Öffentliches Leben in Berlin

Kontrollen in Berlin: Was bedeutet die Verschärfung der Corona-Regeln?

Gaststätten, Theater und Kinos gehen unterschiedlich mit den Auflagen um. Nun steht die verschärfte 2G-Regelung an. Doch ist die kontrollierbar?

Die meisten Geimpften haben einen Nachweis auf dem Handy dabei. Aber es wird nicht immer kontrolliert.
Die meisten Geimpften haben einen Nachweis auf dem Handy dabei. Aber es wird nicht immer kontrolliert.Benjamin Pritzkuleit

Berlin- Es gibt sie – die absolut vorbildlichen Beispiele bei der Einhaltung der Corona-Vorschriften in Berlin. Da ist etwa das Legoland am Potsdamer Platz. Dort stehen die Kinder geduldig in einer langen Schlange und warten darauf, spielen zu dürfen. Doch bevor sie eintreten können, wird vor der Tür kontrolliert. Ein junger Mann schaut genau, ob der vorgezeigte Impfnachweis der Eltern nicht nur ein Handyfoto ist. Und er schaut auch, ob der Nachweis zum Ausweis passt.

Das kulturelle und gesellschaftliche Leben ist ein wenig zu alten Verhältnissen zurückgekehrt: Kinos und Kneipen, Geschäfte und Theater empfangen wieder Gäste. Nach anfänglich strengen Kontrollen ist jedoch vielerorts eine gewisse Gelassenheit eingekehrt. Es gibt etliche Beispiele, die zeigen, dass die vorgeschriebenen Kontrollen in Berlin nicht überall durchgeführt werden.

Die 2G-Regel wird kommen

Da die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen wieder steigt, werden Orte, an denen viele Fremde aufeinandertreffen, als mögliche Ansteckungsorte ins Visier genommen. In Berlin gilt ab Montag die 2G-Regel. Am öffentlichen Leben dürfen dann nur noch Geimpfte und Genesene teilnehmen. Ungeimpfte müssen draußen bleiben. Das Problem: Die neue Strenge kann nicht so richtig helfen, weil es viele Orte gibt, an denen nicht kontrolliert wird.

Eine Kneipe in Friedrichshain – nicht nur sehr beliebt bei Touristen, sondern auch bei Einheimischen. Die Tische stehen vorschriftsmäßig voneinander getrennt, die Kellnerinnen tragen Masken. Und sie legen vorbildlich die Zettel für die Kontaktdaten auf den Tisch. Aber sie nehmen sie auch wieder mit, wenn niemand sie ausfüllt. Nach Impfnachweisen wird gar nicht erst gefragt.

Ein großes Kino in der Potsdamer Straße – dort müssen die Tickets online gekauft werden und auf der Homepage werden strikte Kontrollen angekündigt: Hinein dürfen nur Personen, die geimpft oder genesen sind oder ein negatives Testergebnis vorlegen – mit Ausweis. So weit die Theorie. In der Praxis steht ein Kino-Mitarbeiter an einem kleinen Stand und wirkt etwas hektisch. Er schaut nur kurz auf das Ticket im Handy der Gäste und winkt sie durch. „Saal 2 ist unten“, sagt der Mann, der einer wuseligen Menschenmasse gegenübersteht. Abstandsregeln? Fehlanzeige.

Im Berliner Ensemble gelten strenge Regeln.
Im Berliner Ensemble gelten strenge Regeln.dpa/Annegret Hilse

Eine Lichtinstallations-Ausstellung in Lichtenberg – für die nur Tickets für bestimmte Time-Slots gebucht werden können und strengste Kontrollen angekündigt sind. Alle warten gespannt, ob die Mitarbeiterin nach dem Impfausweis oder dem Test fragt. Macht sie nicht.

Und die Theater dieser Stadt? Sie gehören klar zu den Vorbildern. Obwohl die Prioritäten bei der Öffnung nach den ersten Lockdowns ihnen gezeigt haben, wie gering ihre Relevanz eingeschätzt wird und für wie verzichtbar die Politik sie hält. Doch statt sich nur zu beschweren, haben sie weder Kosten noch Mühen gescheut, ihre Häuser mit Lüftungsanlagen und Hygienekonzepten coronasicher zu machen. Sie meinen es sehr ernst. Das zeigen die strengen Kontrollen.

