Prozess in Berlin

Er sollte 47,5 Kilo Marihuana in Berlin in Empfang nehmen: „Ich bin ja nicht dumm“

Prozess in Berlin: Angeklagter nahm angeblich für 150 Gramm Cannabis Drogenlieferung entgegen. Weitere Taten streitet er vor Gericht ab.

Rigers K. sagt vor Gericht, dass er die Tat bereue.
Rigers K. sagt vor Gericht, dass er die Tat bereue.Pressefoto Wagner

Am 23. März dieses Jahres fanden Beamte des Hauptzollamtes Lörrach an der deutsch-schweizerischen Grenze bei einer Routinekontrolle eine auffällige Lieferung aus Spanien. Sie bestand aus vier Paketen. Adressiert war die Lieferung an einen Antonio Galiani, der in der Stienitzseestraße in Berlin-Adlershof leben sollte. In den Kartons fanden die Beamten 47,5 Kilogramm Marihuana, verpackt in Päckchen, die mit schwarzer Folie umwickelt waren.

Seit Dienstag muss sich Rigers K. vor einer Strafkammer des Berliner Landgerichts verantworten. Die Anklage wirft ihm Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Mit einem gefälschten italienischen Pass, der auf den Namen Antonio Galiani ausgestellt war, nahm er die Pakete entgegen – darin allerdings befanden sich keine Drogen mehr, sondern sogenannte Surrogate. Die Pakete waren vom Zoll in Berlin fein säuberlich mit getrocknetem Grünzeug nachgestaltet und von einem als Paketboten getarnten Zollfahnder zugestellt worden. Dabei wurde der 24-jährige Albaner festgenommen. Seitdem sitzt der junge Mann in Untersuchungshaft.

Eigentlich wohnt Rigers K. noch bei seinen Eltern in Bremen. Einen Vergleich, dem ihn das Gericht an diesem ersten Verhandlungstag vorschlägt, lehnt er auf Anraten seines Anwalts ab. Demnach hätte er bei einem vollumfänglichen Geständnis mit einer Haftstrafe zwischen drei Jahren und zehn Monaten und vier Jahren und vier Monaten rechnen können. Doch Rigers K. bestreitet, dass das Drogengeschäft einem gemeinsamen Tatplan entsprungen sei, den er und ein bisher unbekannt gebliebener Mittäter ausgeheckt haben sollen.

Davon geht Oberstaatsanwalt Günter Sohnrey aus. Demnach sei das Marihuana „dem gemeinsamen Tatplan“ des Angeschuldigten und seines Mittäters entsprechend vom Frachtunternehmen UPS mit einem Lkw auf dem Landweg von Spanien über Frankreich und die Schweiz nach Deutschland transportiert worden. Spätestens am Freitag, dem 24. März, dem von UPS avisierten Zustelldatum, soll Rigers K. den Briefkasten und das Klingelschild der Wohnung in Adlershof mit dem Aliasnamen „A. Galiani“ versehen haben.

Doch die Lieferung kam erst drei Tage später – am 27. März stand der angebliche Postbote vor der Haustür. Als ihm Rigers K. die Kopie eines gefälschten italienischen Passes, ausgestellt auf den Namen Antonio Galiani, auf seinem Handy zeigte, wurde er festgenommen.

Rigers K. sagt in seiner Einlassung, dass er seit vier Jahren in Deutschland lebe. Immer wieder sei er von Bremen nach Berlin gefahren, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Berlin sei eine coole Stadt, so der Angeklagte. Bei einem dieser Treffen habe er einem Freund von seinem Marihuanakonsum erzählt. Der habe ihn den Kontakt zu einem Landsmann namens Leon gemacht.

Eine Woche vor der Drogenlieferung will Rigers K. Leon in einem Berliner Park getroffen haben. Der habe ihm ein Angebot gemacht: 150 Gramm Marihuana gegen die Annahme einer Lieferung in der Wohnung in Adlershof. „Die 150 Gramm waren verlockend, sodass ich zugesagt habe“, erklärt Rigers K. vor Gericht. Er habe sich denken können, was das für Pakete sind. „Ich bin ja nicht dumm“, so der Angeklagte.

Die Lieferung verspätete sich

Leon habe ihn fotografiert, eine Stunde später die Kopien zweier italienischer Pässe mit seinem Foto auf sein Handy geschickt. Zudem habe ihm dieser Mann den Schlüssel für die Empfängerwohnung in Adlershof gegeben. Wenige Tage später sei er in Bremen angerufen worden – weil das Paket für den 24. März angekündigt worden sei. Rigers K. fuhr in die Hauptstadt.

Am Abend bevor die Pakete kommen sollten, überklebte er den Namen des Mieters der Wohnung am Klingelschild und am Briefkasten mit dem falschen Namen. Entsprechende Etiketten habe er in der Wohnung vorgefunden, sagt der Angeklagte. Nach der Entgegennahme der Pakete hätte er den Schlüssel in der Wohnung lassen und die Eingangstür nur zuziehen sollen. Leon wollte sich dann telefonisch bei ihm melden.

Doch die Lieferung verspätete sich – kam erst nach dem Wochenende am 27. März. „Was dann geschah, ist bekannt“, erzählt Riger K. Er wisse, dass er einen Fehler gemacht habe. Er bereue die Tat und hoffe, dass ihm das Gericht eine zweite Chance geben werde. Dass Rigers K. schon vorher Drogenlieferungen in Empfang genommen haben könnte, streitet der junge Mann ab. „Es war nur dieses eine Mal“, beteuert er.

Oberstaatsanwalt Günter Sohnrey sagt in der Prozesspause, dass schon seit November 2022 insgesamt 18 weitere Lieferungen – vermutlich mit Drogen – an die Adresse in der Stienitzseestraße und in der Feuerbachstraße gesendet wurden. „In diesen Fällen laufen noch die Ermittlungen“, sagt der Anklagevertreter.

Steffen Heiß, der Vorsitzende Richter, macht in dem Prozess deutlich, dass er dem Angeklagten wenig Glauben schenkt, wenn es um diesen Leon geht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand einen ihm völlig fremden Menschen eine Drogenlieferung im Wert von mehreren Hunderttausend Euro entgegennehmen lässt“, sagt er zu dem Angeklagten. Doch Rigers K. bleibt dabei, dass es so gewesen sei. Nur einmal habe er Leon getroffen. Beschreiben will er den Mann nicht. Wohl aus Angst. In seiner Einlassung hat er von Blutrache gesprochen, die es in Albanien noch immer gebe.

Der Prozess wird am 21. September fortgesetzt.