Kolumne

Die strahlende Sonne über Berlin und der Unmut in den Büros dieser Stadt

Noch ist Frühling, aber das Wetter schon sommerlich. Viele Berliner machen nun tolle Dinge – das weckt bei unserem Kolumnisten ein schlechtes Gefühl: den Neid.

Der Sprung ins kühle Nass eines Freibades
Der Sprung ins kühle Nass eines FreibadesJörg Carstensen/dpa

Die Nachrichten, die da von außen ankommen, sind wirklich nicht sehr aufmunternd. Sie schlagen aufs Gemüt, sie versauen die Laune, sie deprimieren. Das erschütternde an diesen Nachrichten ist, dass es ausgesprochen gute Nachrichten sind. Aber das ändert rein gar nichts daran, dass ich sie am liebsten gar nicht hören will und dass sie mich in meiner kühlen Welt am Schreibtisch stören.

Denn sie wecken den Neid, dieses böse kleine Gefühl, das doch meist gar nicht so klein ist, sondern bei den Katholiken zu den sieben Todsünden gezählt wird. Aber was soll ich machen? Ich bin neidisch. Ich sitze hier an meinem Computer, es geht mir grundsätzlich gut, ich bin satt, weitgehend gesund und könnte zufrieden lächeln. Aber auf dem Handy ploppt eine Nachricht auf. Die ist eigentlich ganz harmlos, aber doch ein Volltreffer: Die anderen sind im Freibad.

Die Sonne steht hoch über Berlin, der offizielle Beginn des Sommers ist noch drei Wochen hin und doch ist Badewetter. Wie schön. Jedenfalls für die anderen. Wassertemperatur: 23 Grad. Lufttemperatur: 23 Grad. Eine perfekte Ausgewogenheit. Niemand muss frieren.

Dabei waren es in der Nacht nur sieben Grad. Eine Temperatur, bei der niemand mit einem Obdachlosen tauschen und auf einer Parkbank liegen will. Und ein paar Stunden später liegen Zehntausende Sonnenanbeterinnen und Wettergenießer einfach so in den Berliner Freibädern oder an den Ufern der Seen in der Sonne.

Alles super also? Mitnichten

Der Wind ist lau, der Himmel klar, die Sonne blendet. Alles super also? Mitnichten. Denn alle, die so frühzeitig im Jahr einen solchen Sommertag am Wasser erleben können, sind natürlich mitteilungsbedürftig. Und in den modernen Zeiten erzählen sie davon nicht erst beim Abendbrot. Dann wäre es schon kühler und der Neid wäre kleiner. Nein, die Glücklichen senden schon am Nachmittag tolle Badebilder in die Büros dieser Stadt und an all die anderen Arbeitsplätze.

Aber wie sagen die Kölner so schön: „Man muss auch gönnen können.“ Und warum soll ich neidisch sein? Die anderen bekommen bestimmt Sonnenbrand oder haben abends Kopfschmerzen von dieser Überdosis Licht oder überall klebt Sand an ihnen oder überall jucken Mückenstiche oder die T-Shirts sind mit Schokoeis bekleckert.

Da sitze ich doch lieber in diesem kühlen Raum und tippe ein paar Zeilen darüber, wie unneidisch ich bin. Denn ich habe einen großen Vorteil. Es gibt einige Dinge, die mit der Zeit etwas langweiliger werden, Dinge, bei denen das erste Mal im Jahr meist das beste ist. Und das große Anbaden habe ich noch vor mir. Nun sind ganz sicher all jene neidisch, die schon jetzt ganz voreilig baden waren. Ätsch.