollen, lässt Lichtenberg seine Partnerschaft mit einer Stadt im Osten ruhen: Es handelt sich um Kaliningrad, das frühere ostpreußische Königsberg, gelegen in einer von jeher militärisch stark gesicherten russischen Exklave, umgeben von der Ostsee und den Nato-Staaten Litauen und Polen.

Nach Auskunft von Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst war die Partnerschaft „schon lange schwierig“. Bereits vor der Corona-Pandemie, die so viele Kontakte hat einschlafen lassen, seien die Kaliningrader recht komplizierte Partner gewesen, die nur vorsichtig – und oft erst, wenn es grünes Licht aus Moskau gab – mit den Deutschen ins Gespräch kamen. Dennoch will Grunst, der selbst mehrmals in Kaliningrad war, auch vor dem Hintergrund des Krieges jetzt nicht alle Brücken abbrechen.

Bezirk möchte seine Partnerschaft mit Kaliningrad nicht komplett abbrechen

In seiner Haltung verweist der Linke-Politiker auf eine Aussage des CDU-Politikers Markus Lewe. Der Oberbürgermeister von Münster in Westfalen und Präsident des Deutschen Städtetags rät „dringend davon ab, Städtepartnerschaften zu russischen Städten jetzt zu beenden. Denn hier laufen die Verbindungen von Mensch zu Mensch, eben nicht auf staatlicher Eben“. Durch Dialog entstünden Vertrauen und gegenseitiges Verständnis, so Lewe. „In diesem Sinne können Städtepartnerschaften Friedenssignale senden und deeskalierend wirken.“

Das hatte auch der Berliner Senat im Blick, als er unlängst erklärte, er wolle an der Partnerschaft mit der russischen Hauptstadt Moskau festhalten. „Dieser Krieg ist Putins Krieg. Es ist nicht der Krieg der russischen Bevölkerung, es ist nicht der Krieg der Moskauer Bevölkerung“, sagt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).