Horrorgeschichten von Berliner Bahnhöfen hat wohl jeder auf Lager. Auch in sozialen Netzwerken ist Bahnhofsgossip gefragt, zuletzt mal wieder auf der Online-Plattform Reddit, wo ein User die Frage aufwarf, welcher Bahnhof der Hauptstadt denn nun der schlimmste sei und warum. Etliche Berliner griffen die Frage bereitwillig auf und beteiligten sich mit eigenen Erfahrungsberichten.
Besonders schlecht schnitten dabei U-Bahn-Stationen in Kreuzberg und Nord-Neukölln ab. Der südliche Teil der U8 kommt demnach dem Vorhof zur Hölle gleich („Is it the puke & piss smell?“), aber auch Haltestellen wie Alexanderplatz oder Yorckstraße bekommen ihr Fett weg. Wir haben uns den Rant mal genauer angeschaut: Was gibt es an den Bahnhöfen zu bekritteln – und sind sie wirklich so schlimm, wie alle sagen?
Aber nicht doch: Es gibt Schlimmeres als den Bahnhof Yorckstraße
Nämlich: die Yorckstraße selbst. Hat man die hinter sich gebracht und die Stufen zum S-Bahnhof Yorckstraße erklommen, wirkt alles nicht mehr so abgerockt. Sicher, es ist zugig und am Abend nicht besonders einladend, weil einsam, aber es gibt sicherlich furchtbarere Orte und vor allen Dingen Bahnhöfe, um in Berlin auf den Zug zu warten.
Immerhin 33 Negativ-Likes gab es als Zustimmung bei Reddit, der Bahnhof Yorckstraße hat also ein Imageproblem. Aber wie gesagt: Wenn Sie den schrecklich finden, dann laufen Sie doch mal über die namensgebende Straße, am besten nach Einbruch der Dunkelheit unter den Yorckbrücken lang.
Lasst alle Hoffnung fahren: Bahnhof Boddinstraße
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben wird der Bahnhof Boddinstraße unter dem Kürzel BO geführt. Ausgesprochen könnte das wie „Buuuuu!“ klingen. Das ist dieser Laut, den man macht, um jemanden zu erschrecken. Zum Bahnhof Boddinstraße passt das wie die Faust aufs Auge, denn die Station unterhalb der Hermannstraße ist zu einer Art Sammelpunkt all jener geworden, denen die Stadt komplett egal zu sein scheint: Drogen, Alkohol, Geplärr, Müll und eine grundaggressive Atmosphäre bestimmen hier seit Jahren das Bild und geben den Passanten das Gefühl, in einer dystopischen Netflix-Serie gelandet zu sein.
Nun ist die Hermannstraße wahrlich kein Sehnsuchtsort, und sicherlich haben viele der Menschen, die hier das Bild prägen, keine Schuld an ihrem Schicksal und etwas Besseres verdient. Man hat aber auch nicht das Gefühl, dass den Problemen, die damit einhergehen und die diesen Ort auf eine Liste wie Reddit gebracht haben, mit Nachdruck etwas entgegengesetzt würde.
Höhlensystem des Horrors: Alexanderplatz
„Ich finde den Alexanderplatz schrecklich, wegen der langen Wege und der Unübersichtlichkeit. Ich habe z. B. Jahre gebraucht, um herauszufinden, wo der Aufzug ist, mit dem ich von draußen direkt zur U5 komme“, lautet ein Kommentar, der von vielen Reddit-Nutzern hochgevotet wurde. Andere pflichten dem Kommentator bei, bezeichnen den Bahnhof Alexanderplatz – immerhin einer der meistfrequentierten der Stadt, an dem vier S- und drei U-Bahn-Linien halten – als Labyrinth, in dem man sich einfach nicht zurechtfinden könne.

Dem lässt sich kaum widersprechen. Selbst alte ÖPNV-Hasen scheitern daran, sich am Alexanderplatz zielgerichtet zu bewegen und auf kürzestem Wege ihren Bestimmungsort zu erreichen. Die Profis erkennt man allenfalls daran, dass sie sich ihre Verwirrung nicht anmerken lassen. Gerade ist es wegen der Baustellen und des Pendelverkehrs besonders schlimm, und genau da liegt das Problem: Am Alex ist halt immer irgendwas. Immer wird irgendwo gebaut oder saniert, und dann ist wieder alles anders und man sucht von vorn.
Wo war nochmal der kürzeste Weg zum Kaufhof? Zack, steht man am Ausgang zum Alexa. Wie kommt man noch mal am schnellsten zur U8? Ups, nee, das war der Bahnsteig der U5. Auch nicht besser: das Umsteigen zur Tram. Straßenbahnlinien gibt es so einige am Alex, sie fahren mal an dieser, mal an jener Haltestelle ab, je nach Baustellensituation wird gerne umverlegt, was das Zeug hält. Und so sucht man sich eines ums andere Mal einen Wolf. Zwischen schier unzähligen Ausgängen, Abgängen, Wegen, Passagen, Bahnsteigen und Zwischenebenen droht am Ende nur eines: der Fliesen-Koller im Höhlensystem des Horrors.
Kontemplation im Tunnel: Stadtmitte
Auch der Bahnhof Stadtmitte, an dem sich U2 und U6 kreuzen, bekommt bei Reddit sein Fett weg. Vorgeschlagen wird, zwei Stationen daraus zu machen, weil niemand kapiere, dass es sich bei diesem Abstand um die gleiche Haltestelle handle. Nun war es früher tatsächlich mal so, dass die Stationen unterschiedlich hießen: Bei der Eröffnung des Bahnhofs 1908 hörte der Stopp auf der Ost-West-Strecke noch auf den Namen Friedrichstraße, als 1923 der Bahnhof der heutigen U6 dazukam, hieß der zunächst Leipziger Straße.
Es folgten einige Umbenennungen, die nur mehr Verwirrung stifteten, und so sollte man heute eher froh sein, dass einfach alles Stadtmitte heißt. Auch der Tunnel, über den man von der U2 zur U6 gelangt und der von manchem Negativ-Rezensenten ob seiner 160 Meter Länge bestöhnt wird, ist ein Grund zur Freude. Immerhin ist der Verbindungsweg, der im Volksmund angeblich scherzhaft „Mäusetunnel“ genannt wird, wofür er nun wiederum rein gar nichts kann, erst seit 1990 wieder passierbar.

