Ganz klar: Das ist eine Bevorzugung – mit voller Absicht. Um die Elektromobilität zu fördern, werden E-Autos mancherorts von Parkgebühren befreit. Während für Verbrenner weiterhin gezahlt werden muss, dürfen Elektrofahrzeuge kostenlos abgestellt werden. In Berlin gilt das derzeit jedoch nur für einen bestimmten Fall: Während ein solches Auto an einer Ladesäule steht und die Batterie geladen wird. Doch jetzt werden Forderungen laut, dass E-Autos in Berlin generell gratis parken dürfen.
In Stuttgart dürfen Batteriefahrzeuge, Plug-in-Hybride und Brennstoffzellenfahrzeuge auf öffentlichen Straßen und Plätzen kostenfrei abgestellt werden. Das gilt ohne zeitliche Begrenzung für gebührenpflichtige Stellflächen und für Bewohnerparkgebiete. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg hat eine gesetzliche Möglichkeit, die seit 2015 besteht, genutzt. Dort dürfen Fahrzeuge mit E-Kennzeichen im Bereich von Parkscheinautomaten bis zur jeweiligen Höchstparkzeit gratis parken.
„Da ist Berlin noch viel zu zögerlich“
Im Ausland bestehen ähnliche Regelungen. Ein Beispiel: „In polnischen Städten sind batterieelektrische Fahrzeuge in städtischen gebührenpflichtigen Parkzonen von Parkgebühren befreit, Krakau bietet batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen kostenlose Parkplätze an“, heißt es in der jüngst veröffentlichten Studie „Aufladen, fertig, los! Elektrifizierung des Stadtverkehrs in Deutschland und Polen“, die das International Council on Clean Transportation im Auftrag der Agora Verkehrswende und anderer Organisationen erstellt hat. Kostenlose Parkplätze fördern den Kauf von Elektrofahrzeugen, indem sie deren Nutzung komfortabler machen – bei gleichzeitiger Senkung der Betriebskosten für die Fahrzeughalter, stellen die Wissenschaftler fest.
Solche Regelungen seien sinnvoll, sagt auch Markus Kröger. Der 47-Jährige ist Gründer und Chef von Panion, einem der vielen Unternehmen im Bereich der neuen Mobilität, die sich in Berlin angesiedelt haben. „Auch Berlin sollte Elektrofahrzeugen kostenloses Parken ermöglichen“, so Kröger zur Berliner Zeitung. „Da ist Berlin noch viel zu zögerlich, obwohl die Hauptstadt vorangehen müsste. Natürlich ist eine solche Vorzugsregelung nur so lange sinnvoll, wie die Zahl der E-Autos noch relativ gering ist. Sie sollte ein Anreiz sein, ein Impuls, beim nächsten Kauf eines Autos über ein Elektrofahrzeug nachzudenken. Ich bin mir sicher, dass dieser Impuls wirken wird.“
Rund 17.000 batterieelektrische Pkw sind in Berlin zugelassen
Zwar sei die Zahl der Elektrofahrzeuge in Berlin deutlich gestiegen, sagen Experten. So wurden rund 17 Prozent der Kraftfahrzeuge, die 2020 in der deutschen Hauptstadt neu zugelassen wurden, elektrisch betrieben, geht aus einer jüngst veröffentlichten Studie der Agora Verkehrswende hervor. Vom Beginn des vergangenen Jahres bis Anfang 2022 stieg die Zahl der batterieelektrischen Pkw, deren Kennzeichen mit der Ortsmarke „B“ wie Berlin beginnt, von 9085 auf 16.678. Der Bestand an Plug-in-Hybriden wuchs von 9112 auf 17.496. Trotzdem sind E-Fahrzeuge auch in Berlin nur eine Randgruppe. Anfang dieses Jahres waren hier mehr als 1,24 Millionen Pkw zugelassen.
Wenn Elektroautos ihren Nutzern im Vergleich zu Verbrennern Vorteile verschaffen, könne das den Absatz anregen, heißt es auch in der Wissenschaft. „Solange wir nur einen schwachen Hochlauf im Markt verzeichnen, sind solche Vorteile sinnvoll“, sagt der Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. „Das geht am besten über die Kosten“ – die in diesem Fall sinken sollten. Berlin könne und müsse in diesem Bereich mehr unternehmen, fordert auch Knie.
Doch danach sieht es nicht aus. „Wir planen keine weiteren Nutzervorteile für E-Auto-Besitzer:innen“, teilt Jan Thomsen, Sprecher von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne), der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. Das Land baue die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum aus. „Sofern es sich um Ladepunkte an Parkständen handelt, müssen für die Zeit des Ladens keine Gebühren entrichtet werden“, sagt Thomsen. Weitere Erleichterungen seien nicht geplant.
