Fragebogen

11 Klima-Fragen an Anselm Neft: „Berlin ohne Autos? Viel schöner!“

Was denken Berliner über Klimawandel und Klima-Kleber? Heute: Schriftsteller Anselm Neft erklärt, warum Menschen wie er die Kosten der Krise tragen müssten.

11 Klima-Fragen an Anselm Neft
11 Klima-Fragen an Anselm NeftBerliner Zeitung

Der Sommer war zu heiß, der Herbst zu warm, das Jahr 2023 begann fast mit T-Shirt-Wetter. Nur noch vier von hundert Bäumen in Berlin sind gesund. Das Klima verändert sich. Auch politisch bewegt das Thema die Stadt, 180.000 Menschen haben unterschrieben, dass Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll, es wird einen Volksentscheid geben. Fast täglich blockiert die Protestgruppe Letzte Generation die Straßen.

Was sollen wir tun, um dem Klimawandel zu begegnen, wie soll sich Berlin verändern? Wir wollen in der Berliner Zeitung so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen lassen. Alle Fragebögen finden Sie hier. Diesmal hat der Schriftsteller Anselm Neft geantwortet.

Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Wovor haben Sie am meisten Angst?

Dass es weltweit vielen Menschen schlechter geht und Unsicherheit und Gewalt zunehmen.

Was tun Sie persönlich, um Ihre CO2-Bilanz zu senken?

Kein eigenes Auto, starke Reduktion von Flugreisen (und wenn mit CO2-Ausgleich), bewusstes Einkaufen, Energiesparen (auch Ökostrom), und ich versuche, mich über das Thema weiter zu informieren.

Worauf wollen Sie trotz Klimawandel nicht verzichten?

Internetnutzung, Fleisch essen (wenn auch reduziert) und in absehbarer Zukunft einmal eine Fernreise per Flugzeug.

Was muss sich in Ihrer Branche am dringendsten ändern?

Das, was sich vermutlich in den meisten ändern müsste: Profitorientierung nicht als oberstes Ziel zu haben. Aber das bedeutet eine grundlegende Reform unserer Ökonomie. Davon abgesehen: Bewusster Ressourcenverbrauch, Nutzung erneuerbarer Energien, klimafreundliche Produktion und Arbeitsprozesse. Die Buchverlage befinden sich da bereits auf einem Weg, der allerdings – wie überall – sehr spät eingeschlagen wurde. Wir sprechen seit rund fünf Jahrzehnten vom Klimawandel.

Klimaaktivisten blockieren regelmäßig Straßen in Berlin. Hilft das der Sache oder schadet es mehr?

Es macht zumindest aufmerksam und führt zu Diskussionen. Ob die zu nötigen Veränderungen beitragen, kann ich allerdings nicht beurteilen. Viel mehr Menschen müssten protestieren und die Aktivist:innen unterstützen.

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Maren Kaschner
Zur Person
Anselm Neft, geboren 1973 bei Bonn, studierte abseitige Fächer, schrieb seine Magisterarbeit über zeitgenössischen Satanismus, verschliss Jobs vom Tellerwäscher bis zum Unternehmensberater und ist heute freier Autor und Schriftsteller. Sein neuester Roman heißt „Späte Kinder“. Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen.

Können Sie sich Berlin ganz ohne Autos vorstellen?

Ja. Ich stelle es mir sogar schöner vor.

Haben Sie vor, Ihr Auto abzuschaffen?

Habe ich schon. Das 9-Euro-Ticket fand ich super.

Was erwarten Sie von der Politik – was sollte sie als dringendste Klimaschutzmaßnahme durchsetzen?

Den ineffektiven Emissionshandel grundlegend reformieren und eine echte CO2-Steuer einführen. Noch grundsätzlicher: Solange die Politik dem Primat der gut organisierten Gewinnstrebenden untersteht, befinden wir uns in Sachen Umweltschutz in einem Dilemma. Wir können uns die Reichen immer weniger leisten.

Klimaschutzminister Habeck duscht nur noch zwei Minuten. Wie lange stehen Sie noch unter der Dusche?

Länger, aber nicht lang. Wasserverbrauch ist ein lokales Phänomen. Spare ich hier, nutzt das den Regionen mit Dürre nichts. Es geht eher um die Frage: warm oder kalt duschen. Und ich dusche warm. Ob Habeck auch ein Warmduscher ist, habe ich noch nicht in Erfahrung gebracht.

Was ist Ihr bester, klimaschonender Alltags-Tipp?

Zu einem seriösen Ökostrom-Anbieter wechseln. Geht fix, kostet nicht unbedingt mehr, ist gut.

Berlin im Jahr 2030: Was muss geschehen, damit wir es in der Stadt auch dann noch aushalten?

Es müssen viele Bäume gepflanzt sein, die Schatten und Sauerstoff spenden. Öffentliche und private Institutionen werden Klimaanlagen benötigen. Bezahlbarer Wohnraum für alle muss innenstadtnah verfügbar sein, indem die Stadt einen bedeutenden Teil des Wohnungsmarktes zurück in die eigene Hand nimmt und klug und sozial verwaltet. Soziale Fragen und Fragen des Umgangs mit dem Klimawandel hängen in meinen Augen zusammen. Die Reichen (zu denen wir international betrachtet zählen) sind die Hauptverursacher und müssen dazu verpflichtet werden, die Hauptkosten zu tragen.