In der Haftanstalt Plötzensee ist ein Insasse von einem Mithäftling niedergestochen und dadurch schwer verletzt worden. Die Berliner Justizverwaltung teilte über diesen schweren Vorfall, der sich bereits am 27. November ereignete, allerdings nichts mit.
Nach Angaben von Häftlingen wird das Opfer im Krankenhaus noch immer intensivmedizinisch behandelt und kämpft um sein Leben. Eine Sprecherin von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) bestätigte auf Anfrage dieser Zeitung, dass der Gefangene schwer verletzt wurde. „Er schwebte aber zu keiner Zeit in Lebensgefahr“, sagte sie am Donnerstag. Die Leitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) habe Strafanzeige gegen den Täter gestellt. Nähere Angaben zu den Umständen der Tat konnte die Sprecherin nicht machen, auch nicht zum Täter und zum Opfer.
„Leider ist das nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Gewalttaten und anderen Zwischenfällen“, hieß es aus Kreisen der Bediensteten.
Im Oktober verübte in Plötzensee ein 29-Jähriger in seiner Zelle Suizid. Er hatte seit 2020 eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen eines schweren Gewaltdelikts abzusitzen. „Die Gründe für diesen Suizid waren dem Vernehmen nach dieselben, die für die Gewalt, den Drogenmissbrauch und chaotischen Zustände verantwortlich sind“, behauptet ein JVA-Bediensteter, der anonym bleiben möchte. Der bis zum Jahr 2017 weitestgehend strukturierte und progressive Strafvollzug in der JVA sei für die Gefangenen „zum perspektivlosen Verwahrvollzug“ verkommen, meint er. Für die meisten Gefangenen gerate so das Ziel der Resozialisierung aus dem Blick.
49 Schlägereien und 27 Angriffe auf JVA-Bedienstete im vergangenen Jahr
Der JVA-Bedienstete weiter: „Viele Gefangene werden zu tickenden Zeitbomben, flüchten sich in ihrer Haft in den Drogenmissbrauch oder werden gewalttätig. Daran kann der Gesellschaft aber unmöglich gelegen sein, denn über kurz oder lang werden Hunderte dieser Gefangenen mit den entsprechenden Erfahrungen und Verhaltensweisen ohne jede Perspektive entlassen. Was das für die Sicherheit der Berliner bedeutet, ist offensichtlich.“
Tatsächlich gibt es nach Angaben von ehemaligen und derzeitigen Häftlingen in der JVA Plötzensee immer wieder Gewalt unter Gefangenen. In der Regel werden die Vorfälle durch die Verwaltung nicht offensiv kommuniziert. Nur auf konkrete Anfragen gibt die Justizverwaltung Informationen heraus. So antwortete sie auf eine parlamentarische Anfrage der CDU, dass in Plötzensee im vergangenen Jahr 49 körperliche Angriffe von Gefangenen auf andere Gefangene registriert wurden und 27 Angriffe allein auf das Personal. Die Anstalt Plötzensee ist damit offensichtlich für Bedienstete am gefährlichsten, gefolgt von der JVA Heidering in Großbeeren, wo es neun Angriffe auf das Personal gab. Bis Ende April wurden von der Justizverwaltung 18 Schlägereien unter Gefangenen offiziell erfasst.


