Beim geplanten Bau des Besucher- und Informationszentrums des Deutschen Bundestags (BIZ) in Berlin droht eine Kostenexplosion. Die bislang vom Finanzministerium anerkannten Ausgaben von rund 192,5 Millionen Euro für das Vorhaben könnten auf rund 276 Millionen Euro steigen, wenn sogenannte Risikokosten von 83,6 Millionen Euro fällig werden sollten.
Das geht aus einer Unterlage der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) für die Bau- und Raumkommission des Bundestags hervor. Zu den genannten Risikokosten gehören unter anderem Baukostensteigerungen von fünf Prozent jährlich, die in Anbetracht von tatsächlichen Baukostensteigerungen von zuletzt mehr als neun Prozent allerdings eher zurückhaltend angesetzt wurden. Die Risikokosten für das BIZ wurden der Unterlage zufolge noch nicht vom Finanzministerium anerkannt, stehen aber gleichwohl als drohende Ausgaben im Raum.
Doch dabei bleibt es nicht. Denn mit dem Bau des BIZ soll zugleich eine unterirdische Kältezentrale (UKZ) errichtet werden, die sowohl das BIZ als auch das Reichstagsgebäude versorgen soll. Werden zu den Ausgaben für das BIZ die Kosten für die unterirdische Kältezentrale hinzugerechnet, steigt der Betrag der anerkannten Kosten auf rund 252,8 Millionen Euro. Zusammen mit Risikokosten in Höhe von 29 Millionen Euro für die UKZ klettern die Kosten sogar auf insgesamt rund 365 Millionen Euro. Zum Vergleich: Zu Beginn der Planung im Jahr 2014 waren die Kosten für das BIZ auf 150 Millionen Euro beziffert worden.
Glasfassaden sind energetisch ungünstig
Das BIZ soll nach Plänen des Architekten Markus Schietsch und des Landschaftsarchitekten Lorenz Eugster (beide aus Zürich) südlich der Scheidemannstraße am Rande des Tiergartens entstehen. Sie hatten in einem Wettbewerb im Jahr 2016 mit einem anderen Bewerber den ersten Preis errungen, waren dann aber 2017 nach einer Überarbeitung zum Sieger erklärt worden.
Schietsch und Eugster planen den Bau eines gläsernen Gebäudes, vor dessen Fassade eine Säulenreihe steht. Die Bauarbeiten sollen 2025 beginnen und 2029 abgeschlossen werden. Die Übergabe des Neubaus an den Bundestag ist für 2030 geplant.
Die Kostensteigerung ist allerdings nicht das einzige Problem. Womöglich muss ganz von vorne begonnen werden, der preisgekrönte Entwurf ist vielleicht nicht zu halten. Denn die Glasfassaden sind energetisch so ungünstig, dass „nicht damit zu rechnen ist, dass das BIZ zum Zeitpunkt seiner geplanten Inbetriebnahme 2030 die aktuellen Anforderungen“ zur Energieeffizienz des Bundes „erfüllen können wird, ohne dass der ursprüngliche Entwurf grundlegend überarbeitet würde“, heißt es in einem Hinweis der Bundestagsverwaltung zu dem Projekt.
Die Energieeffizienzfestlegungen des Bundes (EEFB) seien für die Verfassungsorgane des Bundes wie den Bundestag zwar nicht bindend, aber andererseits könnte das Parlament seiner Vorbildfunktion „noch besser gerecht werden“, wenn das BIZ den Anforderungen für energieeffizientes Bauen entsprechen würde, heißt es in den Hinweisen der Bundestagsverwaltung.
Bima soll Konsequenzen für Einhaltung der Energiestandards ermitteln
Die Bima soll nun beauftragt werden, bis zum Herbst die genauen Konsequenzen zu ermitteln, die eine Einhaltung der verschiedenen Effizienz-Standards hätte. „Auf dieser Grundlage könnte bestätigt werden, dass der Entwurf des BIZ ohne größere Änderungen weiterverfolgt oder aber dass das Projekt grundlegend überarbeitet werden soll“, heißt es. Im Klartext: Schon jetzt wird zumindest intern damit gerechnet, dass der Entwurf in seiner jetzigen Form nicht zu halten sein könnte. Ob und, wenn ja, wie umfassend der Entwurf überarbeitet werden muss, ist aber offen.
Mit dem Bau des Besucher- und Informationszentrums sollen die Sicherheitskontrollen in den provisorischen Baracken am Rande des Platzes der Republik, denen sich die Besucher des Reichstagsgebäudes dort seit Jahren unterziehen müssen, ein Ende finden. Die Kontrollen waren nach Terrorwarnungen im November 2010 nötig geworden, galten aber gestalterisch nur als Notlösung.
Künftig sollen alle Besucher des Reichstagsgebäudes im BIZ kontrolliert werden und durch einen Tunnel unter der Scheidemannstraße hindurch bis vor das Westportal des Reichstagsgebäudes gelangen. Dort sollen sie das Parlamentsgebäude wie gewohnt betreten.
Der Tunnel soll besonders aufwendig gestaltet werden – mit einer Kunstinstallation des dänischen Künstlers Olafur Eliasson. Die Installation besteht aus farbigen Spotlights, die Licht auf drei verschiedene gebogene Glaswände im Tunnel projizieren. Wenn die Besucher den Tunnel betreten und durch die projizierten Lichtstrahlen gehen, werfen sie eine Reihe von sich überlappenden Schatten auf die Glasscheiben, die von beiden Seiten sichtbar sind, heißt es. Der Kunstbeirat des Bundestags hat am 12. Mai beschlossen, dass der dänische Künstler Olafur Eliasson von der Bima beauftragt wird. Voraussetzung ist, dass die Pläne umsetzbar sind – in Bezug auf Brandschutz, Besucherfluss und Barrierefreiheit.
Sicherheitsbereich vor dem Westportal des Reichstagsgebäudes
Das Areal vor dem Westportal des Reichstagsgebäudes soll den Plänen nach zu einem riesigen Sicherheitsbereich werden. Dieser soll mit zwei 2,50 Meter hohen Zäunen und einem 2,50 Meter tiefen Graben nach außen abgeschirmt werden. Der Graben ist ein sanft abfallender Graben, der von den Passanten erst dann zu sehen ist, wenn sie vor ihm stehen.

Als Standort für das BIZ war zunächst der Platz der Republik erwogen worden. Das Land Berlin wollte jedoch kein oberirdisches Gebäude in der Sichtachse auf den Reichstag errichten lassen. Als zweite Variante wurde ein Neubau zwischen dem Paul-Löbe-Haus des Bundestags und dem Kanzleramt diskutiert. Dieser Standort, intern unter dem Namen Forum gehandelt, hätte die Chance geboten, den städtebaulichen Entwurf für das Band des Bundes im Parlaments- und Regierungsviertel zu vollenden.
Nach den preisgekrönten Plänen der Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank aus den 1990er-Jahren sollte auf der Freifläche zwischen Kanzleramt und Löbe-Haus ein Bürgerforum entstehen als Veranstaltungs- und Informationsort. Nachteil dieser Variante: Die Besucher hätten durch zwei Sicherheitskontrollen hindurchgehen müssen. Durch die erste beim Betreten des BIZ, durch die zweite beim Besuch des Reichstags. So fiel am Ende die Wahl auf den Standort an der Scheidemannstraße.




