Corona

Notfallplan: Wie Berlin funktioniert, wenn Tausende wegen Omikron ausfallen

Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr, Strom, Wasser – alle bereiten sich darauf vor, dass Mitarbeiter wegen der Omikron-Welle nicht zum Dienst erscheinen können.

Schutzkleidung der Berliner Feuerwehr
Schutzkleidung der Berliner Feuerwehrimago/Tobias Seeliger

Berlin bereitet sich auf Omikron vor: Im Angesicht einer drohenden fünften Welle im neuen Jahr stellt sich die Frage, ob systemrelevante Stellen in der Stadt ausreichend vorbereitet sind, falls plötzlich massenhaft Mitarbeiter wegen Infektionen oder als Kontaktpersonen, die in Quarantäne müssen, ausfallen. Sind Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Energieversorger und Müllentsorger sowie Stadtreiniger und Supermärkte als kritische Infrastruktur vorbereitet? 

Berlins Krankenhäuser können auf eine Notfallstrategie namens Save-Konzept zurückgreifen. Die Charité koordiniert dabei die Patientenströme. Müssen Menschen wegen einer Infektion mit Sars-Cov-2 stationär versorgt werden, weist sie das Universitätsklinikum je nach Schwere ihrer Erkrankung den dafür geeigneten Kliniken zu. Damit sollen die Kapazitäten bestmöglich genutzt werden. Ziel ist, dass jedes Krankenhaus alles macht.

Ebenfalls für Entlastung soll ein sogenanntes Post-Save-Konzept sorgen. Es steuert die Unterbringung von Patienten, die nicht mehr intensivmedizinisch betreut werden müssen. Damit werden Kapazitäten rasch freigesetzt. Eingebunden sind Krankenhäuser aller Träger, auch in Brandenburg.

Bundesweit greift im Notfall das sogenannte Kleeblatt-Prinzip. In der vierten Welle wurde es bereits angewandt, als Patienten aus Bayern auf Intensivstationen in Nordrhein-Westfalen untergebracht wurden. Bei Überlastung einzelner Bundesländer werden Menschen innerhalb eines Kleeblatts verteilt, nämlich in den Regionen Nord (Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern), West (Nordrhein-Westfalen), Südwest (Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Saarland), Süd (Bayern) und Ost (Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen).

Jedes Bundesland verfügt über ein Reservoir an Intensivbetten, die innerhalb von sieben Tagen aktiviert werden können. Begrenzender Faktor bleibt dabei allerdings das Personal, das die Intensivbetten betreiben kann.

Die Polizei Berlin hat sich mit ihren Infektionsschutzmaßnahmen – unabhängig von der Omikron-Variante – bereits frühzeitig auf die kalte Jahreszeit vorbereitet, in der die Infektionszahlen steigen könnten. So wurden etwa frühzeitig flexible Arbeitszeiten bis Ende Februar 2022 festgeschrieben, womit Kontakte im Kollegenkreis verringert werden. Diese Maßnahmen kommen nun auch im Umgang mit der Omikron-Variante zugute.

Darüber hinaus setzt die Polizei Berlin alle weiteren Infektionsschutzmaßnahmen fort, wie den Ausbau der Homeoffice-Möglichkeiten, Testungen, die Umsetzung der 3G-Regel oder erhöhte Testfrequenzen in sensiblen Bereichen sowie die Versendung von Mitarbeitenden-Informationen zur Sensibilisierung aller Beschäftigten.

Falls in bestimmten Dienstbereichen, etwa einer Gruppe einer Einsatzhundertschaft, Infektionen festgestellt wurden, hat die Polizei Berlin oft vorsorglich den gesamten Bereich in Quarantäne versetzt und so eine zu starke Ausbreitung eingedämmt. Man denke auch massive Ausfälle in der Polizei Berlin durch und habe daher erfasst, welche Funktionen unabdingbar für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Hauptstadt sind. Diese würden in einem Szenario großen Personalmangels prioritär bedient. Dies würde etwa bedeuten, dass Mitarbeitende eines Stabes auch Funkwagen fahren würden. Bislang war dies jedoch nicht erforderlich. Trotz teils hoher Ausfälle konnte dies durch entsprechende Dienstbereiche kompensiert werden. Die Polizei Berlin sei daher durchweg leistungsfähig geblieben.

