Brutal Berlin

Nach Gewalt in Berliner Freibad: Der Mittwoch im Prinzenbad bleibt ruhig

Im Kreuzberger Prinzenbad kann es richtig laut und ungemütlich werden. Am Mittwoch war es noch einmal ruhig. Morgen beginnen die großen Ferien.

Polizisten vor dem Schwimmbad: Seit dem Ferienstart gehört dieser Anblick zum Sommer mit dazu. 
Polizisten vor dem Schwimmbad: Seit dem Ferienstart gehört dieser Anblick zum Sommer mit dazu. dpa

Ein Junge, vielleicht neun Jahre alt, rennt einem Eichhörnchen hinterher. Dann springt er auf alle Viere und ahmt seinen flinken Gang nach. Plötzlich fängt der Junge an zu bellen. Sein Freund schubst ihn, er bellt wieder und springt mit den Armen voran auf seinen Freund zu. Der holt mit dem Fuß aus und verfehlt seinen Gegner absichtlich. Sie umgreifen beide die Arme des anderen und drehen sich im Kreis. Dabei geben sie leise Ächzer von sich, die nach „hüeh“ und „uah“ klingen. Das ist die einzige Rangelei an diesem Nachmittag im Prinzenbad.

Doch vor dem Sommerbad in Kreuzberg steht vorsorglich ein Polizeiauto. Sicherheitsmitarbeiter drehen im Abstand von etwa hundert Metern ihre Runden, man hört Funksprüche. Zwischen dem Rauschen ist kaum etwas zu verstehen und so viel, wie gesagt wird, kann hier kaum passiert sein. Die Stimmung ist entspannt, die Besucher bewegen sich gemächlich, vor allem Familien mit kleinen Kindern liegen am Mittag auf der Wiese.

Wenn ein heißer Tag auf ein Wochenende fällt, dann brodelt es im Beckenbereich der Berliner Freibäder. Es wird eng, die Geduld baumelt an einem dünnen Faden, der manchmal reißt. Im Prinzenbad ist am Sonntag ein Mann von mehreren Personen verprügelt worden, weil er ein 14-jähriges Mädchen angesprochen haben soll. Er kam mit Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus. Das Columbiabad musste am Sonntag frühzeitig geräumt werden, ebenfalls wegen einer Auseinandersetzung. Seitdem ist das Neuköllner Bad wegen Krankheitsmeldungen geschlossen. Laut dem Chef der Bäderbetriebe steigt der Krankheitsstand nach solchen Vorfällen, wie der RBB berichtete.

Innenministerin Nancy Faeser hat sich kürzlich für mehr Polizei in den Freibädern ausgesprochen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat diese Forderungen sofort zurückgewiesen. Der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke sagte dem RND: „Es ist nicht Aufgabe der Polizei, in Freibädern die Spaßrutschen zu sichern oder die Liegewiese zu bestreifen.“

„Früher war es doch auch nicht besser“

„Das war doch schon immer so“, sagen viele Berliner, wenn man sie auf die Schlägereien in den Sommerbädern anspricht. Ein Freund erzählt sogar, dass er als Jugendlicher von Neukölln aus ins Sommerbad Mariendorf ausgewichen ist, „um nicht verprügelt zu werden“. Das und dass er arbeiten muss, schreibt er als Antwort auf die Frage, ob er für die Recherche mit ins Freibad kommt. „In Mariendorf war es dann auch nicht so viel besser.“

Oliver Obracewic sitzt auf einer Bierbank und blickt in Richtung Becken. Er kommt schon seit seiner Kindheit ins Prinzenbad, er ist in Kreuzberg im Gräfekiez aufgewachsen. Der 42-Jährige findet die Atmosphäre heute viel angenehmer als früher. „Damals gab es jeden Tag Stress“, sagt er. Der Umgang unter den Jugendlichen, den er dort beobachte, sei „echt lieb“. Das könnte sich in den Ferien ändern, meint er. Heute ist der letzte Schultag vor den Sommerferien.

Ins Columbiabad geht Obracewic dagegen nicht mehr. „Die haben völlig überreagiert“, sagt er und erzählt von einem Tag, an dem das Bad evakuiert wurde. „Ich war grade mal zehn Minuten da“, sagt er. „Die Streithähne wurden getrennt, bevor überhaupt etwas passiert ist.“

Im Columbiabad kam es schon häufiger zu größeren Gewaltausbrüchen. Im Jahr 2022 sind dabei elf Menschen verletzt worden. Auch in anderen Freibädern in ganz Deutschland kam es Meldungen zufolge zu Schlägereien und Gewaltausbrüchen. Doch dieses Bad ist das erste, das angesichts der Gewalt kapituliert. Es bleibt vorerst geschlossen. In einem Brandbrief beschweren sich die Mitarbeiter, dass mit ihnen respektlos umgegangen werde und sie zu wenige seien, um die Situation ihm Griff haben zu können.

In der Nähe des Beckens auf einem unansehnlichen Grünstreifen drängen sich die Menschen. Nasse Fußabdrücke führen auf eine größere Wiese. Dort, hinter einer Baustellenabsperrung, geht es gemütlicher zu. Ein kleines Mädchen stemmt die Hände gegen zwei Stangen, ihre Arme sind aber nicht lang genug, sodass sich das Trainingsgerät nur wenige Zentimeter bewegt. Dann steht sie auf und zieht daran, das funktioniert besser. Zuletzt setzt sie sich und drückt die Stangen mit den Füßen weg.

Prinzenbad: Fitnessstationen bleiben verlassen

Vielleicht haben die Bäderbetriebe die Geräte aufgestellt, damit sich junge Männer abreagieren können und weniger Streit anfangen. Vielleicht dachten die Planer aber auch, sie passen hierhin, weil man im Freibad öfter mal über die Figur nachdenkt. Jedenfalls bleiben die Fitnessstationen bis auf ein paar Kinder, die eher spielen als trainieren, verlassen.

Ein Mann stellt einen kleinen Pizzakarton auf den Rasen, es bildet sich augenblicklich eine Traube Kinder, die weitere mit den Worten „Süßigkeitenpizza“ herbeirufen. „Hee, ich möchte bitte auch noch was!“, ruft ein Mädchen im roten Badeanzug und greift nach den Gummibärchen im Karton. Sie hat großes Glück, die „Pizza“ ist in etwa 30 Sekunden aufgegessen. Wenn in Kreuzberg sogar Kinder auf der Jagd nach Süßigkeiten höflich bleiben, besteht zumindest Hoffnung, dass die Schlägerei im Prinzenbad auf Dauer eher eine Ausnahme war.