Kommentar

Fische und Fernsehen – die beiden aktuellen Skandale haben viel gemeinsam

Bei der Naturkatastrophe an der Oder und beim RBB geht es um unterschiedliche Dinge, aber in beiden Fällen auch um eine teilweise desaströse Kommunikation.

Criewen an der Oder in Nordbrandenburg: Das Fischsterben hat Deutschland längst erreicht.
Criewen an der Oder in Nordbrandenburg: Das Fischsterben hat Deutschland längst erreicht.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Derzeit sorgen zwei Skandale aus der Hauptstadtregion für bundesweite und internationale Schlagzeilen: die mutmaßliche Raffgier-und-Gebührengeld-Verschwendungsaffäre der ehemaligen Intendantin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Berlin-Brandenburg sowie die Umweltkatastrophe an der Oder und das damit verbundene massive Artensterben.

Es geht quasi um Fernsehen und Fische – und damit um zwei Dinge, die auch im Skandalfall inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Allerdings liegen sie näher beieinander als gedacht. In beiden Fällen geht es auch um die Kommunikationspolitik der Beteiligten. Besser gesagt: ihr Kommunikationsversagen, also das Verschweigen, das Beschwichtigen, das Feilschen, möglicherweise auch das Lügen.

Im Fall der Oder ist das Unglück oder der Giftunfall schon vor mindestens zwei Wochen geschehen. Aus Brandenburg und Deutschland kommt nun der Vorwurf, dass das Fischsterben in Polen sichtbar war, dass die polnische Seite die Probleme im gemeinsamen Grenzfluss aber bewusst verschwiegen haben könnte.

Anfang der Woche behauptet der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel von den Grünen, er sei an der Oder hinters Licht geführt worden. Bei einem Vor-Ort-Termin wurden ihm Fragen von polnischen Journalisten durch den Übersetzer falsch übertragen, sodass Vogel keine korrekte Antwort geben konnte. Die falsche Antwort sei dann allerdings von polnischen Medien genutzt worden, um das Ausmaß der Katastrophe herunterzuspielen. Der Minister nennt dies „ungeheuerlich“.

Schweigen und Salami-Taktik im Fall Schlesinger

Das wäre naiv und kurzsichtig – wie es beim Lügen und Verschweigen allzu oft der Fall ist. Bei einem gemeinsamen Grenzfluss ganz besonders. Inzwischen wissen auch Laien, dass ein Hochwasser, das sich weit entfernt von der Grenze in einem südpolnischen Gebirge aus Dutzenden kleinen Nebenflüssen speist, keine vier Wochen später als Flutwelle die deutsch-polnische Grenze entlangrollt. Genauso ist es bei einer Giftwelle. Verschweigen ist fatal und kostet Leben, in diesem Fall das von Tieren, die in Nebengewässern leben, deren Zufluss nicht rechtzeitig vor dem Gift geschlossen werden konnte.

Im Fall der RBB-Intendantin Patricia Schlesinger haben das Schweigen und die Salami-Taktik – zugeben, was nicht mehr zu leugnen ist – dazu geführt, dass sie am Montag außerordentlich gekündigt wurde. Wenn sie jetzt mit ihren Anwälten um eine möglichst hohe Abfindung kämpft, ist das ihr gutes Recht. Aber es sieht fast so aus, als wäre ihr nicht nur ihr eigener Ruf in der Öffentlichkeit egal, sondern auch der Ruf jener Rundfunkanstalten, in denen sie fast ihr gesamtes Berufsleben seit 1988 gearbeitet hat. Ein wenig mehr Demut wäre schon angebracht. Vielleicht ist ihr das alles egal, weil sie weiß, dass sie bei den Öffentlich-Rechtlichen sowieso keinen Job mehr bekommt.

Aber es geht um sehr viel mehr als um die Personalie Schlesinger. Kurzfristig hat sie massiv das Vertrauen in den RBB und seine Kontrollgremien zerstört. Mittelfristig könnte der Skandal in dieser kleinen Sendeanstalt für noch mehr Skandale sorgen, weil nun jede Renovierung in jedem Sender, jeder Dienstwagen und jede Party auf Senderkosten unter die Lupe genommen wird. Langfristig könnte es zum Ende dieses Systems führen.

Beide Fälle verbindet eine alte, falsch verstandene Kommunikation. Gerade in der Krise hatte sich in politischen Kreisen schon vor einiger Zeit herumgesprochen, dass es wenig sinnvoll ist, Vorwürfe so lange zu bestreiten, bis sie nicht mehr zu leugnen sind. Früher verschanzten sich Betroffene gern mal in einer kommunikativen Wagenburg und schwiegen. Oder sie drohten, alle zu verklagen, die dies oder jenes behaupteten. Geholfen hat es ihnen meist nicht.

Es müsste jetzt gelten: Einräumen und Ausräumen

Modernes Krisenmanagement sieht anders aus. Da lautet das Motto: Möglichst früh und offensiv reagieren – auch, um zum Beispiel entlang der Oder noch Tiere zu retten oder im Fall RBB den Schaden für den Sender und die Mitarbeiter zu begrenzen. Beim Reden lautet die Devise: Einräumen und Ausräumen. Fehler eingestehen und die damit verbundenen strukturellen Probleme beseitigen. Offenheit im Krisenfall empfiehlt sich, um glaubhaft bleiben zu können. Denn wer will mit Leuten zusammenarbeiten, an deren grundsätzlicher Vertrauenswürdigkeit so massiv gezweifelt werden muss?

Gezieltes Verschweigen ist naiv. Doch im Fall der Oder ist es bereits zu spät. Offenbar ist dort erst mal ein Großteil des Lebens dahin.