Streit um Bauprojekte

Flussbad oder Einheitsdenkmal: Wem gehört die Spree am Stadtschloss in Berlin?

Die einen wollen eine Badestelle, die anderen eine „Einheitswippe“: Auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse streitet mit. Doch ginge nicht beides?

Streit am Schloss. Architekt Johannes Milla (r.), SPD-Politiker Wolfgang Thierse (M.) und CDU-Kollege Günter Nooke wollen die Ästhetik des Einheitsdenkmals nicht von einer Freitreppe beeinträchtigt sehen.<br>
Streit am Schloss. Architekt Johannes Milla (r.), SPD-Politiker Wolfgang Thierse (M.) und CDU-Kollege Günter Nooke wollen die Ästhetik des Einheitsdenkmals nicht von einer Freitreppe beeinträchtigt sehen.
Volkmar Otto

Berlin-Es ist an sich eine charmante Idee: Schwimmen in der Spree, in einem Flussbad mitten in Berlin. Und das an einem historischen Ort, an der Museumsinsel, vor der Kulisse des neuen Stadtschlosses und des neuen Freiheits- und Einheitsdenkmals, wenn beide Bauwerke demnächst fertiggestellt sind.

Bereits Ende 2019 hat der Berliner Senat die Weichen für eine neue Freibadeanstalt gestellt, als er ein Stadtumbaugebiet zwischen Fischerinsel und Monbijoubrücke festlegte und mit dem Bau einer Freitreppe zum Spreekanal als Pilotprojekt begann. Ob jedoch bereits im Jahr 2025, wie ursprünglich von Befürwortern erhofft, erstmals seit hundert Jahren wieder Berliner und Touristen in der Spree baden können, ist noch sehr fraglich. Die Treppe zum Wasser soll in jedem Fall bis 2023 fertig sein.

Aber es gibt bereits jetzt Widerstand dagegen und zwar von Menschen, die Widerstand gewohnt sind. Es sind die Initiatoren des Freiheit- und Einheitsdenkmals, im Volksmund „Einheitswippe“ genannt, das wegen seiner eigenwilligen Ästhetik ebenso umstritten ist wie der Wiederaufbau des alten preußischen Königsschlosses an der Stelle, an der der Palast der Republik stand. Das Denkmal soll an die friedliche Revolution 1989 erinnern, wird derzeit am Schloss gebaut und soll etwa in einem Jahr fertig sein.

Es ist kein guter Tag zum Baden. Bewölkte 20 Grad sind es am Donnerstag in Berlin, leichter Regen fällt, und an der Baustelle vor dem Stadtschloss stehen mehrere ältere Herren mit weißen Helmen, denen offenbar nicht nach schwimmen in der Spree zumute ist. Zumindest wollen sie ein Freibad an dieser Stelle verhindern, weil die Initiatoren des Einheitsdenkmals selbiges dadurch entwürdigt sähen. Einer von ihnen ist Wolfgang Thierse, SPD-Politiker und ehemaliger Präsident des Bundestages.

„Wir wehren uns gegen die bauliche Verachtung dieses Denkmals durch die Berliner Baubehörden und das Bauministerium des Bundes“, sagt Thierse. Und ergänzt: „Wir sind keine Spaßverderber, wir sind nicht gegen ein Flussbad, aber muss es denn unbedingt hier sein?“ Seine Initiative fordere einen sofortigen Baustopp der Treppe, auch wenn man den Wunsch akzeptiere, die Spree zugänglicher zu machen.

Konkret stören Thierse und seine Mitstreiter sich an einem Aufzugsturm für einen barrierefreien Zugang sowie an Bäumen und Fahrradständern, die hier aufgestellt werden sollen. Sie würden die Ästhetik des Denkmals herabsetzen. „Es wird kaum ein Foto geben ohne störende Fahrradständer“, sagt Johannes Milla, der als Architekt des seit Mai im Bau befindlichen Denkmals erwägt zu klagen, weil er seine Urheberrechte verletzt sieht. Er ist davon überzeugt, dass Menschen aus der ganzen Welt kommen werden, um die „Einheitswippe“ zu sehen. Günter Nooke, früherer DDR-Bürgerrechtler und CDU-Politiker, spricht gar von „Missachtung der Leistung der Ostdeutschen“, hier werde deutsche Geschichte interpretiert.

Schließen Gedenken und Freude sich aus?

Doch wären Gedenken und Freude womöglich auch kombinierbar. Zumindest sieht das der Verein Flussbad Berlin so, der das Projekt Spreebaden vorantreibt. „Aus unserer Sicht lässt sich das vereinbaren“, sagt Vereinsmitglied Tim Edler. „Die gegenwärtig geplante Treppe ist aber keine Badetreppe, sie führt lediglich zum Wasser.“ Er erkenne auch keinen Konflikt zwischen Menschen, die ans Wasser wollen, und jenen, die das Denkmal ansehen. „Die Idee beim Einheitsdenkmal war ja ursprünglich einmal Teilhabe.“ Wobei Edler betont, dass Freitreppe und Flussbad voneinander getrennte Projekte seien, das eine nicht automatisch zum anderen führen müsse.

Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen glaubt an die Freitreppe, die als Pilotprojekt auch mit Bundesmitteln von gut sechs Millionen Euro gefördert wird. „Wir stehen weiterhin zur Treppe und zum Projekt des Flussbades, das auch im Koalitionsvertrag steht“, teilt eine Sprecherin des rot-rot-grünen Senats mit. Aber man sei in Gesprächen, ob man nicht zu einem Kompromiss kommen könne. Auch der Verein Flussbad Berlin hofft, dass Fahrradständer und Aufzug keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen.