Schöneiche ist ein ruhiger, grüner Vorort von Berlin, direkt an der östlichen Grenze zur Hauptstadt gelegen. Im vergangenen Jahr erschütterte einen Tag vor Heiligabend ein Verbrechen die 13.000 Einwohner zählende Gemeinde im Landkreis Oder-Spree. Ein Mann, vermutlich ein Kunde, fand an jenem Freitag die 80-jährige Karin D. in ihrem Friseursalon, den sie noch immer auf ihrem Wohngrundstück in der Waterstädter Straße betrieb und mit dem sie ihre Rente aufbesserte.
Karin D. starb durch massive Gewalteinwirkung, teilte die Polizei damals mit. Der Fall konnte schnell aufgeklärt, der mutmaßliche Täter gefasst werden. Am heutigen Mittwoch beginnt vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder) der Prozess gegen Stephan D. Die Staatsanwaltschaft hat ein Sicherungsverfahren beantragt, in dem sich der 38-Jährige wegen des Vorwurfs des Totschlags verantworten muss.
Das Landgericht teilte mit, dass der Mann nach dem vorläufigen Gutachten im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit gehandelt haben soll, die Staatsanwaltschaft daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anstrebe.
Stephan D. ist deshalb nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter. Ihm werde in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft zudem auch ein Angriff auf zwei Polizisten vorgeworfen, sagte Gerichtssprecher Michael Smolksi der Berliner Zeitung. Bei der Festnahme von Stephan D. waren zwei Beamte verletzt worden.
Der Beschuldigte kannte das Opfer und auch den Tatort sehr gut. Stephan D. ist der Enkelsohn von Karin D. Der einstige Erzieher lebte zusammen mit seiner Großmutter auf dem Grundstück an der Waterstädter Straße. Und er war offenbar schon vor dem gewaltsamen Tod seiner Großmutter psychisch auffällig gewesen.
Stephan D. war kurz vor der Tat in Psychiatrie
Stephan D. soll an der nahe gelegenen Grundschule Sachbeschädigungen begangen und auch Menschen bedroht haben. So demolierte der einstige Erzieher wohl das Auto einer Kollegin mit einer Axt. Zuletzt kam es am 11. November vergangenen Jahres zu einem Vorfall. Dabei soll der Beschuldigte eine Mutter und ihr Baby angegriffen und den Kinderwagen umgestoßen haben. Frau und Kind blieben unverletzt.
Gegen Stephan D. erging noch am selben Tag durch das Amtsgericht Strausberg ein Unterbringungsbefehl. Der damals 37-Jährige kam daraufhin in die Psychiatrie eines Krankenhauses. Da die richterliche Anordnung nach einer Woche nicht verlängert wurde, wurde Stephan D. wieder entlassen. Die Märkische Oderzeitung berichtete damals, dass der Beschuldigte aus Sicht der Mediziner nicht an einer offensichtlichen psychischen Erkrankung leide, die durch Medikamente behandelt werden müsse.
Es war eine Entscheidung mit fatalen Folgen. Am 23. Dezember, genau fünf Wochen nach seiner Entlassung aus der Klinik, soll Stephan D. zwischen zwölf und 12.30 Uhr seine Großmutter mit Schlägen und Stichen umgebracht haben, heißt es in der Mitteilung der Polizei. Offenbar sahen Zeugen, wie der Mann mit einem blauen BMW davonfuhr. Eine Mordkommission übernahm die Ermittlungen.
Die Fahnder konnte das Fahrzeug mit Stephan D. wenig später auf der Bundesstraße 1 bei Vogelsdorf stoppen. Bei seiner Festnahme soll sich der Enkelsohn von Karin D. den Weisungen der Polizei widersetzt und versucht haben, einer Beamtin die Dienstwaffe zu entreißen. Dabei löste sich ein Schuss, durch den der Beschuldigte an einer Hand und am Oberschenkel getroffen wurde. Auch zwei Polizisten erlitten Verletzungen.
Stephan D. kam zunächst in Untersuchungshaft, im Februar dieses Jahres wurde der Haftbefehl in einen Unterbringungsbefehl umgewandelt. Seitdem wartet der Beschuldigte in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter auf seinen Prozess. Nach einem vorläufigen psychiatrischen Gutachten soll Stephan D., der die Tat im Gespräch mit dem Sachverständigen offenbar eingeräumt hat, an einer paranoiden Schizophrenie leiden.
In dem Verfahren vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts in Frankfurt (Oder) spielen die Sachbeschädigungen und der Angriff auf Mutter und Kind, die Stephan D. vor dem gewaltsamen Tod seiner Großmutter begangen haben soll, keine Rolle, teilte Gerichtssprecher Smolski auf Anfrage mit. Insgesamt seien sechs Verhandlungstage geplant. Es gebe keine Nebenkläger, so Smolski.