Als größter Energieversorger Berlins hat Vattenfall selbstverständlich auch auf ein „Omikron-Szenario“ vorbereitet. Grundsätzlich seien alle Beschäftigten, die von zu Hause aus arbeiten könnten, im Homeoffice. Am Arbeitsplatz gelten die gängigen Hygieneregeln.

In Bereichen, in denen Homeoffice-Lösungen nicht komplett möglich sind, etwa in Kraftwerken und Leitwarten, wurden Pläne für den Umgang mit stark eingeschränkter Verfügbarkeit von Personal vorbereitet. Die Maßnahmen reichen dabei von der Abschirmung kritischer Arbeitsbereiche bis hin zu einer vollständigen Umstrukturierung von Schichtarbeitsmodellen. So wurde der Schichtbetrieb auf betriebsspezifische Mindestpersonalstärken reduziert. Schlüsselpersonal – sowohl eigenes als auch das von Partnerunternehmen – werde durch diverse organisatorische Maßnahmen besonders geschützt.

Der Lebensmittelhandel ist seit Pandemiebeginn als kritische Infrastruktur von allen Lockdown-Maßnahmen ausgenommen, um die Bevölkerung zuverlässig mit Lebensmitteln zu versorgen. Um bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Risiko einer Corona-Infektion so gering wie möglich zu halten, haben die Unternehmen laut dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e. V. (BVLH) in Abstimmung mit Gesundheitsämtern Hygienekonzepte erarbeitet und Pandemiepläne erstellt, die ständig an die Corona-Lage angepasst werden. Wo es möglich sei, arbeiten die Angestellten im Homeoffice. Um Personalengpässen vorzubeugen, haben die Unternehmen Personaleinsatzpläne ausgearbeitet und arbeiten bei Bedarf mit Zeitarbeitsfirmen zusammen.

Zudem beteiligen sich die Lebensmittelhandelsunternehmen aktiv an Maßnahmen, die das Impfen fördern. Sie tragen die Impfkampagne des Handels „Leben statt Lockdown“ wesentlich mit und fördern das Impfen der eigenen Belegschaft auf vielfältige Weise.

Aktuell blickt der Handelsverband Lebensmittel auf eine stabile Versorgungslage mit Gütern des täglichen Bedarfs. Dem Verband liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, dass es zu großen Lieferengpässen kommen könnte. Versorgungsprobleme sieht man bei Lebensmitteln, Getränken, Drogerieartikel, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel momentan nicht. Aufgrund des Weihnachtsgeschäfts haben sich die Handelsunternehmen zusätzlich mit Waren bevorratet. Vor allem haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Tiefkühl-Produkte oder Konserven sind in großer Menge vorproduziert worden.

Auch die Nachfragesituation in den Geschäften sei weitgehend normal. Sollte es bei einzelnen Lebensmittelherstellern und -produkten zu Lieferschwierigkeiten kommen, könnten Kunden innerhalb der Warengruppe zu anderen Produkten und Marken greifen.

Dennoch stünden Verband und Handelsunternehmen mit der Bundesregierung im engen Austausch, um auf die besondere Bedeutung der Funktionsfähigkeit der Lebensmittellieferkette hinzuweisen.

Bei der Müllentsorgung und Stadtreinigung hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) als größtes Unternehmen dieser Art in Berlin seit Beginn der Pandemie entsprechende Pandemiepläne erstellt, in denen insbesondere verschiedene Szenarien von Personal-Ausfallquoten eine Rolle spielen. Demnach ist im Ernstfall vorgesehen, Personal umzuschichten, um Leistungen so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Diese Pläne seien sehr komplex und würden nach wie vor gelten, mussten glücklicherweise aber bisher nicht aktiviert werden. Zudem arbeite man seit 2020 in verschiedenen situationsbedingten Präventionsstufen, mit denen die Verbreitung des Virus eingedämmt werden soll. Dazu gehört etwa eine Entzerrung durch versetzten Schichtbeginn, möglichst keine Wechsel in den Teams und Homeoffice, wo es möglich ist. Der eigenen Erfahrung nach seien die Maßnahmen wirksam.

