Emma lässt ihre Muskeln erschlaffen, damit es möglichst schwer wird, sie hochzuheben. Mit der linken Hand ist sie an eine zweite Aktivistin geklebt, deshalb sind fünf Beamte nötig, um beide wegzutragen: Eine Polizistin hebt Emmas Beine an, vier Kollegen greifen nach den Oberarmen der beiden und tragen sie von der Torstraße.
Seit Tagen macht die Letzte Generation wieder mit Blockaden in Berlin auf sich aufmerksam. Am Sonntag haben sie das Brandenburger Tor mit Farbe besprüht. Am Montag und Dienstag klebten die Klimakämpfer an vielen Orten auf der Straße. Am Mittwoch war ein größerer Protestmarsch geplant, der allerdings wegen Corona-Erkrankungen abgesagt wurde. Und an diesem Donnerstag finden 19 sogenannte Laufblockaden statt: An vielen Orten treffen sich Kleingruppen, wie bei den Klebeaktionen auch. Sie kleben sich allerdings nicht auf der Straße fest, sondern gehen langsam vor den Autos her.
Emma ist seit Mai bei der Letzten Generation und geht seit Anfang Juni auf die Straße, um für den fossilen Ausstieg bis 2030 zu demonstrieren. Einer der Vorträge habe sie emotional angesprochen. „Gesamtgesellschaftlich wissen wir ja eigentlich, was auf uns zukommt“, sagt sie, „aber emotional verdrängen das viele.“ Die 27-Jährige ist examinierte Krankenpflegerin. Sie sagt, ein Eintrag im Führungszeugnis könnte ihre berufliche Zukunft gefährden. „Das, was wir tun, macht keinen Spaß“, sagt Emma und blickt zu einem Autofahrer direkt vor ihr auf, der über die Haltelinie dicht vor ihre Beine gefahren ist. „Wir gehen mit Angstgefühlen in die Blockade“, sagt Emma.
Ein anderer Autofahrer steht am Straßenrand. „Es ist traurig, dass es sein muss“, sagt er. Normalerweise fahre er Fahrrad. Ausgerechnet heute müsse er aber etwas transportieren. Seine weinende Tochter habe er eben zu Fuß zur nahe gelegenen Schule gebracht. „Sie war völlig verängstigt, weil sie die Aggressionen mitbekommen hat“, sagt er.
B.Z. gibt Standorte von Klebeaktionen Preis
Die Berliner Zeitung kommt zufällig zur Klebeaktion. Eine Laufblockade in der Nähe, die an diesem Donnerstag Teil der Berichterstattung sein sollte, ist bereits aufgelöst. Am Vorabend hatten die Aktivisten lediglich einen ungenauen Standort preisgegeben, die Jannowitzbrücke. Tatsächlich laufen sie am Rosa-Luxemburg-Platz los, der morgendliche Anruf kommt zu spät. Als Grund geben sie an, die Kamera könnte auf dem Weg zur Blockade zu auffällig sein.
Wie die taz berichtete, haben Bild und B.Z. kürzlich 22 Orte für Blockaden mit genauen Koordinaten veröffentlicht. Inzwischen ist der Text geändert, die Zeit der Veröffentlichung, 7.14 Uhr morgens, ist aber noch zu sehen. Die Letzte Generation versucht möglicherweise auch deshalb einen Weg zu finden, Öffentlichkeit herzustellen, ohne die Aktionen zu gefährden. „Springer schadet nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch dem Journalismus“, schreibt der taz-Autor Erik Peter auf X.
7.14 Uhr: Veröffentlichung des Artikels / 1. Überschrift laut FB-Post: "Hier wollen die Klima-Kleber am heute morgen blockieren." pic.twitter.com/7SvZyeM3lL
— Erik Peter (@retep_kire) September 19, 2023


