Das Tempelhofer Feld ist ein Traum. Ich selbst habe es schon in vielen Zeilen und zu jeder Tageszeit ausführlich gewürdigt. Kurz noch mal: Weite, Wolken, Wiesen, Drachen, Rollschuhläufer, Jogger, Radler. Dazu: immer noch imposantes Flughafengebäude, viel Berliner Geschichte, zentrale Lage. Und: Hass-Ort der Berliner FDP, die die Randbebauung vor nicht allzu langer Zeit zum Thema hatte. Aber sie hatte ja auch den Flughafen Tegel als Wahlthema, da war dessen Schließung längst beschlossen.
Man sieht: Das Tempelhofer Feld ist ein ganz besonderer Ort. Offenbar so besonders, dass selbst die altehrwürdige britische BBC ihn nun entdeckt hat. Wenn irgendetwas als altehrwürdig bezeichnet wird, ist es schon schwierig, sich einen frischen und jugendlichen Touch zu geben. Aber sei’s drum.
Lebendige und freizügige Stadt
Offenbar erinnerte man sich in London an irgendetwas in Berlin, oder schmökerte vielleicht gerade im Reiseführer des ehemaligen Londoner Stadtmagazins Time Out, wo man vor rund zwei Wochen auch keine frischeren Ideen zur deutschen Hauptstadt mehr hatte als Neukölln und: das Tempelhofer Feld. Wäre das hier ein Comic, würde nun eine Sprechblase erscheinen, in der in Versalien das Wort „GÄHN“ zu lesen wäre.
Auf vielen und wirklich schönen Zeilen erklärt BBC-Autorin Krystin Arneson im Reiseteil, warum das Tempelhofer Feld im Grunde der Ort ist, der das moderne Berlin am besten abbilde: „Wenn Sie in Berlin nur eine Sache machen, dann gibt es keinen besseren Ort als das Tempelhofer Feld, wo Geschichte und die süchtig machende Energie der Stadt aufeinandertreffen in einer der lebendigsten und freizügigsten Städte der Welt“, schreibt Arneson in ihrem Artikel irgendwo zwischen Feature und Liebesbrief.
Das Tempelhofer Feld wäre der Ort, wo Nazi-Historie und fußballspielende Flüchtlinge aus Syrien aufeinanderträfen, Kalter Krieg und Familien beim Grillen, hach, und überhaupt wäre das der Ort, der einen Berlin wirklich lieben lässt. Brandenburger Tor und Mauergedenkstätte, geschenkt. Nur hier könne man empfinden, was diese Stadt ausmache, dieser Ort, „der niemals ist und immer wird“. Echt jetzt?
Neukölln ist nicht die Weserstraße
Es folgen dann noch viele Zeilen über die Gemeinschaftsgärten am Eingang Herrfurthstraße, die mittlerweile sehr bekannte Skaterin Oumi Janta erklärt, warum sie das Feld so liebe („Freiheit“ etc. ), dann noch der Biergarten, der angeranzte Minigolfplatz, Drachensteigen und noch ein bisschen Geschichte, inklusive Mauerfall, Germania und Flüchtlingskrise.
Das ist natürlich alles richtig und auch mit viel Herzblut beschrieben. Aber man fragt sich wirklich, wenn Berlin doch die Stadt ist, die niemals ist und immer wird, ob es dann da nicht endlich, endlich, endlich mal was Neues zu entdecken gibt. Ich frage mich, wie viele Pariser innerlich mit den Augen rollen, wenn sie Reiseberichte über den Eiffelturm, die Champs-Élysées oder den Montmartre lesen müssen, die mit dem Ausruf „Oh, là, là“ beginnen.


