Mobilität

Grüne und Linke wollen weniger Parkplätze in Berlin: „Es wird wehtun“

Eine Initiative hat errechnet, wie viele Stellflächen für Autos es gibt. Die Zahl soll sinken, sagen Unterstützer. Und wenn Bürger das ablehnen? „Man kann nicht alle mitnehmen.“

Parkende Autos in einer Straße in Karlshorst. So sehen die meisten Straßen in Berlin aus.
Parkende Autos in einer Straße in Karlshorst. So sehen die meisten Straßen in Berlin aus.dpa/Jens Kalaene

Es ist eine Fläche so groß wie 400 Fußballfelder. Der Mauerpark hätte 20-mal darauf Platz. 229.249 Stellplätze für Autos gibt es innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings. Das hat die Initiative ParkplatzTransform errechnet. In vielen Stadtvierteln nehmen die Flächen fürs ruhende Blech mehr Platz ein als Spielplätze und Grünanlagen zusammengenommen. Als die Gruppe ihre Ergebnisse vorstellte, war das Votum klar: Der Parkraum müsse verkleinert werden. „Es wird wehtun“, sagte Monika Herrmann von den Grünen. Doch wenn die autofahrenden Bürger nicht wollen?

Sie dominieren fast alle Straßen, fast alle Plätze. „Berlin leidet unter zu vielen Autos“, sagt Isabell Merkle von ParkplatzTransform. „Für das Abstellen von Autos werden enorme Flächen benötigt.“ Flächen, die man auch anders nutzen könnte: für Mini-Parks, Sitzbänke, Nachbarschaftstreffpunkte, Cafés, vor allem für den klimafreundlichen Umbau der Stadt. Asphalt heizt sich im Sommer auf.

Eine App mit Zahlen zum Parkraum in der Berliner Innenstadt

Doch wie viele Parkplätze existieren eigentlich in Berlin? Dazu gibt es nun erstmals Zahlen, die das gesamte Gebiet innerhalb der Ringbahn abdecken. „Wir waren in kleinen Gruppen unterwegs, um Parkraum zu kartieren“, erklärt Merkle. Bestehende Datenquellen wurden digitalisiert. So entstand eine Datenbank, die es auch als App gibt. Unter app.xtransform.org kann man weitere Zählergebnisse eintragen. Kleinste räumliche Einheit ist der Planungsraum, von denen ganz Berlin mehr als 500 besitzt.

In der Handjerystraße, hier der Nordabschnitt, darf derzeit noch auf beiden Seiten geparkt werden. Der Bezirk möchte dies jeweils nur noch auf einer Seite erlauben, weil dort eine Fahrradstraße entstehen soll. Das gibt Ärger.
In der Handjerystraße, hier der Nordabschnitt, darf derzeit noch auf beiden Seiten geparkt werden. Der Bezirk möchte dies jeweils nur noch auf einer Seite erlauben, weil dort eine Fahrradstraße entstehen soll. Das gibt Ärger.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Die Kalkulationen zeigen, dass Autostellplätze in der Innenstadt viel Platz in Beschlag nehmen. „Hotspot ist Neukölln, wo 18,3 Prozent des Straßenraums zum Parken genutzt werden“, so ParkplatzTransform. Die Gruppe ermittelte auch, wie viel Prozent der Gesamtfläche eines Planungsraums von parkenden Autos in Beschlag genommen wird.

Ein Friedrichshainer Wohnviertel führt die Negativ-Rangliste an

An der Spitze steht das Hausburgviertel in Friedrichshain, wo dieser Anteil mit 7,2 Prozent beziffert wird. Grünflächen nehmen dort 0,3 Prozent, Spielplätze 0,8 Prozent der Fläche ein. An der Schillerpromenade in Neukölln okkupieren Autostellplätze 6,7 Prozent, Grün- und Spielplatzflächen insgesamt 4,2 Prozent der Fläche. In der Rangliste folgen die Bereiche Bötzowstraße und Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, Bouchéstraße in Treptow, Amtsgerichtsplatz in Charlottenburg, der Reuterkiez in Neukölln, die Planungsräume Bayerischer Platz und Barbarossaplatz in Schöneberg sowie Arkonaplatz in Mitte. Dort beträgt der errechnete Parkplatzanteil jeweils fünf Prozent oder mehr.

Die Diskutanten in der Stadtwerkstatt unweit des Alexanderplatzes waren sich einig: Die Parkgebühren sind zu niedrig. Zwar steigen die Kurzzeitentgelte voraussichtlich Anfang 2023 um einen Euro pro Preisstufe, doch Bewohnerparkausweise seien mit 10,20 Euro pro Jahr weiterhin ziemlich billig. Selbst die von der Koalition angestrebte Erhöhung auf jährlich 120 Euro gehe nicht weit genug, so Christoph Keller von ParkplatzTransform.

