Verkehr

Senat bestätigt: Die Friedrichstraße in Mitte wird für Fahrräder gesperrt

Der Mittelteil ist bereits für Autos tabu. Nun soll er eine Fußgängerzone werden, sagt Senatorin Jarasch. Radfahrer erhalten auf einer Parallelstraße Vorrang.

Noch darf auf dem autofreien Teilstück der Friedrichstraße rund um das Warenhaus Galeries Lafayette Rad gefahren werden – aber nicht mehr lange. Der Radfahrstreifen wird entfernt.
Noch darf auf dem autofreien Teilstück der Friedrichstraße rund um das Warenhaus Galeries Lafayette Rad gefahren werden – aber nicht mehr lange. Der Radfahrstreifen wird entfernt.Markus Wächter

Er wurde als „Berlins peinlichste Radrennstrecke“ geschmäht. Andere Berliner freuten sich über ihn. Jetzt hat Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch sein Schicksal besiegelt. Der Radfahrstreifen im Verlauf der Friedrichstraße, der auf dem autofreien Abschnitt zwischen der Französischen und der Leipziger Straße verläuft, wird aufgehoben. Das Teilstück werde endgültig zu einer Fußgängerzone, bestätigte die Senatsverwaltung am Donnerstag. Nachdem es 2020 schon für Kraftfahrzeuge gesperrt worden war, müssen bald auch Radfahrer andere Strecken wählen. Je früher der Radweg verschwindet, umso besser, lobte Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. Doch ob die Kritiker mit der neuen Lösung zufrieden sein werden, ist ungewiss. Im Gegenzug wird eine parallele Straße zur Fahrradstraße, auf der Radler Vorrang bekommen.

Seit Ende August 2020 ist der rund 500 Meter lange Abschnitt in der Friedrichstraße für Kraftfahrzeuge gesperrt. Er sollte zu einer „Flaniermeile“ aufblühen, versprachen Bezirk und Senat vor Beginn des Verkehrsversuchs. Doch Anwohner, Fußgängerlobbyisten und andere Kritiker stoßen sich bis heute daran, dass in der Fahrbahnmitte ein rund vier Meter breiter Radfahrstreifen angelegt wurde. Der mit gelbem Klebeband abgesteckte Fahrradbereich sei eine Gefahrenzone, heißt es. Es gibt aber auch Lob für den Radweg. Er ermögliche es, diesen Teil des östlichen Stadtzentrums sicherer und entspannter als bisher mit dem Rad zu durchqueren. „Unfälle gab es nicht“, so Stefan Lehmkühler.

„Wir definieren den Begriff Flaniermeile neu“

Nun hat die neue Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch auf die anhaltenden Bedenken reagiert. Wie jetzt bekannt wurde, sagte die Grünen-Politikerin bereits vor rund zwei Wochen zu, Fahrräder vom autofreien Abschnitt rund um die Galeries Lafayette zu verbannen. Nachdem die Berliner Morgenpost am Donnerstag darüber berichtet hatte, bestätigte die Verwaltung die Nachricht – und die Politikerin äußerte sich offiziell.

„Wir werden die Friedrichstraße und ihre Umgebung zu einem attraktiven, modernen und grünen Stadtraum entwickeln, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft. Die Perspektive der Fußgänger:innen steht dabei im Zentrum. Wir definieren den Begriff Flaniermeile neu, schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität und helfen so auch dem Einzelhandel am Ort“, teilte Jarasch mit. „Der Verkehrsversuch hat erwiesen, dass der gelb markierte Fahrradstreifen die Fußgänger:innen daran hindert, den Raum so zu nutzen, wie wir es uns gewünscht haben. Mobilitätswende gelingt nur, wenn wir offen sind fürs Ausprobieren – und dann aber auch konsequente Entscheidungen treffen. Das tun wir hier, und ich freue mich auf die Debatte über die künftige dauerhafte Gestaltung dieses so wichtigen Stadtraums, gemeinsam mit allen Beteiligten.“

