Bis zu 300.000 Teilnehmer erwarten die Veranstalter der Technoparade Rave The Planet am kommenden Sonnabend in Berlin. Aber ob der Umzug überhaupt stattfinden kann, steht in den Sternen. Denn es wird wohl keine Sanitäter geben, die sich um kollabierte Personen kümmern könnten.
Den Techno-Umzug hat Dr. Motte bei der Polizei als Demonstration für den Erhalt der elektronischen Musik- und Clubkultur angemeldet. Die Route soll über die Straße des 17. Juni zum Großen Stern und zurück zum Brandenburger Tor führen.
Dass Hunderttausende vom Brandenburger Tor zur Siegessäule ziehen werden, halten Polizei und Innenverwaltung für realistisch. Bereits am 9. Juli vergangenen Jahres hatte die Polizei 200.000 und der Veranstalter 400.000 Teilnehmer gezählt.
Die Veranstaltung ist eine Neuauflage der Loveparade, die Dr. Motte im Jahr 1989 erstmals organisiert hatte. Später nahmen daran in Berlin mehr als eine Million Menschen teil. Im Jahr 2001 entschied allerdings das Oberverwaltungsgericht, dass die Loveparade keine politische Demonstration sei, sondern eine kommerzielle Veranstaltung zu Unterhaltungszwecken. Als eine der Folgen musste nun nicht mehr die Allgemeinheit die Kosten zum Beispiel der Müllbeseitigung tragen, sondern der Veranstalter.
Nur mündliche Absprachen - kein Vertrag
2006 gab der Gründer die Marke Loveparade ab. 2010 endete die völlig überfüllte Loveparade anderer Organisatoren in Duisburg in panischem Gedränge mit 21 Toten. Nun ist der Techno-Umzug wieder als politische Demonstration angemeldet – zum zweiten Mal in Berlin. Die zuständige Versammlungsbehörde wird, wie bei anderen Großdemos auch, bestimmte Auflagen verhängen. Dazu zählt unter anderem die Stellung eines Sanitätsdienstes durch den Veranstalter.
Doch daraus wird nichts. Veranstalter und Malteser geben sich nun gegenseitig die Schuld. „Die Malteser waren in die Detailplanung mit der Polizei eingebunden“, sagt Ellen Dosch-Roeingh, Sprecherin der Rave the Planet gGmbH. „Die vorvertraglichen Verhandlungen enthielten bereits Personenstärken und Kostenschätzungen. Es wurden darüber hinaus bereits Detailplanungen zur Versorgung der Sanitätsstandorte gemacht, wie Strom, Wasser und Toiletten. Die infrastrukturellen Planungen waren so weit, dass Aufträge an Drittdienstleister ausgelöst wurden.“ Auf den Abschluss eines Vertrages habe man vertrauen können, sagt sie. „Am 21. Juni kam dann von den Maltesern völlig unvermittelt die Absage. Sie kam zur absoluten Unzeit.“
Laut den Maltesern wiederum gab es keinen offiziellen Vertrag über Sanitätsdienstleistungen. Auch mündliche Zusagen für die Erbringung von Sanitätsdienstleistungen habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Dem Hilfsdienst hätten auch die Streckenführung und weitere Planungen gefehlt. „Ohne diese notwendigen Konzepte waren wir daher schon rein tatsächlich zu keinem Zeitpunkt in der Lage, dem Veranstalter ein für die Größe dieser Veranstaltung angemessenes und erforderliches Konzept zu machen“, teilte eine Sprecherin mit.
Fehlender Sanitätsdienst wäre Grund für ein Verbot
„Wir können nur davon ausgehen, dass die Dementis der Malteser eine Schutzbehauptung sind“, sagt dazu Ellen Dosch-Roeingh. Wie es jetzt mit der Techno-Parade weitergeht, ist unklar. Die Veranstalter sehen die Versammlung erklärtermaßen „in unmittelbarer Gefahr“. „Wir haben einen Appell an alle Hilfsdienste gesendet und hoffen, dass sich das Blatt zum Positiven wendet“, sagt die Sprecherin.
Bis jetzt haben alle anderen Hilfsorganisationen abgesagt.
Bei der Technoparade rechnen Polizei und Feuerwehr mit „nicht unbedingt versammlungstypischen Notfällen“ wie Dehydrierung oder Verletzungen, wie es dort heißt. So mussten bei der Parade im vergangenen Jahr – trotz vorhandenen Sanitätsdienstes – Rettungswagen mehr als 100 Transporte in Kliniken fahren. Die meisten Patienten waren wegen Drogen- oder Alkoholmissbrauchs zusammengebrochen.
„Kein Sanitätsdienst, das wäre ein Untersagungs- beziehungsweise Auflösungsgrund“, sagt ein ranghoher Beamter. „Das Land Berlin unterstützt natürlich Versammlungen, aber es findet seine Grenzen, wenn sich der Versammlungsleiter aus der Verantwortung zieht.“
Angst vor drohender Enge
Nachdem es schon im vergangenen Jahr zu einem plötzlichen Abbruch der Rave-Parade kam, da die vom Veranstalter angegebene Teilnehmerzahl von 20.000 weit überschritten wurde, ist nun die Befürchtung einer Wiederholung groß. Diesmal meldete der Veranstalter etwa 300.000 Teilnehmer an. Doch in Insiderkreisen rechnet man mit mehr als einer halben Million Ravern.
Dass die Berliner Polizei die Parade-Strecke nur auf der Straße des 17. Juni zulässt, macht die Sache heikel: Hier sollen am Sonnabend 30 Trucks hin und her fahren. Zwischen den Fahrzeugen ist ein Mindestabstand von 100 Metern vorgeschrieben.

