Kommentar

Der „Knödelexpress“ von Berlin nach Prag bleibt: Ein revolutionärer Sieg der Nostalgie

Nicht alle alten Speisewagen werden durch Automaten und Dosenbier ersetzt. Warum das klug ist und ein Vorbild für die Gesellschaft sein kann in polarisierten Zeiten.

Der „Knödelexpress“ – der Speisewagen an den Zügen der tschechischen Bahn von Berlin nach Prag ist für viele eine Institution.
Der „Knödelexpress“ – der Speisewagen an den Zügen der tschechischen Bahn von Berlin nach Prag ist für viele eine Institution.Maurice Weiss/OSTKREUZ

Liebe České dráhy, liebe Tschechische Bahn, vielen Dank für Ihre weise Entscheidung, den legendären „Knödelexpress“ an den Zügen zwischen Berlin und Prag nun doch nicht einzustellen. Das war Ihre ursprüngliche Idee: Sie wollten die beliebten Speisewagen – optisch im Stil der 60er-Jahre, kulinarisch im Stil eines guten tschechischen Restaurants – einfach abschaffen. Sie wollten unbedingt modern sein, wollten dem Zeitgeist entsprechen, wollten nicht mehr, dass Kellner die fleischlastige böhmische Küche auf Porzellantellern servieren. Sie wollten die Vergangenheit ersetzen durch eingeschweißte Brötchen, Plastikgeschirr und Dosenbier. Sie wollten Gemütlichkeit ersetzen durch kalte Effizienz: Kapitalismus statt Knedliky.

Doch Sie haben es sich anders überlegt. Denn seit die geplante Abschaffung bekannt wurde, gab es reichlich Protest. Jede große Zeitung veröffentlichte Lobeshymnen auf diese schöne Tradition des kulinarischen Reisens. Viele Reisende reagierten verärgert. Allein beim Reporter der Berliner Zeitung meldeten sich zwölf Leute, die nach dem Text von ihm wissen wollten, welche Züge noch die alten Speisewagen haben.

Berliner Zeitung

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