Bislang konnten die Wirte selbst entscheiden, ob sie ihre Gäste lieber mit den 2G- oder 3G-Regeln empfangen.
Bislang konnten die Wirte selbst entscheiden, ob sie ihre Gäste lieber mit den 2G- oder 3G-Regeln empfangen.epd/Rolf Zoellner

Besonders das Berliner Ensemble macht den Besuch in diesen Zeiten auch zu einem Erlebnis der Organisationsfreude und der Publikumsdisziplin: Tickets und ausführliche Erläuterungen kommen per Mail, es gibt Möglichkeiten zum kontaktlosen Scannen und eine akribische Kontrolle der Nachweise. Extra schon vor dem Haus. Und alle sollen 45 Minuten vorher da sein – wegen der Verzögerungen. Das Publikum nimmt die Unannehmlichkeiten mit Humor und scheint es fast zu genießen, sich zivilisiert und einsichtig zu zeigen.

Gastronomie fordert: Bitte kein „2G+“

Die Gastrobranche sieht bei der 2G-Regel ein Problem. „Es muss geklärt werden, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter überhaupt fragen dürfen, ob sie geimpft sind. Derzeit erlaubt es das Arbeitsrecht nicht“, sagt Thomas Lengfelder, Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes. Er gibt ein klares Ziel aus: „Wir alle müssen unbedingt alles dafür tun, dass die Infektionszahlen sinken. Es muss verhindert werden, dass es noch schärfere Einschränkungen gibt – das würde unsere Branche wirtschaftlich nicht überleben.“

Lengfelder spricht sich klar gegen die „2G+-Regel“ aus, bei der Genesene und Geimpfte in Gaststätten viel Abstand halten müssen und Maske tragen – und sich auch testen lassen müssen. „Das käme einem Lockdown für die Gaststätten gleich, weil kaum noch jemand kommen würde.“ Es müssten nun alle mitmachen: Die Wirte müssen die Regeln einhalten, die Gäste müssen Lokale verlassen, in denen das nicht funktioniert. Die Ordnungsämter müssen kontrollieren. „Aber nicht mit der Bußgeldkeule, sondern mit einer klaren Ansage an die Wirte.“

Das Hofbräu Berlin am Alexanderplatz hat die 2G-Regel bereits am 1. November eingeführt. Freiwillig. „Die Gäste sind davon tatsächlich begeistert und sagen uns ungefragt, dass sie sich dadurch sehr sicher fühlen“, sagt Geschäftsführer Björn Schwarz. Trotz der strengeren Kontrollen kämen nicht weniger Gäste. Auch die Mitarbeiter wollen unbedingt arbeiten und würden ihren Impfstatus freiwillig vorweisen. „2G ist der wirtschaftlich notwendige Schritt, um diese Zeit zu überstehen“, sagt Schwarz.

Nicht kontrollierbar

Das große Aber: Reinickendorfs Amtsarzt Patrick Larscheid sieht keine Möglichkeit, die Kontrollen zu kontrollieren. „Wie soll das geschehen außer mit geheimdienstlichen Methoden?“ Larscheid nimmt die Betreiber öffentlicher Einrichtungen in die Pflicht. „Das Problem ist offenbar die fehlende menschliche Reife mancher Leute, die für die Kontrollen zuständig sind, diese aber nicht durchführen.“ Dies sei ein Problem, das unter Umständen nun alle ausbaden müssten.

Der Mediziner bezieht sich auf Restaurants, Bars und Kneipen und sagt: „Das ist eine moralische Pflicht, die man nicht einfach mit dem Satz abtun kann: ,Das kann ich nicht auch noch.‘ Doch, du kannst.“ Wer bei seinen Gästen die Getränkewünsche aufnimmt, kann auch prüfen, ob die Gäste die Berechtigung haben, dort zu sitzen. „Es geht um den Schutz der Gäste und Mitarbeiter.“