Senat: Radweg ist „problematisch“

Die Idee einer „Flaniermeile“ mit dem Fußverkehr im Mittelpunkt habe nicht funktioniert, bekräftigte die Verwaltung am Donnerstag. „Als problematisch hat sich insbesondere der breite Radweg in der Straßenmitte erwiesen.“ Daher werde er aus der Friedrichstraße herausgenommen. „Hier wird künftig überall der Fußverkehr Vorrang haben. Das ist eine entscheidende Verbesserung. So ergeben sich komplett neue Gestaltungsmöglichkeiten für den weiterhin autofreien Abschnitt der Friedrichstraße – die wir nutzen werden.“ Dazu werde wie schon angekündigt ein Gestaltungswettbewerb vorbereitet, der das gesamte Areal in den Blick nimmt, bis hin zum Gendarmenmarkt. Dem Vernehmen nach soll im Herbst damit begonnen werden, den Platz zu sanieren.

Auf dem für Autos gesperrten Abschnitt der Friedrichstraße soll die Situation schon kurzfristig verbessert werden, teilte ein Sprecher mit. Wie berichtet hat der Senat beim Bezirk eine „Teileinziehung“ beantragt – künftig wird Autoverkehr auch rechtlich nicht mehr möglich sein. „Danach können die Gelbmarkierung des Fahrradstreifens und auch die rot-weißen Baustellenbaken entfernt werden“, so die Verwaltung. Der Platz könnte neu genutzt werden – zum Beispiel für Gastronomie, für Sitzmöglichkeiten, für Grün.

Künftig werde der Radverkehr wie im Vorrangnetz des Radverkehrsplans vorgesehen, über die parallele Charlottenstraße geführt, teilte der Senat weiter mit. Sie soll zu einer Fahrradstraße ohne Kfz-Durchgangsverkehr werden. Auf solchen Straßen gilt Tempo 30, und es darf nebeneinander geradelt werden -was auf anderen Straßen seit zwei Jahren ebenfalls erlaubt ist, dort aber nur, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird. „Die  Charlottenstraße wird vom Kfz-Verkehr entlastet“, hieß es. „Geschäfte und Häuser bleiben dabei per Auto und für den Lieferverkehr erreichbar.“

Fußgänger haben schon jetzt deutlich mehr Platz als vorher

„Die Charlottenstraße liegt auf dem Vorrangnetz für den Radverkehr. Das bedeutet, dass hier entsprechend dem Radverkehrsplan in den nächsten Jahren ohnehin ein Radweg entstehen soll“, sagte Lisa Feitsch, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Berlin. Sie erklärte, was das konkret bedeutet: „Wird die Einkaufsstraße Friedrichstraße zu einer Fußgängerzone, muss sichergestellt werden, dass die gewonnenen Meter fürs Rad nicht verloren gehen oder jahrelang hinten runterfallen. Zeitgleich zu einem Umbau der Friedrichstraße müsste die Charlottenstraße für den Radverkehr aufgewertet werden“, so Feitsch. „Das bedeutet konkret: gute Anbindung im Norden und Süden, Lieferzonen statt Privatparkplätze und bauliche Lösungen, die die Strecke vor Kfz-Durchgangsverkehr schützen, sodass Platz fürs Rad entsteht und das Auto Gast bleibt. So würde Platz und Lebensqualität für alle sichergestellt werden.“

Schon gibt es erste Kritik am Plan für die Charlottenstraße. „Die ersten  Vorschläge lassen nichts Gutes erahnen: Den Fahrradverkehr allein durch die Charlottenstraße zu lenken, macht es dem Autoverkehr noch schwieriger, durch Mitte zu kommen. So werden ein enormes Verkehrschaos und eine hohe Belastung für die Menschen, den Handel und die Gastronomie vor Ort bewusst in Kauf genommen“, kommentierte der FDP-Verkehrspolitiker Felix Reifschneider. „Berlin braucht endlich effektive Lösungskonzepte für den Hauptstadtverkehr und keine weiteren Blockaden. Dafür muss geprüft werden, die Charlotten- und die Glinkastraße in gegenläufige Einbahnstraßen zu verwandeln, die Durchfahrt an der Britischen Botschaft in der Wilhelmstraße zu öffnen und Zeitfenster für den Lieferverkehr festzulegen. So kann der Verkehrsfluss durch Berlins Mitte für unterschiedliche Anforderungen gut gesteuert werden."

