Ein Fahrgast rastete im August in einem BVG-Bus in Frohnau aus. Die Frau sei während der Fahrt aufgestanden und zur Fahrerkabine gestürmt, erzählte der Busfahrer später der Polizei. Dann habe sie eine rassistische Tirade von sich gegeben und mit der Faust ausgeholt. Eine Scheibe trennt in Bussen den Fahrersitz ab. Der Busfahrer blieb unverletzt.
Ein ähnlicher Fall ereignete sich im vergangenen Februar in Alt-Treptow. Der Busfahrer war zum Zeitpunkt der Attacke allerdings ausgestiegen. Die Angreiferin bespuckte den BVG-Mitarbeiter.
Die beiden Taten sind Beispiele für Rüpeleien, Beleidigungen und tätliche Angriffe auf Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin im Jahr 2022. Sie scheinen eine Aggression gegen Personal widerzuspiegeln, die bundesweit Mitarbeitern in Zügen die Arbeit erschwert. Die Eisenbahngewerkschaft EVG gab Zahlen über Übergriffe auf Mitarbeiter der Deutschen Bahn für das Jahr 2022 bekannt.
EVG sieht Zusammenhang mit Maskenpflicht
Vom ersten bis zum dritten Quartal des vergangenen Jahres habe es laut EVG 2325 Angriffe auf Mitarbeiter der Deutschen Bahn gegeben. Die Zahlen für das vierte Quartal lägen zwar nicht vor, teilte die Gewerkschaft mit. Sie wagt aber die Prognose, dass 2022 die Zahl der Übergriffe höher liegt als 2021. Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie seien insgesamt 2582 Attacken verzeichnet worden, hat die EVG ermittelt.
Auch im vergangenen Jahr sei die in der Folge der Pandemie geltende Maskenpflicht Auslöser vieler Eskalationen zwischen Personal und Fahrgästen gewesen. Maskenverweigerer hätten immer wieder Streit gesucht. Bei Auseinandersetzungen sei es zum Teil zu lebensgefährlichen Verletzungen gekommen, sagt der Gewerkschaftschef Martin Burkert.
Ende der Maskenpflicht könnte Lage in den Zügen entspannen
Die EVG erwartet eine Entspannung für die Bahnmitarbeiter, wenn im Februar die Maskenpflicht in Zügen des Nah- und Fernverkehrs aufgehoben wird. Allerdings häuften sich auch unabhängig von der Pandemie und dem Unmut über Vorschriften zum Schutz vor Corona Angriffe auf das Bahnpersonal. Die Gewerkschaft fordert deshalb mehr Polizeipräsenz in Fernzügen.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zeichnen für den Nahverkehr in der Hauptstadt dagegen ein anderes Bild. Die Sicherheitslage für Beschäftigte im Nahverkehr scheint sich dem Verkehrsunternehmen zufolge in den vergangenen Jahren verbessert zu haben.
In Berlin sinkt die Zahl der Attacken
Die BVG sieht für 2022 zwar eine leichte Steigerung von Straftaten gegen Beschäftigte im Vergleich zu 2021. Aber es betont, dass die Anzahl der Übergriffe im vergangenen Jahr deutlich niedriger gewesen sei als 2020. Das Unternehmen nennt keine genaue Zahlen, sondern gibt eine vorläufige Einschätzung.
Für das Jahr 2021 hat die BVG exakt 318 Tatbestände erfasst. Dazu zählten 151 Körperverletzungen. 2020 wurden dagegen 419 Straftaten gegen BVG-Mitarbeiter gezählt. Bei 241 im Jahr 2020 erfassten Fällen habe es sich laut der Erfassung der BVG um Körperverletzung gehandelt.
Das Verkehrsunternehmen verzeichnet über die vergangenen acht Jahre eine Halbierung der erfassten Straftaten gegen Beschäftigte. So gab es laut BVG 2014 noch 661 Übergriffe auf Mitarbeiter in Bussen und Bahnen in Berlin.
Kameras in allen Bussen und Bahnen
Die BVG führt die Verbesserung der Sicherheit für ihre Mitarbeiter unter anderem auf den Einsatz von Videotechnik zurück. U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen seien zu 100 Prozent mit Kameras ausgerüstet, erklärt die BVG. Außerdem habe das Unternehmen die Zahl der Sicherheitskräfte im Nahverkehr in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Die Zahl der Beschäftigten für Service und Sicherheit stieg laut Angaben des Unternehmens von 934 im Jahr 2012 auf 1138 im Jahr 2021.
Jeder einzelne Übergriff ist einer zu viel.
Das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung weist in einer Befragung von Beschäftigten der Verkehrsbetriebe in Deutschland aus dem vergangenen Jahr allerdings auf eine hohe Dunkelziffer bei Straftaten gegen Beschäftigte hin. Sieben von zehn Übergriffen würden den Vorgesetzten oder der Polizei nicht gemeldet, erklärt das Institut. Es empfiehlt, Meldesysteme einfacher und niederschwelliger zu gestalten.





