Das Schlimmste an den Aktionen der „Letzten Generation“ ist nicht nur ihre pathetische Verblendung, sondern ihre absolute Humorlosigkeit. Sich an Dinosauriern festzukleben in einem Museum, das sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einsetzt, ist zudem ziemlich doof. Von der Aktion, einen Monet im Museum Barberini in Potsdam mit Kartoffelbrei zu bewerfen, mal ganz zu schweigen.
Dabei gibt es doch in Berlin so viele Scheußlichkeiten, die es wirklich mal verdient hätten, mit Kartoffelbrei verschönert zu werden. Hier unsere, nicht ganz ernst gemeinte Liste, von Kunst im öffentlichen Raum, die durch Kartoffelbrei auch nicht schlimmer wird.
Goldener GAU: Die Bärenquadriga am Kranzler Eck Berlin
„Die Buddy Bär Quadriga verleiht unserem modernen Kranzler Eck Berlin eine besondere Note“, säuselt es auf der Facebook-Seite des Kranzler Ecks Berlin, das mittlerweile zur Dependance einer britischen Modekette geworden ist.
Gut, so kann man es natürlich auch umschreiben. Gemeint ist eine monströse Scheußlichkeit einer Bronze in Form von vier Bären, die in Quadriga-Manier einen fünften ziehen, nämlichen den klassischen Buddy Bären, der wie die Victoria ein Siegeszeichen in seiner fetten Pfote hält.
Und damit das Ganze noch eine „besondere Note“ bekommt, ist der plumpe Fünfer gülden angepinselt, als ob ein Buddy Bär an sich nicht schon kitschig genug wäre. Wir sind uns nicht ganz sicher, aber wenn man ganz angestrengt lauscht, dann kann man hören, wie Johann Gottfried Schadow im Grab rotiert. Marcus Weingärtner
Warten auf die grüne RAF: Der „Molecule Man“ in der Spree
Treffen sich drei löchrige Typen auf der Spree. Sagt der eine: „Sowohl der Mensch als auch die Moleküle existieren in einer Welt der Wahrscheinlichkeiten.“ Sagt der zweite: „Das Ziel aller kreativen und geistigen Traditionen ist es, Ganzheit und Einheit innerhalb der Welt zu finden.“ Sagt der dritte: „Meine Füße sind nass.“

Das ist nicht nur ein schlechter Witz, sondern auch ein Gespräch, das so nie stattgefunden hat. Denn einerseits haben die drei löchrigen Typen, die seit Mai 1999 auf der Spree stehen, trotz offener Münder noch nie etwas annähernd Lustiges gesagt. Und andererseits sind es gar nicht drei Typen, sondern nur ein vom amerikanischen Künstler Jonathan Borofsky gestalteter „Molecule Man“. Seine Botschaft an uns? Siehe oben, was der eine und der andere löchrige Typ sagen.
Dass der „Molecule Man“ in vollkommener Verkennung aller Wahrscheinlichkeiten und ganzheitlicher Einheitsgedanken von manchen Berlinern „Dreikäsehoch“ genannt wird, muss Borofsky ärgern. Es wird ihn vielleicht wieder beruhigen, wenn er weiß, dass es dieselben Berliner sein müssen, die den Fernsehturm für einen Telespargel halten.
Der Molekülmann steht jedenfalls nicht nur im Wasser, sondern auch für die drei hier angrenzenden Stadtteile Friedrichshain, Kreuzberg und Treptow. Borofskys symbolische Bezirke-Bromance der Nachwendezeit erinnert heute aber eher an eine Rudelbildung von Antänzern und Sauftouristen und Stehendpinklern und könnte etwas Tomatensuppe und Kartoffelpüree vertragen, das klimafreundlichste Zweigängemenü unserer Zeit.
Das Problem ist natürlich die Masse an Tomaten und Kartoffeln, die man für eine sichtbare Besudelung einer 30 Meter hohen Skulptur benötigen würde. Einer grünen RAF, vor der ja bereits gewarnt wird, würden bestimmt andere Methoden einfallen. Paul Linke
Aus der Zeit gefallen: Die Wasseruhr im Europa-Center
Alles hat so seine Zeit und die ist dann irgendwann vorbei. Dann muss es weg, eingedampft und eingeebnet werden und umgebaut und abgerissen. So macht man Platz für Neues. Wenn nicht, dann hat irgendwann alles eine unschöne Patina und wirkt, wie aus einer anderen Zeit.
Womit wir schon beim Europa-Center wären. Jenem Gebäudekomplex am Breitscheidplatz, der wirkt wie aus Leonie Ossowskis Berlin-Roman „Die große Flatter“ – eine Zeitkapsel aus den 80ern und mittlerweile auch ganz schön abgerockt. Während der Kudamm es geschafft hat, sich irgendwie auf mysteriöse Art als prächtiger Einkaufsboulevard neu zu erfinden, war dies dem Europa-Center nicht vergönnt.