Autolobby zeigt sich skeptisch
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) ist ohnehin skeptisch. „Aus Sicht des ADAC sollten Parkbevorrechtigungen für Elektrofahrzeuge mit Blick auf den Parkdruck vor Ort nur in Verbindung mit einem Ladevorgang an der Ladesäule gewährt werden“, so die Autolobby. „Kostenloses Parken für Elektrofahrzeuge kann zwar für Autofahrer ein Anreiz sein, auf ein Elektroauto umzusteigen, allerdings beanspruchen Elektromobile genauso Parkraum wie konventionelle Fahrzeuge.“
Doch es gibt auch ergänzende Positionen. „Die Hamburger Lösung ist zum Beispiel ein weiterer Schritt, um den Technologiewandel in der elektrischen Antriebstechnologie zu forcieren und den Kohlendioxidausstoß in der Bundeshauptstadt zu reduzieren. Hier könnte Berlin von Hamburg lernen und über einen solchen Ansatz einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagte Edgar Terlinden, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC Berlin-Brandenburg. „Zusätzlich würden die stationsunabhängigen E-Carsharing-Fahrzeuge in Parkraumbewirtschaftungszonen keine Parkgebühren entrichten müssen, wenn diese elektrisch betrieben werden. Momentan ist dies im Entwurf der aktuellen Sondernutzungsgebührenverordnung noch nicht vorgesehen.“
Lob für das Welmo-Programm der Wirtschaftsverwaltung
Doch Panion-Chef Markus Kröger könnte sich noch weitere Nutzervorteile für E-Auto-Besitzer vorstellen. „Innerhalb des Rings sollten Anwohner nur noch dann Parkausweise bekommen, wenn die Fahrzeuge elektrisch betrieben werden“, sagt er. Generell müsse die Ladeinfrastruktur schneller ausgebaut und besser koordiniert werden. Außerdem: „Wenn neue Wohnviertel geplant werden, müssen die Voraussetzungen für eine gute Ladeinfrastruktur von Anfang an mitgedacht werden.“
Berlin müsse seinen Status als Standort für Innovation in der Mobilität ausbauen, so Kröger. „Die Ausstrahlung, die diese Stadt besitzt, ist groß. Berlin sollte sich dieser Wirkung stärker als bisher bewusst werden“, fordert er.
In der Studie für die Agora Verkehrswende gibt es auch ein Lob für das Welmo-Programm der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft. Dadurch sei es gelungen, die Zahl der Elektrofahrzeuge zu erhöhen, hießt es. Mit dem Programm für wirtschaftsnahe Elektromobilität unterstützt das Land sowohl die Beschaffung und das Leasing von gewerblich genutzten Elektrofahrzeugen als auch die Errichtung stationärer Ladeinfrastruktur im gewerblichen Umfeld. Im Mittelpunkt stehen Nutzfahrzeuge, Klein- und Leichtfahrzeuge, E-Roller und E-Bikes mit reinem Batteriebetrieb, mit Brennstoffzellenantrieb und Plug-in-Hybridantrieb. Für E-Taxis gibt es ebenfalls Geld.
Energiekosten nur rund halb so hoch wie bei Verbrennern
Panion, mittlerweile ein Unternehmen des schweizerisch-schwedischen ABB-Konzerns, stellt Software für Firmen her, die das Thema Elektrifizierung in Angriff nehmen wollen. „Wir konzentrieren uns auf betriebliche, depotbasierte Flotten, die regelmäßig an einen oder mehrere Standorte zurückkommen“, sagt Kröger. Rund 45 Menschen aus 16 Ländern arbeiten für Panion, das seinen Sitz an der Schöneberger Feurigstraße hat.
Zunächst gehe es darum, Ladeinfrastruktur richtig zu planen. „Ist der Betrieb auf Elektrofahrzeuge umgestellt, hilft unsere Software dabei, Einsätze und Routen zu planen. Sie weiß, wo sich die Fahrzeuge befinden und wie ihr Ladestatus ist“, so der Panion-Chef. „Anhand der Tourlängen, des Zuladungsgewichts, der Topografie und falls gewünscht auch des Fahrverhaltens kann zum Beispiel kalkuliert werden, welche Einsätze mit der jeweiligen Batterieladung noch möglich sind. Mithilfe unserer Software lässt sich auch festzustellen, zu welchen Zeiten das Laden besonders günstig ist – und wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ein Elektrofahrzeug verkauft werden sollte.“