Bei der Berliner Feuerwehr werden alle aufgestellten Regeln und Handlungsanweisungen stetig überprüft und angepasst. Dazu finden auf Arbeitsebene digitale Zusammenkünfte von Fachleuten aus Einsatzvorbereitung, Rettungsdienst, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Ärztinnen und Ärzten des arbeitsmedizinischen Dienstes statt. Die dort ausgesprochenen Empfehlungen werden durch die Behördenleitung umgesetzt.

Ein entsprechendes Testkonzept, bei dem sich alle Einsatzkräfte vor Dienstantritt testen, soll das Eintragen des Virus in die Dienststellen verhindern. Auf den Dienststellen der Berliner Feuerwehr gilt demnach 3G.

Zudem arbeite man mit Hochdruck an der Bereitstellung von Impfdosen und Impfterminen und stelle fest, dass viele Angehörige der Berliner Feuerwehr, also neben Berufsfeuerwehr auch Freiwillige Feuerwehr, bereits geboostert sind und nach derzeitigem Kenntnisstand auch einen erhöhten Schutz gegen die Omikron-Variante aufweisen.

Zu den Maßnahmen, die bereits vor der Omikron-Variante durchgeführt wurden, gehört, dass Feuerwehrkräfte mit Erkältungssymptomen nicht am Einsatz oder Bürodienst teilnehmen dürfen beziehungsweise die Arbeit sofort zu beenden haben. Der interne Personalausgleich unter den Dienststellen erfolgt nur nach vorheriger Durchführung eines Schnelltests und Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Alle Feuerwachen und Stützpunkte müssen einer internen zentralen Meldestelle täglich die aktuellen Fallzahlen mitteilen. 

Der Berliner Nahverkehr, der aktuell immer noch für mehr als zweieinhalb Millionen Fahrten pro Tag genutzt wird, ist personalintensiv. Das bedeutet: Wenn der Krankenstand wegen Omikron deutlich ansteigt, könnten das auch die Fahrgäste zu spüren bekommen. „Sollten sich die aktuellen Szenarien bewahrheiten und die Omikron-Variante wirklich zu einer ‚Wand‘ an Erkrankungsfällen in der Gesellschaft führen, könnte dies auch die BVG betreffen“, sagte Markus Falkner, Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), der Berliner Zeitung. „Konzepte, das Angebot koordiniert und ausgewogen um bestimmte Prozente anzupassen, liegen grundsätzlich vor.“ Sollten in Absprache mit der Senatsverkehrsverwaltung Angebotsanpassungen notwendig werden, werde die BVG die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren.

Bei der BVG sei der Krankenstand „derzeit leicht erhöht, aber im jahreszeitlich üblichen Rahmen“, so Falkner. Aktuell gebe es keine Auswirkungen auf das Fahrplanangebot. „Wir setzen auch jetzt – wie schon im Verlauf der gesamten Pandemie – alles daran, Berlin zuverlässig mobil zu halten“, betonte der BVG-Sprecher. „Mit umfangreichen Hygienekonzepten und der Anpassung einer Vielzahl betrieblicher Abläufe konnten wir sicherstellen, dass wir innerhalb der BVG keine Infektionsketten zu beklagen hatten. Überhaupt liegen wir bei den Inzidenzen unter dem allgemeinen Durchschnitt. Wegen guter Impfangebote liege die Impfquote derzeit knapp über 80 Prozent.

Bei der S-Bahn Berlin liegt die Krankenquote weiterhin über dem sonst üblichen Durchschnitt. Ein Teil der Krankmeldungen könnte damit zu tun haben, dass auch bei diesem Arbeitgeber seit Ende November die 3G-Regel gilt und manche Ungeimpfte den Aufwand des täglichen Testens scheuen. Wie berichtet wurden auf den Linien S1, S3 und S5 die Verstärkerzüge im Berufsverkehr gestrichen, die S26, S45 und S85 werden an Wochenenden nicht mehr bedient. Diese Einschränkungen sollen zunächst bis zum Jahresende gelten, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie über den Jahreswechsel hinaus andauern. „Wie in den letzten Monaten sind wir vorbereitet, unseren Betrieb anzupassen und auf die jeweilige Situation in enger Abstimmung mit den Experten zu reagieren“, sagte ein Bahnsprecher.