Bio-Branche in der Krise

Von wegen Bio! Warum Dumping-Koteletts jetzt Hochkonjunktur haben

Es sind wieder mal die Preise, die uns dazu bringen, Gewissheiten über Bord zu werfen. Das hat schon billiges Gas geschafft. Ein Kommentar.

Schweine stehen im Stall eines bäuerlichen Hofes.
Schweine stehen im Stall eines bäuerlichen Hofes.dpa/Patrick Pleul

Die deutsche Bio-Branche hat sich bislang als erstaunlich krisenfest erwiesen. Während die Kundschaft immer umwelt- und ernährungsbewusster wurde, spross das Geschäft mit ökologisch korrekten Lebensmitteln hierzulande so zuverlässig wie Löwenzahn. Jahr für Jahr löste in den Bioläden ein Umsatzrekord den vorherigen ab.

Nicht einmal Corona konnte dem Aufschwung der gesunden Ernährung etwas anhaben. Da im Lockdown der eigene Herd ein überraschendes Revival erlebte und sich seine Besitzer mehr für die eigene Gesundheit interessierten, lief der Öko-Handel sogar noch besser als vor der Pandemie. Nun aber hat es auch die Bio-Branche erwischt. Erstmals werden die Umsätze dort unter denen des vergangenen Jahres bleiben. Was Corona nicht schaffte, macht nun die Inflation möglich.

Es sind also wieder mal die Preise, die uns als Konsumenten heimtückisch verführen und dazu bringen, Gewissheiten über Bord zu werfen und zu alten Kaufgewohnheiten zurückzukehren. Das vermochte schon billiges Gas und vernebelte den Blick auf Klimaveränderungen. Nun legt das Dumping-Kotelett aus der Schweinefabrik nach, wo doch allein für Lebensmittel heute gut ein Fünftel mehr gezahlt werden muss als vor einem Jahr. Für manches haben sich die Preise sogar nahezu verdoppelt.

Das mag von jemandem, der seine Silvester-Bowle auch 2022 ganz selbstverständlich mit einem 96er Dom Perignon ansetzen ließ, kaum bemerkt worden sein. Die anderen werden sparen, wo es geht.

Für die Bio-Branche ist das tatsächlich dramatisch. Etliche Fachgeschäfte und Hofläden stecken in existenziellen Krisen, weil ihnen die Kunden fehlen und weil sie zudem unter den explodierten Betriebskosten stärker leiden als die paar großen Supermarktketten, die knapp 80 Prozent des deutschen Lebensmittelgeschäfts beherrschen. Die Insolvenzen in der Bio-Marktlandschaft nehmen bereits zu. Bio-Bauernhöfe könnten folgen. Dann wird es auch weniger Bio-Lebensmittel geben.

Allerdings ist die Lage nicht hoffnungslos. Denn während der Umsatz in den reinen Bioläden in diesem Jahr um 20 Prozent einbrach, meldeten die Discounter beim Öko-Umsatz ein Plus von immerhin knapp 15 Prozent. Außerdem sind die Verbraucherpreise von Bio im Vorjahresvergleich nachweislich geringer gestiegen als die konventioneller Lebensmittel. Vor allem aber ist Bio in Zeiten teurer Energie im Vorteil, weil die ökologische Landwirtschaft ohne energieintensive Chemiedünger auskommt und regionale Produkte kurze Transportwege haben. Auch gebrochene Lieferketten hemmen eher selten.

Bio wird von hohen Energiepreisen sogar profitieren können

Insofern kann Bio sogar von den gestiegenen Preisen profitieren und wird sich zwangsläufig als das kostengünstigere Lebensmittel durchsetzen. Das könnte allerdings noch viel schneller gehen, wenn etwa der Regionalanteil von angebotenen Lebensmitteln beispielsweise in Berlin nicht nur bei 15 Prozent liegen würde. Und wenn die Preise von Fleisch, Obst und Gemüse tatsächlich auch die Kosten der industriell ausgelösten Umweltschäden an Artenvielfalt, Böden und Trinkwasser abbilden würden.

Bio ist also keineswegs am Ende. Bio steckt in einer Krise, die vorübergehen wird, aber Zeit verlangt, die wir eigentlich nicht haben. Ob wir diese Zeit gut nutzen, hängt vor allem davon ab, was wir kaufen.