Kolumne

Der Gärtner als Mörder – und am Ende ist alles tot

Vielleicht klingt es etwas übertrieben, aber unser Kolumnist ärgert sich über Gärtner, die nicht auf ihre botanische Bildung hören.

Auch eine Hecke hat ein Grundrecht darauf, im Sommer zu überleben.
Auch eine Hecke hat ein Grundrecht darauf, im Sommer zu überleben.Juan Alberto/imago

Bei uns im Friedrichshain ist ein Mord geschehen – und viele haben zugesehen. Ich fragte den Mörder ganz direkt: „Warum machen Sie das?“ Er sagte nur: „Anweisung vom Chef.“ Natürlich geht es hier nicht um einen Mord an einem Menschen, denn auch im Krimi sind Gärtner nur selten die Mörder. Es geht um einen Mann im Blaumann, der in der Nähe einen sehr langen Rasen sehr kurz getrimmt hat. Und das, obwohl es seit drei Wochen nicht mehr geregnet hat. Er hat den Rasen endgültig getötet.

Finden Sie, liebe Leser, dass der Begriff Mord unpassend klingt? Ich finde: Er klingt zwar dramatisch, ändert aber nichts an der Tatsache, dass es stimmt. Außerdem sagt das Sprichwort: „In der Übertreibung liegt die Anschaulichkeit.“

Dieser Möchtegerngärtner hat die Wiese quasi mutwillig hingerichtet. Aus halbwegs vital wurde vertrocknet und aus Noch-Grün wurde Gelb.

Dabei ist nicht mal eine Ausbildung nötig, um zu wissen, dass die Sonne für Pflanzen nicht nur ein Segen ist. Einfach folgende Worte im Internet eingeben: „Soll man bei Hitze Rasen mähen?“

Die erste Seite meldet: „Vor allem bei Sonnenschein und Hitzeperioden kann ein kurzer Rasen fatal sein: Das Gras verbrennt und der Boden trocknet durch Wassermangel aus.“ Und drei Wochen Sonne gelten sicher als Hitzeperiode.

Die zweite Seite meldet: Der Rasen stelle bei hohen Temperaturen das Wachstum ganz ein, weil er den Hitzestress bewältigen will. „Da bleibt keine Kraft zum Wachsen. Mähen Sie an warmen und trockenen Sommertagen daher seltener oder stellen Sie das Rasenmähen ganz ein.“

Dritte Seite: „Man darf bei Hitze den Rasen durchaus auch mähen. Es darf aber nicht mehr als ein Drittel der Rasenhöhe gekürzt werden. Der Rasen darf nicht unter sechs Zentimeter gemäht werden.“ Bei uns wurde der Rasen um sehr viel mehr als ein Drittel gestutzt, von etwa 30 auf gerade mal drei Zentimeter. Überlebenschance gleich null.

Dieser Fall wäre nicht dramatisch, wenn es nur ein bedauerlicher Einzelfall wäre. Aber wer derzeit in Berlin unterwegs ist, sieht überall schwitzende rasenmähende Grasmörder. Es ist bedauerlich, dass sie nicht auf ihr gärtnerisches Gewissen hören und auf ihre botanische Bildung, sondern auf Anweisungen von Ignoranten oder unwissenden Chefs. Und niemand schreitet ein, niemand meckert, niemand klebt sich auf die Parkbank mitten auf der Wiese.

Der einzige Trost: Auch in diesem Fall ist die Natur stärker als der Mensch. Wenn bald wieder Regen fallen sollte, wird auch ein fast toter Rasen meist wieder grün. Jedenfalls wenn wir bis dahin nicht die letzten trockenen Halme abgelatscht haben.