Linke fordert: BVG-Ticketkontrolleure sollen besser Falschparker aufspüren

Zugleich müssten die Bereiche, in denen Parken gebührenpflichtig ist, wachsen. Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker forderte, Ticketkontrolleure der BVG lieber zur Überwachung des ruhenden Verkehrs einzusetzen. Aber selbst im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der sich bislang als Vorreiter der Mobilitätswende in Berlin verstand, sind noch 40 Prozent der Stellplätze gratis. Allerdings würde dort eine Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung auf alle Plätze rund 200 neue Ordnungsamtsmitarbeiter erfordern – mitsamt Büros. Zusammen mit Mitte arbeitet man nun daran, die Überwachung zu digitalisieren. Für die Erfassung der Kennzeichen muss der Bund jedoch eine Verordnung ändern, hieß es.

Doch es müsse nicht nur darum gehen, Parken teurer zu machen. Die Zahl der Stellplätze müsse sinken, planmäßig und regelmäßig. „Berlin braucht einen verbindlichen Abbaupfad“, sagte Niklas Schenker. Peter Fuchs vom Bündnis Straßen für alle rief eine Forderung in Erinnerung: Jährlich müsse die Zahl der Parkplätze um 60.000 sinken.

„Es ist eine Illusion, alle Bürger mitnehmen zu wollen“

„Die Zahlen von ParkplatzTransform tragen zur Versachlichung bei“, lobte Kerstin Stark vom Verband Changing Cities. Nötig sei nun eine Strategie des Senats – und eine Bürgerbeteiligung. Niklas Schenker unterstützte sie: „Wenn sich Bürger nicht mitgenommen fühlen, ist das ein Fehler der Politik.“

„Es ist eine Illusion, alle Bürger mitnehmen zu wollen“, entgegnete Monika Herrmann, die acht Jahre Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg war. Sie machte deutlich, dass sie von langwierigen Diskussionen wenig hält – und dass sie nicht daran glaubt, dass sich Kritik, Ablehnung und Klagen durch solche Verfahren aus der Welt bringen lassen. „Man kann nicht alle mitnehmen.“

Wenn Parkplätze wegfallen sollen, sei das für die Berliner, die über ein Auto verfügen, eine „emotionale Frage“, sagte die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Berliner Grünen. Diese Menschen nähmen das oft nicht hin. Wenn dann Parteien wie CDU und FDP den Widerstand in den Wohnvierteln organisieren, spüren Planer und Verwaltungsleute Sand im Getriebe – der Graefekiez sei ein Beispiel dafür. „Wenn dieser Widerstand von oben befeuert wird, haben wir ein Problem“, schätzte Herrmann ein.

Wenn Feuerwehrautos nicht genug Platz haben – alle Parkplätze weg

Auch die Berliner Feuerwehr äußere sich kritisch, etwa wenn Parkplätze zugunsten von Radfahrstreifen wegfallen sollen. Diese Argumentation sollte die Verwaltung nutzen und umdrehen, regte die Grünen-Politikerin an. Nach dem Motto: „Wir schauen uns alle Straßen an. Und wo die Feuerwehr nicht genug Platz hat, verbieten wir das Parken.“

Wenn es darum geht, die Mobilitätswende voranzutreiben, müssten Autofahrer Privilegien abgeben, sagte Herrmann. „Es wird wehtun. Ohne die Verteuerung von Benzin und Parkplätzen, ohne den Abbau von Autosubventionen wird es nicht gehen.“ Das könne dazu führen, dass Kraftfahrer „uns hassen werden“. „Natürlich müssen sie Platz abgeben, ihre Autos abgeben.“ Aber angesichts der Klimakrise sei es wichtig, jetzt vom Reden zum Handeln zu kommen.

FDP unterstützt Bürgerbegehren gegen mehr Parkzonen

„Wir brauchen ein nachfragegerechtes Angebot an Parkplätzen auch unterirdisch und in die Höhe“, kommentierte der FDP-Verkehrspolitiker Felix Reifschneider. „Einen Teil der Stellplätze auf der Straße braucht Berlin für neue Aufgaben: Radwege, ÖPNV-Beschleunigung, Entsiegelung.“ In Charlottenburg-Wilmersdorf unterstützt die FDP ein geplantes Bürgerbegehren gegen die Ausweitung der Parkzonen im Bezirk.