Kommentar

Grenzkontrollen zwischen Polen und Deutschland: Volle Fahrt in die nationalistische Sackgasse

Polens Regierung beschließt Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Der Schritt ist ein kleines, aber unheilvolles Puzzleteil eines verheerenden Bildes der Zukunft. Ein Gastbeitrag.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk
Polens Ministerpräsident Donald TuskIMAGO/GRZEGORZ KRZYZEWSKI / FOTONEWS

Es gibt politische Ereignisse, Beschlüsse und Handlungen, die aus sich heraus von überragender Bedeutung sind. Und es gibt solche, die von der Auswirkung und Umfang her eher begrenzt wichtig sind, wohl aber tendenziell in eine Zukunft weisen, in der die Auswirkungen der heute kleinen Maßnahmen übergroß oder gar verheerend sein können. Zu den letzteren politischen Entscheidungen gehört der Beschluss der polnischen Regierung vom Dienstag dieser Woche, ab dem 7. Juli an deutsch-polnischen Grenzübergängen Kontrollen einzuführen. Vordergründiges Ziel ist es, die monatlich einige Hundert zählenden Personen, Asylsuchenden, die Deutschland nicht in sein Staatsgebiet kommen lassen will, auch von Polen fernzuhalten. Um das relative Ausmaß zu verdeutlichen: vom 1. Mai bis zum 15. Juni hat die deutsche Bundespolizei gut 1000 Personen, die versuchten, die Grenze zu Polen zu überqueren, die Einreise verweigert. Im gesamten Jahr 2024 wies Deutschland rund 9300 solcher Personen zurück.

9300 Menschen – ist das viel oder wenig? Viel oder wenig für Deutschland, für Polen? Sind diese Menschen, die meist aus afrikanischen und asiatischen Staaten, aber auch aus der Ukraine stammen, und hier wie dort nicht gewollt sind, per se, und überproportional zur ihrer Zahl, gefährlich für das eine oder das andere Land? Haben die rund 1,2 Million ukrainischen Flüchtlinge, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, oder die rund eine Million Menschen aus der Ukraine, die aktuell in Polen leben (und im Gros fast genauso häufig erwerbstätig sind, wie Polinnen – mit nachweislichen Positiveffekten für das polnische BIP), die Sicherheit oder die Stabilität der beiden Länder nachhaltig verschlechtert? In Polen haben in der Spitze, im März 2022, rund zwei Millionen ukrainische Geflüchtete zwischenzeitlich Schutz gefunden. Hat ihre Anwesenheit zu gewaltsamen Protesten geführt, eine rapide steigende Kriminalität erzeugt, massive Restriktionen, Kontrollen oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit dieser Menschen und ihre politische Diffamierung nach sich gezogen?

Berliner Zeitung

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