Im Inneren befindet sich viel Schnickschnack, darunter der sogenannte Lotus-Brunnen der Pariser Künstler Bernard und François Baschet, ein Wasserspiel mit optischen und akustischen Elementen und natürlich diese seltsame Wasseruhr. Wie auch die Weltzeituhr vom Alexanderplatz versteht das System kein Mensch.
Irgendwie läuft giftig grünes Wasser durch Röhren und Kugeln und das jetzt zu erklären, ist so anstrengend wie unnötig, denn die Uhr des Franzosen Bernard Gitton ist so eine typische 80er-Jahre-Spielerei, dem Jahrzehnt, in dem in Westdeutschland jedes Kaff 500 Springbrunnen und bizarre Kunst im öffentlichen Raum präsentierte. Selten war was Gescheites darunter, wie Alexander Calders in Stuttgart aufgestellte Plastik „Crinkly avec disque rouge“.
Gittons Wasseruhr jedenfalls zählt nicht dazu. Das Problem: Würde man sie mit Kartoffelbrei bewerfen, würde es wahrscheinlich nicht mal jemand merken. Und das gilt irgendwie für das komplette Europa-Center. Marcus Weingärtner
Schön, aber nutzlos: Die Weltzeituhr am Alexanderplatz
Ich sehe schon die Leserbriefe vor mir: „Ist doch ganz einfach!“, wird darin stehen. „Wie kann man das nicht begreifen?“ und „Der Autor ist wirklich zu blöd zu allem!“ Letzteres stimmt vielleicht ein bisschen. Jedenfalls habe ich eines in mehr als zehn Jahren Berlin nie gelernt: die Weltzeituhr am Alexanderplatz zu lesen. Erich Johns Uhren-Entwurf bleibt für mich ein Rätsel, die korrekte Uhrzeit kann ich hier beim besten Willen nirgends erkennen – weder die in Berlin noch die in irgendeiner anderen der 146 abgebildeten Städte.

Nun habe ich mich vielleicht nie ausreichend bemüht. Eine kurze Umfrage an meiner Schreibtisch-Insel in der Redaktion aber zeigt: So wirklich benutzerfreundlich ist die Weltzeituhr tatsächlich nicht. Meine Kolleginnen und Kollegen jedenfalls sind nicht viel schlauer als ich. Nur wer sich richtig reinfuchse, so das Umfrageergebnis, könne auch die praktische Facette der optisch gar nicht schlecht geratenen beweglichen Skulptur erkennen.
Auch drüber zu lesen, hilft nicht viel: In das Aluminium des dreiteiligen Zylinders der Weltzeituhr, der zu jeder Seite hin 24 Ecken – eine für jede Haupt-Zeitzone – aufweist, „sind die Namen wichtiger Städte der Zeitzone eingefräst“, wird auf Wikipedia erklärt. „In diesem Zylinder dreht sich ein Stundenring. Auf diesem wandern die Stunden, farbig gekennzeichnet, durch die Zeitzonen.“ Und zur Technik: „Der Elektromotor für den Stundenring (...) dreht den Stundenring fünf Prozent schneller, als die Uhrzeit abläuft. Am Stundenring wurden zwölf Nocken stundengenau befestigt. Der Ring erreicht also rund drei Minuten früher die volle Stunde und der zugehörige Nocken läuft auf einen Schalter auf, der den Motor abschaltet. Nach Ablauf der drei Minuten – dem Erreichen der vollen Stunde – überbrückt der Steuerungscomputer (…), bis der Nocken ihn wieder verlassen hat – der Motor läuft bis zum nächsten Nocken.“ Alles klar? Genau.
Trotzdem mag ich die Weltzeituhr. Sie ist recht hübsch anzusehen, passt perfekt zum nahen Brunnen der Völkerfreundschaft, der im Berliner Volksmund „Nuttenbrosche“ heißt, und entspricht der putzig-verstaubten Atmosphäre der ganzen Alex-Gegend. Super, wenn man da jetzt noch die Zeit ablesen könnte. Manuel Almeida Vergara
Berlin ist nicht Heidelberg: Der eiserne Gaul am Hauptbahnhof
Für dieses Kunstwerk brauchts eine größere Portion Kartoffelbrei. Denn das „Rolling Horse“ des Künstlers Jürgen Goertz ist ein echtes Ungetüm. Beinahe 10 Meter hoch und 9 Meter breit ist die Skulptur; sie wiegt rund 35 Tonnen. 2007 wurde das aus Edelstahl, Aluminium, Kunststoff, Glas und Stein zusammengezimmerte Huftier vor dem Hauptbahnhof aufgestellt. Und sodann gab es Kritik.

Die sich bewegende Skulptur, die auf arg flach geratene Weise an die Veränderung der Mobilität erinnern soll – von der Pferdekutsche bis zum ICE eben – sei „provinziell“, urteilte der Berufsverband Bildender Künstler Berlin. Sie erinnere außerdem zu sehr an ein ähnliches Werk von Goertz, das tatsächlich in der Provinz zu sehen ist. In Heidelberg nämlich: Dort steht unter dem Titel „S-Printing Horse“ seit 2000 eine schlankere Pferde-Version protzig in der Gegend rum.
Der Berliner Gaul soll den ewigen Lauf der Dinge auf mehrere Weisen sichtbar machen: Zum einen ist das arme Tier gekrümmt, in die Form eines Zug-Rads, zusammengerollt beinahe. In seiner Schulter klafft zudem ein Loch, in dem sich wiederum ein mit vier verschiedenen Gesichtern verziertes Ei dreht – es soll den ständigen Wechsel der Jahreszeiten symbolisieren. Uff. Im Sockel der Statue wiederum sind durch zwei Bullaugen architektonische Versatzstücke des Lehrter Bahnhofs zu sehen, der an dieser Stelle stand, bevor der überproportionierte Hauptbahnhof drüber gesetzt wurde.
Das macht durchaus nostalgisch: Man sehnt sich zurück an jene schönen Zeiten, als rundherum noch nicht am schrecklichen Retorten-Viertel „Europa City“ gebaut wurde. Als der Hauptbahnhof noch Lehrter Bahnhof war, gerahmt von einer Berlinesquen Brache. Und als es überproportionierte Stahl-Pferde nur in Heidelberg zu sehen gab. Manuel Almeida Vergara
Steak Art Mural an der Bernauer Straße

An der Bernauer Straße hat jemand ein Steak vergessen. Das ist der Gedanke, den ich jedes Mal dann habe, wenn ich auf diese Hauswand schaue, an der ein riesiges Stück Fleisch angemalt ist. Ich bin kein Vegetarier und habe auch kein Problem mit jeglicher Form von Fleischbeschau, aber das geht wirklich zu weit.
Schon klar, was es bedeuten soll: Die Stadt ist das Körperteil, das in der Mitte aufgeschnitten wurde. Schön blutig, bitte. Roh muss es sein, das Steak. Falls jemand das Bild vom zerteilten Stadtfleisch noch nicht begreift, steht auf dem Messer noch das Mauerbau-Datum (1961) drauf, und wer die Faserung genau anschaut, erkennt die Umrisse von Berlin in der Maserung des Fleisches, sogar die einzelnen Stadtteile sind zu erkennen, Charlottenburg und Lichtenberg.
