Auch in der vierten Woche des Ukraine-Krieges hält der Zustrom von Flüchtlingen an – die meisten von ihnen landen nach wie vor zunächst in Berlin. Am Wochenende waren es wieder mehr als 6500 Menschen. Um immer wieder neuen Platz für Neuankömmlinge zu schaffen, sollen die Menschen stets nur für wenige Tage in den Notunterkünften übernachten. Danach kommen sie entweder privat unter oder sie werden auf die anderen Bundesländer verteilt. Doch weil Berlin für viele der Zufluchtsort der Wahl ist, kommt es dabei immer wieder zu Konflikten. Ein solcher Fall beschäftigt nun die Berliner Landespolitik.
Am Montag eskalierte die Situation vor einem Hostel in Lichtenberg. In dem 240-Zimmer-Hostel Generator an der Storkower Straße haben fast zwei Wochen lang 120 Flüchtlinge Unterschlupf gefunden – nach Angaben von Unterstützern zu 80 Prozent Frauen und Kinder. Alle mussten am Montag ihre insgesamt rund 50 Zimmer im Generator verlassen. Der Vertrag mit dem Hostel laufe am Donnerstag aus, hieß es vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das in Berlin die Unterbringung koordiniert.
Unverständnis bei Betroffenen und Unterstützern
Diese Entscheidung sorgt bei den Betroffenen und ihren Unterstützern für Unverständnis. Die 120 Menschen wurden ursprünglich von dem Verein Internationales Sozialwerk „Hand der Hilfe“ aufgenommen und betreut. Dahinter verbirgt sich eine im Bezirk ansässige freikirchlich evangelikale Gemeinde. Wie es heißt, stammen die Menschen von Partnergemeinden aus sechs ukrainischen Städten.
Schon bald erwiesen sich die Gemeinderäume an der Allee der Kosmonauten aber als zu klein. Das bezirkliche Jugendamt griff ein. Schließlich suchte das Sozialamt zusammen mit der Kirchengemeinde und Unterstützern nach Ersatz – und fand ihn vorübergehend im Generator.
Diese Phase ist jetzt beendet. Die Ukrainer sollten sich mit Bussen zum Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel fahren und dort registrieren lassen, um – zum Beispiel – soziale Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Doch als am Montagmorgen das Gerücht umging, die Ukrainer sollten von Tegel aus in eine andere Stadt gebracht werden – die Rede war vom oberpfälzischen Regensburg –, war die Empörung groß.
Flüchtlingsgruppe will sich nicht trennen lassen und verweigert die Abreise
„Keiner ist in einen Bus gestiegen“, sagt Danny Freimark, CDU-Abgeordneter aus Lichtenberg. Am Montagmorgen war er selbst am Hostel, anschließend berichtete er der Berliner Zeitung von den Ereignissen. „Die Menschen haben sich geweigert. Schließlich haben sie sich per Straßenbahn wieder auf den Weg in die Gemeinderäume an der Allee der Kosmonauten gemacht“, so Freimark.
Zwingen kann sie niemand. Bis zur endgültigen Klärung ihres Aufenthaltsstatus bewegen sich die Ukrainer in Deutschland mit einem 90-Tage-Touristenvisum frei.
Er könne verstehen, dass sich die Menschen weigerten, nach Tegel zu fahren, sagte Freimark. „Sie fürchten, dass sie getrennt werden. Dabei wollen sie als Gruppe zusammenbleiben.“ Die Menschen seien in Lichtenberg sehr gut aufgenommen und betreut worden, sagte er. Er selbst habe bereits Termine bei der Sparkasse organisiert, ein Supermarktkonzern sorge für Lebensmittel.
Starke Unterstützung aus Bezirk und Politik
Für Freimark ist die Sache klar: Während die vor allem in Lichtenberg aktive Kirchengemeinde „sozial sehr engagiert“ sei, handele der Senat „herzlos“. Seine Forderung: „Die Unterbringung muss verlängert werden, bis der Aufenthaltsstatus endgültig geklärt ist.“
Dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten stellt sich die Sache anders dar. Amtssprecher Sascha Langenbach erinnert in jedem Gespräch an die große Zahl von Flüchtlingen, die Berlin jeden Tag erreichen. Mehrere Tausend davon seien in Hostels untergebracht. Die Stadt könne aber nicht alle dauerhaft aufnehmen. Ausnahmen gebe es für diejenigen, die eine dauerhafte Unterkunft oder direkte Verwandte in Berlin haben oder die transportunfähig seien. „Wir versuchen, den Leuten das zu erklären“, sagt Langenbach.
