Berliner Freibäder

Proteste am Prinzenbad: „Wir brauchen keine Polizei!“

Die Migrantifa demonstrierte am Sonntag gegen mobile Polizeiwachen vor den Sommerbädern, Ausweiskontrollen und den „rassistisch aufgeladenen Diskurs“.

Die Menschen auf der Kundgebung vor dem Prinzenbad fordern, dass Geld in Soziales, Schwimmbadpersonal und Sanierungen von Bädern fließt – statt in mobile Polizeiwachen.
Die Menschen auf der Kundgebung vor dem Prinzenbad fordern, dass Geld in Soziales, Schwimmbadpersonal und Sanierungen von Bädern fließt – statt in mobile Polizeiwachen.Benjamin Pritzkuleit

Ein Junge, vielleicht zwei Jahre alt, rennt in Richtung Redner, strahlt und klatscht in seine kleinen Hände. Die Demonstrierenden lächeln ihm zu. Einige von ihnen haben sich auf das Kopfsteinpflaster gesetzt. Immer, wenn die Menge applaudiert, bellt ein kleiner Hund mit.

Die Stimmung beim Protest vor dem Sommerbad Kreuzberg an diesem Sonntag ist entspannt. Etwa 150 Menschen haben sich versammelt, um gegen die kürzlich eingeführten Ausweiskontrollen im Bad und zwei geplante mobile Polizeiwachen zu demonstrieren. Eine Rednerin der Gruppe Columbiabad für alle spricht vor allem über die Position von queeren Menschen zur Debatte, außerdem gibt es einen Beitrag zur Position der streikenden Mitarbeiter des Columbiabads in Neukölln, und ein „Open Mic“ soll es auch Anwohnenden und allen anderen ermöglichen, etwas beizutragen.

Organisiert hat die Kundgebung „Mach mal keine Welle – gegen rassistische Hetze und Bullen in unseren Freibädern“ die Migrantifa. Treffpunkt ist das Prinzenbad, das kürzlich wegen eines Gewaltausbruchs für Schlagzeilen sorgte. Der Vorwurf der Organisatoren richtet sich in erster Linie an den Senat: Für eine „Aufrüstung“, also Polizei, sei Geld da, während die massiven Kürzungen im Haushalt soziale Bereiche und vor allem auch Heranwachsende treffen. Gespart werde an der falschen Stelle, die Redner und Organisatoren nehmen auch Bezug auf geschlossene Bäder, Sanierungsbedarf und Personalmangel.

„Hier im Freibad wird mit Ihrer Hilfe ein falsches Gefühl der Sicherheit inszeniert“, sagt ein Redner der Roten Hilfe und meint damit die Polizei. „Mit der Schikane und Kriminalisierung von Migrant:innen (…) wird keine Sicherheit geschaffen und kein einziges soziales Problem gelöst werden.“ Auch die mediale Berichterstattung über die Gewalt in Freibädern identifizieren die Redner als Teil des Problems. Medien und Politiker führten die „rassistischen Diskurse der letzten Jahrzehnte“ damit weiter.

Ausweiskontrolle: Stammkunden werden abgewiesen

Die Ausweiskontrollen am Einlass haben schon begonnen. Die Security-Mitarbeiter wollen sich nicht dazu äußern. In den letzten Minuten sollen schon mindestens zwei Besucher abgewiesen worden sein, weil sie keinen Ausweis dabeihatten, berichten Teilnehmer. „Der Besucher kommt schon seit dreißig Jahren“, sagt Yusuf. Seine Dauerkarte hätte nicht ausgereicht und er sei wütend abgezogen. „Außer den Mitarbeitern leiden die Jugendlichen selbst am meisten“, meint der 40-jährige Yusuf. „Auf deren Rücken werden dann Stimmen gesammelt.“ Die übrigen Besucher seien von der Gewalt gar nicht betroffen, fügt er hinzu. Er schlägt mehr soziale und deeskalierende Konzepte als Lösung vor, wie zum Beispiel ein Fußballturnier.

Ein Polizeibeamter überprüft vor offiziellem Beginn ein schwarz-weiß-rotes Transparent mit der Aufschrift „Ihr seid keine Sicherheit – Gemeinsam gegen Rassismus und Nazis in den Sicherheitsbehörden.“ Offenbar ist das erlaubt, denn er nickt. Dann kommen immer mehr Menschen dazu, sie füllen ihre Flaschen an der Trinkwasserstelle auf und setzen sich auf die Abgrenzung der Blumenbeete. Sie tragen bunte Kleidung, auf manchen T-Shirts stehen politische Statements wie: „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht“ oder „Refugees welcome“ (zu Deutsch: Geflüchtete willkommen). Es ist ein warmer Sommertag, trotzdem bildet sich gegen zwölf Uhr noch keine Schlange vor dem Bad.

Simin J., Sprecherin der Migrantifa
Simin J., Sprecherin der MigrantifaBenjamin Pritzkuleit

Für Simin J., Sprecherin der Migrantifa, gehören die „mediale Hochstilisierung der Gewalt in den Schwimmbädern“ und die sozialen Kürzungen zusammen. Das Geld, das für mehr Polizeipräsenz ausgegeben wird, fehle an anderer Stelle. Die Zahlen der Gewaltdelikte in den Schwimmbädern seien im Vergleich zu den Zahlen vor der Pandemie deutlich zurückgegangen. „Der Diskurs hat keine reale Ankopplung“, sagt die 25-Jährige. „Jedes Jahr findet eine Form von Diskurs statt, bei dem gesamtgesellschaftliche Probleme auf eine spezifische Gruppe abgewälzt werden sollen, insbesondere Migrant:innen.“

Soziale Kürzungen, wie die Schließung von Jugendeinrichtungen und Frauenhäusern, würden Armut reproduzieren und Menschen „in die Kriminalität stürzen“, sagt Simin. „Wir brauchen keine Aufrüstung, sondern soziale Lösungen für soziale Probleme!“