Der Plot vom irren Serienmörder ist recht überstrapaziert. Dutzende Serien und Filme, von David Finchers wegweisendem Großstadtschocker „Sieben“ mit Brad Pitt über „Der Pass“, „The Fall“ und „The Serpent“ bis hin zur kontroversen „Dahmer“-Reihe von Ryan Murphy auf Netflix, bedienen sich gekonnt am Mythos des manisch mordenden Antihelden. Mitunter so brutal, dass man die Bilder noch nach Tagen nicht aus dem Kopf bekommt.
Gesägt, gebohrt und gefoltert
Wo früher gnädig ausgeblendet wurde, wird heute knallhart gesägt, gebohrt und gefoltert, dass man kaum noch hinsehen mag. Dazu kommen mindestens ein Dutzend neuer Dokumentationen über Killer wie Ted Bundy, John Wayne Gacy und andere schreckliche Zeitgenossen. Im sechsteiligen Thriller „The Devil's Hour“ geht es also wenig überraschend ebenfalls um eine Reihe mysteriöser Morde.
Die Sozialarbeiterin Lucy Chambers (Jessica Raine) durchlebt eine schwierige Zeit. Ihr kleiner Sohn Isaac ist traumatisiert und zeigt absolut keine Regung mehr, mag sich seine Mutter auch anstrengen, so sehr sie will. Kein Geschenk, kein alberner Witz vermag dem Achtjährigen eine Emotion aufs Gesicht zu zaubern.
Als ob das nicht ausreichen würde, kommen seltsame Geschehnisse hinzu, die die Frau langsam, aber sicher an ihrem Verstand zweifeln lassen. Chambers Mutter spricht mit Menschen, die nicht da sind, in ihrem Haus kommt es zu Echos, die keinen Ursprung zu haben scheinen, und damit nicht genug: Jede Nacht um exakt 3.33 Uhr erwacht die junge Frau aus einem bizarren Alptraum, und dies schon seit vielen Jahren, ohne dass sie dafür eine Erklärung hätte.
Auch der Inhalt dieser Traumsequenz stellt sie jede Nacht beziehungsweise jeden Morgen erneut vor ein Rätsel: Es ist eine Art Verhörszene, in der Lucy Chambers zu mysteriösen Vorfällen befragt wird. Das Ganze passiert in einem Raum, der in ein Zwielicht getaucht ist, die Stimme des Mannes, der sie verhört, ist verzerrt, man sieht den Mann zu Beginn nicht. Die Atmosphäre ist beklemmend und trostlos. Aber ist es wirklich ein Alptraum, den die junge Frau immer und immer wieder durchleben muss, oder ist es eine Art Vision, ein Hinweis auf Dinge, die noch geschehen werden oder schon passiert sind?
Die Antworten sind irgendwo da draußen, am Ende einer Kette von brutalen Morden, die einem bestimmten Muster folgen, auch wenn es nicht direkt ersichtlich wird. Parallel zu Lucy Chambers Geschichte ermittelt der Kommissar Ravi Dhillon (Nikesh Patel) an den mysteriösen Mordfällen, die die Stadt in Angst und Schrecken versetzen und die auch irgendwie mit Lucy Chambers zusammenhängen.
Die Hauptrollen in dem sechsteiligen britischen Psychothriller spielen Peter Capaldi („World War Z“/„Paddington“), Jessica Raine („Becoming Elizabeth“) und der hierzulande noch recht unbekannte Nikesh Patel. Besonders originiell sind weder der Plot vom Medium und dem Mörder noch die recht konventionelle, aber glücklicherweise unaufgeregte Erzählweise des Sechsteilers, die maßgeblich zu einem ordentlichen Spannungsbogen beiträgt. Dazu kommt ein dräuend-drohender Score, der so unaufdringlich ist, dass man ihn oft komplett ausblendet, der aber unterbewusst für eine so angstvolle Atmosphäre sorgt, dass der Zuschauer gefesselt bei der Stange bleibt. Wenn jetzt noch dieser seltsame Möchtegernsommer vorübergeht und der Herbst endlich wird, was er gefälligst zu sein hat: grau, nass und nebelig, dann ist „The Devil's Hour“ der perfekte Schauderspaß.
Wertung: 3 von 5