Der Grünen-Politiker Stefan Lehmkühler, der in der Nähe wohnt, begrüßte dagegen die Einbeziehung der Charlottenstraße ins Radnetz. „Radfahrende werden dort Vorrang haben“, unterstrich er. Doch eigentlich müsste die Route über die Friedrichstraße führen. Die Kritik an dem dortigen Radfahrstreifen kann Lehmkühler nicht nachvollziehen: „Es ist schade, dass das Konzept der ‚Safety Lane‘, die übrigens auch Rettungs- und anderen Einsatzfahrzeugen eine Gasse bahnt, so schnell aufgegeben wird.“ In der Friedrichstraße habe sich der Bereich für Fußgänger nach der Sperrung für Autos Ende August von rund 3,50 auf mehr als 8,50 Meter verbreitert, gab der Mitte-Bewohner zu bedenken. Wenn der Abschnitt nun eine Fußgängerzone werde, könnte dies der Einzelhandel zu spüren bekommen. Viele Radfahrer würden dort einkaufen, sagte er.

„Kaum ein Radfahrer kauft dort ein“

Nils Busch-Petersen vom Handelsverband zog das in Zweifel. „Die meisten fahren schnell durch, kaum ein Radfahrer kauft dort ein“, sagte er. Eine angebliche Flaniermeile mit einem Radschnellweg zu versehen, sei „ein Unding“, so seine Kritik. „Das ist nicht die Qualität, die wir uns erhofft hatten.“ Der Verkehrsversuch in seiner jetzigen Form sei „krachend gescheitert“, so Busch-Petersen. Er forderte ein Konzept, das die umliegenden Straßen einbezieht. Eine Variante wäre, Einbahnstraßenregelungen einzurichten – auch in der Friedrichstraße. „Wir freuen uns auf den Dialog mit der Senatorin.“ Bettina Jarasch sei gesprächsbereiter als ihre Vorgängerin Regine Günther.

An einem wichtigen Element der bisherigen Planung will aber auch die neue Senatorin festhalten: Der autofreie Abschnitt wird nicht wieder für Kraftfahrzeuge geöffnet. „Die Auswertung des Verkehrsversuchs und das Nahbereichskonzept zur Lösung von Verkehrsproblemen hat ergeben: Es gibt eine sehr hohe Zufriedenheit von Passantinnen und Passanten mit der Aufenthaltsqualität in einer autofreien Friedrichstraße. So wünschen sich vier von fünf Befragten eine dauerhafte Sperrung für den motorisierten Verkehr“, teilte die Verwaltung mit.

Verband fordert sofortige Öffnung für den Straßenverkehr

Der Verband „Die Mitte“ bekräftigte seine Position. Er fordert unverändert die „sofortige Beendigung des Verkehrsversuchs“, hieß es in einer Mitteilung. Der bisherige Zustand müsse vorerst wiederhergestellt, die „provisorischen und unerträglichen Gestaltungselemente“ müssten abgebaut werden. „Wir begrüßen es, dass endlich die Friedrichstraße nicht singulär betrachtet wird, sondern in einem größeren Gebiet gedacht wird. Es braucht eine Gesamtkonzeption für die Friedrichstraße, Gendarmenmarkt und Unter den Linden, die nicht nur den Verkehr betrachtet, sondern auch die Städtebaugestaltung. Das Ergebnis der Planung und Umsetzung muss für Mitte und Berlin eine Qualität auf internationalem Niveau haben.“

Die Zeit für schnelle Lösungen sei vorbei, so „Die Mitte“. „Jetzt sollte man sich die Zeit nehmen und es endlich richtig machen.“ Der Verband lobte den „sehr guten Dialog mit der Senatorin Bettina Jarasch gibt“.