Inzwischen ist er auch nicht mehr so dunkel und eng wie einst, sondern wirkt durch geschickte bauliche Veränderungen breiter und lichter. Und da man sich hier nicht wie am Alex im unterirdischen Wegenetz verlaufen kann, sondern einfach nur mit dem Strom der Massen schwimmen muss, bietet der Stadtmitte-Tunnel einen für den Großstädter sehr wohltuenden Ort der Kontemplation, häufig untermalt von den Klängen der Straßenmusiker, die auf dem Treppenpodest am Aufgang zum Bahnsteig der U2 spielen. Oftmals hört man hier echte Perlen und gelangt überdies trockenen Fußes zu seinem Zug. So muss U-Bahn sein!
Gar nicht gesund: Gesundbrunnen
Mehrfach beklagt und regelrecht downgevotet wird der Bahnhof Gesundbrunnen im gleichnamigen Berliner Ortsteil, der täglich von rund 200.000 Menschen genutzt und auch auf anderen Bewertungsplattformen wahlweise als Horror-Bahnhof oder als Herzinfarkt-Areal tituliert wird. „Unsauber, unpünktlich und unübersichtlich“, resümiert ein Kommentator.
Und tatsächlich kann man schon mal Puls bekommen, wenn man gerade mit der Ringbahn ankommt und der Zug auf dem Gleis gegenüber mal wieder nicht wartet, sondern einem quasi vor der Nase wegfährt. Die nächste S1 kommt erst in zehn Minuten, und so schön wartet es sich nun wahrlich nicht auf dem kalten, zugigen Bahnsteig. Das Zurechtfinden auf dem stark frequentierten Kreuzungsbahnhof mit Fern- und Nahverkehr und ganzen zehn Bahnsteiggleisen ist in jedem Fall nur was für Fortgeschrittene.

Schlimmer als der Bahnhof selbst ist nur noch sein Umfeld. Hier ein Auszug aus den jüngsten Polizeimeldungen: „Rollstuhlfahrer vor dem S-Bahnhof Gesundbrunnen aus einer Gruppe von rund 50 Menschen heraus mit Feuerwerkskörpern beworfen“ (2. November), „Einsatzkräfte zum S-Bahnhof Gesundbrunnen alarmiert: zwei Männer gegen den Kopf getreten und beraubt“ (15. September), „Frau beleidigt und gegen S-Bahn gestoßen“ (23. Juli). Ja, hier tut Berlin leider richtig weh.
Die Mutter aller U-Bahnhof-Grusel-Listen: das Kottbusser Tor
Eigentlich, eigentlich, eigentlich könnte das Kottbusser Tor eine ganz nette Sache sein. Hier verläuft die U-Bahn-Linie oberirdisch und man kann so richtig Großstadtfeeling inhalieren, während der Zug durch die Häuserschluchten rattert und man den Blick für kurze Zeit in die Ferne schweifen lassen kann. Himmel über Berlin und so.

Wenn da nur nicht der U-Bahnhof Kottbusser Tor wäre, der im Untergeschoss mit einer Mischung aus lokalen Alkis, Junkies, ÖPNV-Passagieren und Menschen aufwartet, die nur eines wollen: diesen Ort sehr zügig wieder verlassen. Der Kotti, wie die Haltestelle landläufig genannt wird, ist seit Jahrzehnten ein kriminalitätsbelasteter Ort, und auch die User bei Reddit lassen kein gutes Haar an der Station. Daran wird auch die geplante Polizeiwache nichts ändern, die scheint ohnehin nur ein sicherheitsfeuchter Traum der Innensenatorin Iris Spranger zu sein. Dass eine Wache am Kotti die Lage ändern wird, daran glaubt nicht einmal die Berliner Polizei. Und die sollte es wissen.
Bleibt man sitzen, wird’s aber auch nicht besser. Jedenfalls nicht in Richtung Osten, denn dann ist die die nächste Station nach dem Kotti der Görlitzer Bahnhof, den die Dealer aus dem gleichnamigen Park mittlerweile schon als erweitertes Tätigkeitsfeld für sich entdeckt haben. Und über den Görlitzer Park wurde nun wirklich schon fast alles gesagt und geschrieben. Gute Fahrt!











