Dieses Mal sind es nicht die Klima-Kleber, die sich zu dieser nicht angemeldeten Aktion versammeln. Es ist die Interventionistische Linke, die sich in Berlin-Mitte in der Nähe des Bundesfinanzministeriums trifft. Es ist gegen 10 Uhr am Dienstag – ein Tag vor dem Weltwassertag. Und genau das ist der Anlass für diese überfallartige Aktion.
Diese Gruppe, die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wird, will gegen einen der größten neuen Wasserverbraucher in Berlin-Brandenburg protestieren: die Tesla-Fabrik in der ostbrandenburgischen Gemeinde Grünheide, gleich neben dem Berliner Ring.
Die Wahl des Standortes ist vor allem bei Umweltschützern heftig umstritten, denn das Werk verbraucht in seiner aktuellen ersten Ausbaustufe bereits so viel Wasser wie eine mittlere Kleinstadt. Ausgerechnet in einer Region, die seit Jahren unter Wasserknappheit leidet. Und ausgerechnet am Weltwassertag ließ Milliardär Elon Musk im vergangenen Jahr die Produktion anlaufen. Das empfanden viele als Provokation.
Der Protest in Berlin-Mitte steht unter dem Motto „Kein Liter Wasser mehr für Tesla“. Sprecherin Lou Winters sagt: „Das vergangene Jahr hat bestätigt, dass Teslas E-Autos das Wasser und die Umwelt Brandenburgs und Berlins gefährden.“ Grundsätzlich seien E-Autos keine Lösung, weil es nur eine andere Form des umweltschädlichen Individualverkehrs sei. Die Sprecherin verweist auch auf den Lithium-Abbau für die Batterien. Zum Beispiel würden in der chilenischen Atacama-Wüste Unmengen an Wasser verschwendet.
Um Punkt 10:30 Uhr beginnt die Aktion: Sechs schwarz vermummte Leute stürmen mit Transparenten und Plakaten zur Tesla-Filiale an der Mall of Berlin. Sie kleben Plakate an die Fenster und Türen. Eines zeigt eine weite chilenische Landschaft, in der ein Rind grast, neben dem eine schwarze Wasserleitung durch die Weiden führt. Das Plakat daneben zeigt das Tesla-Logo und einen roten Wagen, dahinter ein vertrocknetes Maisfeld und der Spruch: Autofahren für einen toten Planeten.
Die Vermummten breiten ein großes Transparent aus, auf dem steht „CARpitalismus abwracken“. Sprecherin Lou Winters sagt: „Berlin braucht keine Luxuskarren, sondern kostenlosen ÖPNV.“ Nach zwei Minuten rennen die schwarz vermummten Gestalten wieder weg.

Deutlich länger dauern die Ausführungen von Umweltverbänden, die in einem Schöneberger Café ihre Kritik an der ersten Tesla-Produktionsstätte in ganz Europa vorbringen. Die gigantische Werkshalle hat mehr als eine Milliarde Euro gekostet, ist die größte industrielle Investition in ganz Ostdeutschland; und die Potsdamer Landesregierung ist stolz darauf, sich das Werk geangelt zu haben.
Nach Angaben von Tesla arbeiten dort bereits 10.000 der geplanten 12.000 Mitarbeiter. Das sind die Zahlen für die erste Ausbaustufe. Doch Elon Musk hat kürzlich eine zweite beantragen lassen. Weitere sollen folgen. Schon jetzt soll das 300 Hektar große Areal um 100 Hektar erweitert werden. Langfristig sollen statt 500.000 Autos eine Million Wagen gebaut werden. Damit steigt auch der Wasserverbrauch.
„Nicht der Platz, sondern das Wasser ist die begrenzende Ressource im Land Brandenburg“, sagt Christiane Schröder vom Naturschutzbund (Nabu). Alle Ansiedlungen müssten unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, wie viel Wasser verbraucht wird. Das habe der heutige Potsdamer Umweltminister Axel Vogel von den Grünen bereits vor Jahren gesagt, doch die Regierung handle nicht entsprechend. Die Grundwasserspiegel sinken immer mehr, es verdunstet mehr Wasser als Regen fällt. All das sorgt für Probleme. Nun wird in der Region um Tesla das Wasser rationiert: für Neuzuzüge auf eine Höchstmenge von 105 Litern pro Tag pro Kopf und ab 2024 für alle. Die Kritiker sprechen von einem bundesweit einmaligen Vorgang.
„Die Politik sollte für die Bürger einstehen und für die Umwelt“, sagt Schröder. „Doch das, was wir in Brandenburg sehen, ist das absolute Gegenteil.“ Damit meint sie auch die Grünen, die in Potsdam an der Landesregierung beteiligt sind und den für die Genehmigung zuständigen Umweltminister stellen.

In seiner Kritik an den Grünen geht Steffen Schorcht von der Grünen Liga noch weiter. „Die Grünen haben sich hier als Wirtschaftspartei geoutet“, sagt er. Dies sei eine beunruhigende Entwicklung. Denn es gehe nicht nur um Tesla. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) behaupte, dass noch mehr Großinvestoren kommen wollen. Erste Batteriefabriken in Brandenburg seien bereits geplant. „Das ist eine Industrialisierungspolitik wie im 19. Jahrhundert“, sagt Schorcht und behauptet sogar, dass Tesla inzwischen ein Investitionshindernis in der Region sei. Denn die Fabrik verbrauche so viel Wasser, dass sich nichts anderes mehr ansiedeln könne. Beispielsweise musste Google seine Pläne für eine Ansiedlung aufgeben.
Soll die Fabrik ganz gestoppt werden?
Schorcht wirft der Regierung ebenfalls vor, quasi als „Lobbyisten“ für Tesla und andere Konzerne aufzutreten. Seine Begründung: In der Region sei die Arbeitslosenquote sehr gering, auch Tesla findet kaum noch Arbeitskräfte. Trotzdem plane die Regierung immer weitere Ansiedlungen. „Da sollen Arbeitsplätze geschaffen werden für Leute, die es gar nicht gibt“, sagt er. Deshalb seien die Pläne nicht für die Menschen in der Region, denn die hätten Arbeit und ihr Auskommen. „Die Pläne gehen zulasten der Menschen und der Natur und sind nur für die Profite der Firmen“, sagt er. Obwohl kürzlich auch im Umweltausschuss des Landtages festgestellt worden sei, dass Brandenburg seine Klimaziele nicht erreiche, würden weiter klimaschädliche Ansiedlungen geplant.
Die Kritiker beklagen sich auch direkt über das Verhalten der Potsdamer Regierung: Der Wirtschaftsminister trage beim Besuch einer Tesla-Fabrik in den USA ein T-Shirt des Konzerns und spreche von einer „Freundschaft“, die entstanden sei. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) schreibe einen Brief an Elon Musk und sichere ihm Unterstützung zu, dass noch vor dem Sommer eine Lösung für die Versorgungsprobleme mit Wasser und Strom gefunden werde.
„Wenn ein Ministerpräsident so etwas zusichert, muss er zurücktreten“, sagt Manu Hoyer vom Verein Natur und Landschaft. „Er ist nicht mehr in der Lage, die Sache objektiv zu beurteilen.“ Dann präsentiert sie eine minutenlange Aufzählung von Fehlern im Genehmigungsverfahren, von Störfällen und Verstößen gegen Gesetze und Regeln bei Tesla und auch bei der Landesregierung. „Verstöße gab es von Anfang an, und die Regierung wird weiter alles durchwinken, wenn wir nicht aufpassen.“



