Neu in der Stadt

S-Bahn, U-Bahn, Taxis: Warum mich der Nahverkehr in Berlin glücklich macht

Den Berliner Nahverkehr loben? Das solle sie lieber lassen, erfuhr unsere Autorin, das ärgere die Einheimischen nur. Sie hat es trotzdem getan.

Mitunter auch im Schneckentempo unterwegs: die Berliner Straßenbahn.
Mitunter auch im Schneckentempo unterwegs: die Berliner Straßenbahn.imago/ stock&people

Bewunderung! Dieses Wort fasst meine Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr in Berlin am besten zusammen. Ich war auf das Angenehmste überrascht. In Gaborone, Botswanas Haupt- und meine Heimatstadt, muss ich auf der Straße Taxis oder Minibusse anhalten. In Berlin tippe ich mein Fahrziel ins Handy und nehme die vorgeschlagene Bahn oder den Bus. Pünktlich. 

Nun ja, zuletzt gab es aufgrund der Bauarbeiten in der Stadt einige Verspätungen. Dennoch hat Berlin das fast beste Verkehrssystem, wie ich es im Gespräch mit meinem Kollegen aus Simbabwe mal nannte. Er zuckte traurig mit den Schultern und sagte, dass einige afrikanische Länder diese Art von Verkehrssystem erst in 50 Jahren erreichen können. Dies löste eine Diskussion zwischen ihm und unserem anderen Kollegen aus Tansania aus, der eindeutig an sein Land glaubt und sagte, dass es auf dem besten Weg dorthin sei. Wir nehmen alle an einem Journalistenaustausch teil und sind deshalb in Berlin. Ich muss jedoch Ägypten zugute halten, dass es der ganze Stolz des afrikanischen Kontinents ist, wenn es um die Entwicklung des Zugverkehrs geht.

Es wird ewig dauern, bis wir in Botswana jemals ein solches Verkehrssystem haben werden, wenn überhaupt. In meinem hohen Alter von 29 Jahren habe ich noch nie eine Fahrt mit Botswana Railways erlebt. Ja, es gibt diese Eisenbahngesellschaft bei uns, aber ich bin noch nie mit einem ihrer Züge gefahren. Es gibt einfach dauernd Ärger mit der Bahn, von ständigen Ausfällen über Unfälle bis hin zu Reparaturen, die auf halber Fahrt nötig werden, mit gestrandeten Fahrgästen.

Ich sollte aufhören mich aufzuregen. Aber mein jüngeres Ich wäre einfach so froh darüber gewesen, mal in einem Zug sitzen zu dürfen. Danke, Botswana Railways, dass ihr mir ein Stück meiner Kindheit gestohlen habt. Als ich klein war, habe ich Kinderlieder über Züge gesungen, aber ich habe sie nie erlebt. Kein Witz! Bevor ich diesen Artikel geschrieben habe, war mir übrigens gar nicht bewusst, wie viel Abneigung ich gegen unsere nationale Eisenbahn hege.

In Botswana bin ich nie Bahn gefahren. In Berlin fahre ich ständig Bahn

In Botswana bin ich nie Bahn gefahren. In Berlin fahre ich ständig Bahn. Als ein Freund von mir hörte, wie sehr ich die Pünktlichkeit und Bequemlichkeit der Züge hier lobte, sagte er mir, dass einige Einheimische das besser nicht hören sollten, weil sie nicht die gleiche Meinung hätten. Ich habe das mit einem Achselzucken abgetan, weil ich weiß, dass es in Botswana Kinder gibt, die im Winter der Kälte trotzen und in Eselskarren zur Schule fahren. Aber natürlich bin ich mir bewusst, dass ich eine der größten Volkswirtschaften der Welt mit einem Land mit eher kleiner Wirtschaft vergleiche.

Wir kamen im September als Stipendiaten des Journalistenaustauschprogramms aus Afrika, wie die meisten Menschen sagen würden, ohne die Länder zu nennen, aus denen wir stammen, nach Berlin. Das war mitten in der Kontroverse um das 9-Euro-Ticket, und ich glaube, das Glück war nicht auf unserer Seite, denn wir mussten 86 Euro für unsere Monatskarte bezahlen. Trotzdem konnten wir die Annehmlichkeiten des Nahverkehrs kaum fassen. Toll waren auch die Bäckereien an fast jedem Bahnhof, die mich dazu brachten, meine kohlenhydratfreie Diät über den Haufen zu werfen.

Ich versuche wirklich herauszufinden, was mich am Bahnfahren in Berlin stört, abgesehen von den unangenehmen Blicken von Fremden, bei denen man sich fragt, ob man seine Maske falsch trägt, und abgesehen davon, dass ich mich an jedem zweiten Tag in Gesundbrunnen verirre.

Zusätzlich würde ich etwas sagen, was vielleicht übertrieben klingt: Mein inneres Kind wurde durch das Bahnfahren in Berlin geheilt. Astrologie-Gläubige freuen sich vielleicht über die Aussage zum inneren Kind, da es gerade in diesen Wochen im Universum angeblich um dessen Heilung geht.

Was ich noch erwähnen möchte, wenn es um den Nahverkehr in Berlin geht, ist, dass hier Autos von Mercedes-Benz als Taxis benutzt werden – purer Luxus, wenn Sie mich fragen. In Botswana kann man sich glücklich schätzen, in einem Minibus zu sitzen, bei dem man nicht mit der Tür kämpfen muss, um auszusteigen. Oder nicht zu spät zur Arbeit zu kommen, weil der Fahrer auf der Suche nach weiteren Kunden im Schneckentempo fährt. Ihr habt mein Herz mit eurem geordneten Verkehrssystem gewonnen! Nun ja, wenn ich nicht gerade wieder am Bahnhof Gesundbrunnen herumstolpere.

Ononofile Lonkokile lebt und arbeitet in Gaborone, der Hauptstadt von Botswana. Sie ist im Rahmen des IJP-Stipendiums Austauschjournalistin bei der Berliner Zeitung. Übersetzt aus dem Englischen von Wiebke Hollersen.