Teuerungsrate

Inflation in Berlin: Lebensmittelpreise steigen schneller als die für Energie

Obwohl sich die Teuerung in der Stadt etwas abgeschwächt hat, ist manches für viele zum Luxus geworden. Von Zwiebeln, Zucker und überhöhten Preisen.

Gemüse verteuerte sich um 17 Prozent.
Gemüse verteuerte sich um 17 Prozent.dpa/Hauke-Christian Dittrich

Ein Euro achtzig für ein Bund Möhren. Ein Beutel Kartoffeln kostet 3,49 Euro, das Stück Butter zwei Euro dreißig. Dass sich die Teuerung in Berlin zuletzt abschwächte, laut des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg sogar „spürbar“, ist in hiesigen Supermärkten nicht unbedingt zu spüren. Zwar kratzt die Inflation in Berlin tatsächlich nicht mehr an der Zehn-Prozent-Marke, doch kosteten Waren und Dienstleistungen in der Stadt im Dezember noch immer 7,9 Prozent mehr als im Dezember 2021. Die Inflation bleibt also hoch. In Brandenburg stiegen die Preise im Jahresvergleich um 9,1 Prozent.

Dass die Teuerung etwas an Tempo verlor, ist vor allem der Entwicklung der Energiepreise zu verdanken, die auch durch die einmalige Soforthilfe für Gas- und Fernwärmekunden etwas gebremst wurde. Hatte die Teuerung bei Energie im November noch um 28,6 Prozent gelegen, so fiel sie im Dezember auf 16,2 Prozent. Haushaltsenergie wurde um 22,4 statt 38,1 Prozent teurer. Für Gas stiegen die Preise in Berlin im Dezember um 11,2 Prozent, nachdem der Aufschlag im November noch 85,3 Prozent betrug.

Dafür gehen die Preise für Nahrungsmittel weiter ungebremst nach oben. Mit einer Teuerung um 21,3 Prozent gegenüber dem Dezember des Jahres 2021 lag diese in Berlin nicht nur weiter auf dem höchsten Niveau seit der Wiedervereinigung und über dem bundesweiten Durchschnitt von 20,4 Prozent. Im Dezember waren die Nahrungsmittelpreise in dieser Stadt sogar erstmals stärker gestiegen als die Preise für Energie und somit die eigentlichen Treiber der Inflation in dieser Stadt. „Der Preisanstieg bei Lebensmitteln ist nahezu dreimal so hoch wie die Gesamtteuerung“, sagt Katrin Schoenecker, Co-Chefin des Referats Preise und Verdienste im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

Betroffen waren nach Auskunft des regionalen Statistikamts „nahezu alle Lebensmittelgruppen“. Dennoch fällt vieles mit überdurchschnittlicher Teuerungsrate auf. Für Weizenmehl etwa stieg der Preis binnen eines Jahres in Berliner Geschäften um 82 Prozent. Butter wurde 34,1 Prozent teurer. Der Preis für Sonnenblumen- und Rapsöl hat sich mit 90,2 Prozent fast verdoppelt. Zucker kostet 70,8 Prozent mehr. Für Kartoffeln muss ein Viertel mehr gezahlt werden als vor einem Jahr, wobei die Teuerung damals schon um knapp 27 Prozent über dem Niveau von Ende 2020 lag. Zwiebeln wurden um 44 Prozent teurer, Wirsing oder Rotkohl um 38 Prozent. Insgesamt verteuerte sich Gemüse um knapp 18 Prozent.

Preissteigerungen dazu genutzt, Gewinne auszuweiten

Auf die Frage nach den Gründen verweisen die Statistiker auf die höheren Energiepreise sowie kräftig steigende Kosten in den vorgelagerten Wirtschaftsstufen. Auch beim Deutschen Bauernverband werden etwa die höheren Gemüsepreise einerseits mit geringem Angebot wegen der Dürre, doch vor allem mit gestiegenen Kosten unter anderem für Energie und Düngemittel begründet. Dabei waren die Erzeugerpreise im Dezember weniger stark gestiegen als in den Vormonaten.

Tatsächlich bezweifeln Wirtschaftsforscher schon seit Längerem, dass die Preissteigerungen in bekanntem Ausmaß immer und allein der höheren Inflation geschuldet sind. „Vielmehr scheinen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen die Preissteigerungen dazu genutzt zu haben, ihre Gewinnen auszuweiten“, analysierte Joachim Ragnitz vom Münchener Ifo-Institut bereits im Dezember.

Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, im Baugewerbe, im Handel und im Gastgewerbe hätten die Betriebe ihre Preise deutlich stärker erhöht als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre, sagt der Wirtschaftsforscher und empfiehlt, die Preise zu vergleichen und billigere Produkte zu kaufen. „Gegen überzogene Preisanhebungen hilft nur mehr Wettbewerb.“

Aber auch ohne überzogene Forderungen bleibt die Inflation hoch. Nachdem sich die Verbraucherpreise 2021 in Berlin im Jahresdurchschnitt um 2,8 Prozent erhöhten, wuchs die Berliner Teuerungsrate im Jahr 2022 auf durchschnittlich 7,9 Prozent. In Brandenburg kletterte sie von 3,6 auf 8,1 Prozent. Beides sind die höchsten durchschnittlichen Jahresteuerungsraten seit Jahrzehnten.

Reallöhne in Berlin und Brandenburg gesunken

Damit wurden auch Lohn- und Gehaltszuwächse der Berlinerinnen und Berliner zunichtegemacht. Denn zwar waren nach Angaben des statistischen Landesamts die Bruttomonatsverdienste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Stadt samt Sonderzahlungen im dritten Quartal nominal um 5,9 Prozent gestiegen, doch führte die Inflation dazu, dass die Hauptstädter im Schnitt 2,2 Prozent weniger in der Tasche haben. In Brandenburg fielen die Reallöhne sogar um 5,7 Prozent.

Bundesweit war die Jahresinflation nach Angaben des Statistische Bundesamts ebenfalls auf 7,9 Prozent gestiegen und erreichte damit einen Höchststand seit mehr als 70 Jahren. 1951 wurde für die damalige Bundesrepublik eine Teuerungsrate von 7,6 Prozent ermittelt, und Besserung ist nicht in Sicht.

Die Bundesbank sagt für Deutschland in diesem Jahr eine Teuerungsrate von 7,2 Prozent voraus. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet eine Inflation von 5,4 Prozent, wobei in beiden Prognosen die dämpfende Wirkung der Energiepreisbremsen bereits eingepreist ist. Bleibt also nur die Hoffnung auf höhere Löhne, die von dem Ergebnis einer jüngst vom Ifo-Institut unter den Personalchefs und -chefinnen deutscher Unternehmen durchgeführten Umfrage sogar genährt wird. Denn 81 Prozent von ihnen rechnen damit, dass die Löhne in ihren Betrieben in diesem Jahr steigen werden. Im Schnitt erwarten sie ein Plus von 5,5 Prozent. Sinkende Reallöhne wären damit allerdings auch in diesem Jahr sicher.