Alles sah so aus, als würden Bauarbeiter vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in der Invalidenstraße in Berlin am Gehweg werkeln. Ein Teil des Bürgersteigs vor dem Nebeneingang des Ministeriums war mit Flatterband und Barken abgesperrt. Wohl, weil in Berlin an fast jeder Straßenecke gebaut wird, erregten auch die vier Arbeiter mit orangefarbenen Warnwesten, weißen Bauhelmen und Schaufeln in der Hand an jenem 19. April des vergangenen Jahres zunächst kein Aufsehen.
Die vermeintlichen Bauarbeiter hatten die Gehwegplatten herausgehoben und fein säuberlich am Rand der Baugrube gestapelt. Etwa zwanzig bis 30 Zentimeter hatten sie sich schon ins Erdreich gebuddelt, um die neben der Baugrube liegenden orangefarbenen Rohre zu verlegen. Wer die Rohre genauer betrachtete, konnte darauf den Schriftzug „Qatar Stream“ lesen.
Dann kam doch noch die Polizei und nahm die „Bauarbeiter“ fest. Denn es waren Aktivisten der Gruppierung Aufstand der letzten Generation, die sich diesmal nicht auf der Fahrbahn festgeklebt oder Kartoffelbrei auf ein Kunstwerk geworfen hatten. Mit ihrer Gehweg-Aktion wollten sie gegen den Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck protestieren, so ging aus entsprechenden Tweeds bei Twitter hervor. Der Grünen-Politiker hatte einen Monat zuvor mit Katar ein Energieabkommen über die Lieferung von Flüssiggas geschlossen

Am Dienstag nun sitzt einer dieser „Bauarbeiter“ auf der Anklagebank des Amtsgerichts Tiergarten. Staatsanwältin Anette Borgas wirf Bruno E. gemeinschädliche Sachbeschädigung und Zerstörung von Bauwerken vor.
Laut Anklage soll der Physikstudent am Tattag gegen 10.30 Uhr zusammen mit sieben weiteren Personen aufgrund eines zuvor gefassten Tatplans als Bauarbeiter verkleidet vor dem Wirtschaftsministerium die Gehwegplatten auf einer Länge von acht Metern herausgehebelt haben. Auch habe der Angeklagte die denkmalgeschützte Fassade der Behörde mit schwarzer Farbe beschmiert, so sagt es Anette Borgas.
Wie praktisch! Öl aus Katar kommt jetzt direkt vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aus dem Boden. @BMWK pic.twitter.com/wUUYvizFHF
— Letzte Generation (@AufstandLastGen) April 19, 2022
Die Kosten für die Reinigung der Fassade beziffert die Staatsanwältin mit 11.623,13 Euro, die für die Wiederherstellung des Gehwegs auf 1358,31 Euro. Der Bürgersteig, so sagt es die Staatsanwältin, sei für eine nicht unerhebliche Zeit nicht nutzbar gewesen.
Bruno E. trägt Rastazöpfe und ein verschmitzten Lächeln im Gesicht. Er kommt aus Dresden, ist in der sächsischen Hauptstadt erst im September vorigen Jahres für eine Aktion der Letzten Generation wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 525 Euro verurteilt worden, die er bereits abgezahlt hat. Für die Tat am Wirtschaftsministerium in Berlin hatte er einen Strafbefehl über 70 Tagessätze zu jeweils 30 Euro erhalten, dagegen aber Einspruch eingelegt. Deswegen wird nun vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt.
Bruno E. legt Teilgeständnis ab
Bruno E. gibt zu, bei den „Bauarbeiten“ dabei gewesen zu sein. Er spricht in seiner Einlassung vom Klimawandel als größter Herausforderung der Menschheit, davon, dass ausgerechnet Klimaminister Habeck ein Abkommen mit Katar über die Lieferung von Flüssiggas geschlossen habe. Habecks Verhalten habe ihn sehr aufgebracht.
Die Bauarbeiter-Aktion sei an den Minister adressiert gewesen. Symbolisch habe man eine Katar-Pipeline direkt bis ins Wirtschaftsministerium verlegen wollen. Und weil das bloße Hinlegen von Rohren nichts gebracht hätte, habe man sich entschlossen, den Gehweg aufzugraben.
Allerdings distanziert sich der Angeklagte davon, Farbe an die Fassade des Ministerium geschüttet zu haben. Daran sei er nicht beteiligt gewesen, beteuert er. Die Farbattacke und die symbolischen Bauarbeiten seien zwei unterschiedliche Aktionen des Bündnisses Letzte Generation gewesen.
Als Zeugen werden Polizisten gehört. Sie bekunden, dass Bruno E. keinen Widerstand geleistet habe, als ihm die Schippe aus der Hand genommen worden sei. Auch seien die Gehwegplatten bei den „Bauarbeiten“ nicht beschädigt worden. Die Auswertung der Bilder der Überwachungskamera ergab, dass Bruno E. beim Schippen beteiligt war. Bei der Farbaktion könnte er mit einem anderen Mitglied der Letzten Generation, das ihm von Statur und Größe gleicht, verwechselt worden sein.
Klimaaktivist muss 750 Euro zahlen
Nach rund zweistündiger Verhandlungsdauer verurteilt Richterin Jeannette Karthaus den Klima-Bauarbeiter wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro – weit weniger als ursprünglich im Strafbefehl gefordert. Bruno E. habe sich wegen der Beschädigung des Gehwegs strafbar gemacht. Das Beschmieren der Fassade des Ministeriums könnte dem jungen Mann nicht zugeordnet werden.
Karthaus sieht in den „Bauarbeiten“ keine Zerstörung von Bauwerken, die Substanz sei nicht verletzt, nur die öffentliche Nutzung des Bürgersteigs vorübergehend aufgehoben worden. Es habe eine gewissen Aufwand gebraucht, Sand und Platten wieder zurück an ihren ursprünglichen Platz zu bringen.
„Das Gericht achtet Ihre Motive“, sagt Karthaus zu dem Angeklagten. Jedoch habe die Tat die Grenzen der Sozialadäquanz überschritten. Es gehe zu weit, wenn jeder im öffentlichem Raum mache, was er wolle, erklärt die Richterin.
Mit ihrem Urteil bleibt die Richterin unter der von Staatsanwältin Borgas geforderten Geldstrafe von 60 Tagessätzen über 15 Euro. Der Verteidiger von Bruno E. hatte dagegen einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Es sei nicht unbefugt, wenn auf so drastische Art auf den Klimawandel hingewiesen werden, so der Anwalt.
Bruno E. hatte in seinem letzten Wort gesagt, er freue sich, dass die Tat bei Gericht nicht als Terrorismus bezeichnet worden sei, wie in manchen Zeitungsbeiträgen. „Wir achten den Rechtsstaat“, so der Angeklagte. Ob er das Urteil annehmen oder in Berufung gehen wird, ist nach Angaben seines Anwalts noch unklar.
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