„Berlin zeigt seit vielen Wochen gemeinsam Herz und Haltung! Die vielen Menschen in unserer Stadt machen Berlin zu einem Ort des Zusammenhalts, des Schutzes und der Wärme!“ Das sind die ersten Sätze des jüngsten Textes auf der Facebook-Seite von Franziska Giffey (SPD). Darunter eine Videoansprache vor dem Roten Rathaus. Auf der Seite finden sich aktuelle Informationen zur Arbeit der Regierenden Bürgermeisterin und des Senats.
Ihr Social-Media-Team in der Senatskanzlei berichtet, was Berlin seit Tagen und Wochen an Flüchtlingsarbeit für die vielen Tausend Ukrainer leistet. Im konkreten Fall ging es um eine Solidaritätsveranstaltung in der Markthalle Neun in Kreuzberg mit Namen Leuchtturm Ukraine. Der Beitrag hat aktuell immerhin 122 Likes, die Giffey-Seite 38.665 Follower.
Und wie Franziska Giffey machen es fast alle: Regierungsmitglieder in Berlin oder im Bund, genauso wie Senatsverwaltungen und Ministerien – sie alle betreiben via Facebook politische Kommunikation, also Werbung. Seit Jahren. Klaus Lederer hat eine Seite, Katja Kipping auch, genauso Bettina Jarasch. Doch ist das auch erlaubt?
Gerichtsurteile: Facebook-Seiten widersprechen dem Datenschutz
Berlins Datenschutzbehörde sagt: Nein! Der amtierende kommissarische Dienststellenleiter ruft den Senat auf, seine Facebook-Seiten abzuschalten. „Facebook-Pages lassen sich derzeit nicht datenschutzkonform betreiben“, sagte Volker Brozio. Zu diesem Ergebnis seien europäische und deutsche Gerichte sowie ein neues Gutachten der deutschen Datenschutzbehörde gekommen.
Aufgabe der unabhängigen Behörde ist es, Kontroll- sowie Beratungsaufgaben im Bereich des Datenschutzes und der Informationsfreiheit wahrzunehmen. Über diese Tätigkeit muss die oberste Landesbehörde dem Abgeordnetenhaus und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin jährlich berichten. Der nächste Bericht steht im Mai an.
Brozio zufolge hat nun eine „Taskforce Fanpages“ aller Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern ein Gutachten erstellt und dabei die aktuelle Rechtsprechung und Regelungen im neuen Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz berücksichtigt. „Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit Facebook-Pages in ihrer aktuellen Gestaltung keine Rechtsgrundlage hat.“
Datenschutzbeauftragter: Öffentliche Stellen haben besondere Verantwortung
Grundlage des Gutachtens ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Der hatte bereits im Jahr 2018 entschieden, dass Facebook die Informationen über seine Nutzer mittels Tracking oder Cookies rechtswidrig erlangt. Erst in diesem Winter wurde das Urteil rechtskräftig.
Für Volker Brozio und seine Amtskollegen aus den Bundesländern sowie den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber ist deshalb klar: „Die Senatsverwaltungen und auch die Minsterien sollten ihre Facebook-Pages deaktivieren, sofern sie die Einhaltung des Datenschutzrechts nicht sicherstellen können. Als öffentliche Stellen haben sie eine besondere Verantwortung und eine Vorbildfunktion.“
Brozio zufolge wolle seine Dienststelle die Senatsverwaltungen nun darüber informieren und „darauf hinwirken, dass die Facebook-Pages deaktiviert werden, soweit die Senatsverwaltungen ihre Pflicht zum Nachweis der Datenschutzrechtskonformität ihrer Facebook-Pages nicht erfüllen können“. Aufgrund ihrer Vorbildfunktion stünden bei dem Thema zunächst die öffentlichen Stellen im Fokus.
Fragt sich jedoch, wie viel Gewicht solch ein Statement des Datenschutzbeauftragten tatsächlich hat. „Unsere Möglichkeiten bei öffentlichen Stellen sind beschränkt“, sagt Pressesprecher Simon Rebiger. Das sei bei privaten Unternehmen durchaus anders, so Rebiger im Gespräch mit der Berliner Zeitung. So habe die Behörde vor drei Jahren ein Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro gegen das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen verhängt, weil dieses die Daten seiner Mieter nicht ausreichend geschützt habe. Die Deutsche Wohnen hat das Urteil nicht akzeptiert. Inzwischen liegt nach Angaben von Rebiger auch dieses Verfahren beim Europäischen Gerichtshof.
Millionen-Bußgeld für die Deutsche Wohnen liegt noch bei Gericht
Dass Entscheidungen und Veränderungen in diesem Bereich ihre Zeit brauchen, wissen die Mitarbeiter in der Berliner Datenschutzbehörde schon lange. So hatte bereits 2018 die damalige Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk Verwaltungsverfahren wegen sogenannter Facebook-Fanpages gegen Senatsverwaltungen und andere Stellen begonnen. „Im Rahmen dieser Verfahren konnten zwar einige Rechtsverstöße beim Betrieb von Pages abgestellt werden. Es verbleiben jedoch schwerwiegende Mängel“, sagt ihr kommissarischer Nachfolger Volker Brozio heute.
Reaktion der Senatskanzlei: Wir schauen uns das an!
In diesem Fall weist das Verfahren sogar über so manche Amtszeit von Beamtinnen und Beamten hinaus. Bis Oktober 2021 war Maja Smoltczyk im Amt. Bis zur Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin wird die Behörde kommissarisch von Smoltczyks früherem Stellvertreter Brozio geleitet.

