Christopher Street Day

CSD in Berlin: 65.000 Menschen feiern und tanzen in den Straßen

Der CSD ist die erste richtig große Veranstaltung in diesem Pandemie-Jahr. Die queere Szene feiert sich – aber nicht mehr zu Hunderttausenden wie vor Corona.

Die 43. „Christopher Street Day“-Parade 2021 unter dem Motto „Save our Community – Save your Pride“ startete in der Leipziger Straße.
Die 43. „Christopher Street Day“-Parade 2021 unter dem Motto „Save our Community – Save your Pride“ startete in der Leipziger Straße.imago/Future Image

Berlin-Der diesjährige CSD beginnt schon lange, bevor sich der Demonstrationszug am Sonnabend in Bewegung setzt. Denn der Christopher Street Day ist eine Demonstration für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgender-Menschen. Und die LGBT-Szene liebt es nun mal, sich für den Marsch besonders bunt und aufwändig zu verkleiden.

Ein junger Mann mit sorgsam frisierten Haaren steht eine Stunde vor dem Start am Alex und wartet an einer Ampel. Über ihm hängt zufälligerweise eine Bierwerbung in Regenbogenfarben, dem Symbol der Bewegung. Der 23-Jährige ist in ein goldenes Outfit gekleidet, das sehr viel Haut freilässt. „Ich habe mich nur zwei Tage vorbereitet. Bei mir ist es ja nicht so viel.“ Er zeigt auf seine sehr enge goldene Turnhose und sein Netz-T-Shirt in Gold und den sorgsam verteilten Glitzerstaub auf der Haut. „Andere bereiten sich wochenlang vor.“

Der CSD ist traditionell die bunteste und wildeste Straßenparty der Stadt – neben dem Karneval der Kulturen, der aber keine Demo ist. Der Karneval fällt auch in diesem Jahr coronabedingt aus. Es ist der 43. CSD in Berlin, im vergangenen Jahr fand er wegen der Pandemie nur digital statt – mit wenigen Hundert Teilnehmern. Nun ist er wieder ein kleiner Massenauflauf, für den 20.000 Teilnehmer angemeldet sind.

Die Teilnehmer des Umzuges in Berlin zogen von Mitte nach Schöneberg.
Die Teilnehmer des Umzuges in Berlin zogen von Mitte nach Schöneberg.imago/Future Image

Startpunkt ist die sehr breite Leipziger Straße, die möglichst viel Platz bieten soll, damit alle Abstand halten können. Die Straße ist sehr lang und sehr voll. Überall Regenbogenfarben: auf Fahnen, T-Shirts, Rucksäcken, Kniestrümpfen und Schuhen, auf Turnhosen, Kleidern, Basecaps oder Stirnbändern. Hasenohren im Haar gibt es in den Farben des Regenbogens, bemalte Gesichter, Tätowierungen. Berlin ist bunt an diesem Tag, regenbogenbunt. Erinnert wird mit dem Christopher Street Day wieder einmal an den 28. Juni 1969, als es in der Christopher Street in New York einen Aufstand von Homosexuellen und anderen Minderheiten gegen die Willkür der Polizei gab.

Verkleidungen sind wichtig beim CSD – und Berlin war an diesem Tag regenbogenbunt.
Verkleidungen sind wichtig beim CSD – und Berlin war an diesem Tag regenbogenbunt.Imago/Emmanuele Contini

Nun wird es immer voller, die Musik ist laut, die Stimmung ausgelassen. Fünf große Trucks mit großen Musikanlagen stehen in weitem Abstand voneinander. Sie wollen von Mitte nach Schöneberg ziehen. Dieses Mal gibt es keine Abschlusskundgebung. Die Teilnehmer sollen sich nach der Parade in den Bars des Schöneberger Szenekiezes vergnügen und den dortigen notleidenden Wirten einen ordentlichen Umsatz bescheren.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) steigt auf den ersten Truck und hält seine Eröffnungsrede: „Ich bin froh und erleichtert, dass wir uns durch die Fortschritte in der Pandemie-Bekämpfung in diesem Jahr wieder begegnen können. Gerade jetzt brauchen wir die Solidarität des CSD, denn die Pandemie hat auch gezeigt, wie verletzlich wir sind, wie verletzlich queere Freiräume sind.“ Er erinnert daran, dass viele Treffpunkte der Szene geschlossen waren und die Leute nicht zusammenkommen konnten, er spricht von Isolation, Vereinsamung und dem Verlust des sozialen Umfeldes.

Lederer will Berlin zur „queeren Freiheitszone“ machen

Er sagt, dass überall auf der Welt die Sicherheit queerer Menschen gefährdet sei. „In immer noch über 70 Ländern wird für Homosexualität die Todesstrafe verhängt. Und wenn ich nach Polen und Ungarn gucke, dann läuft es mir kalt den Rücken herunter.“ Er sagt, dass dort LGBT-freie Zonen ausgerufen würden. „Dann sollten wir in Berlin selbstbewusst sein, und wir sollten Berlin als eine queere Freiheitszone ausrufen.“ Beifall. Danach ruft er: „Happy Pride. Der CSD ist eröffnet.“

Es geht los, mit lauter Musik und meist mit Maske. Aber sehr langsam. Statt der angemeldeten 20.000 sollen es 35.000 Teilnehmer sein. Später wird unter Berufung auf die Polizei Berlin sogar von 65.000 Menschen die Rede sein. Die Veranstalter sprechen von 80.000. Es ist eng.

20.000 Teilnehmer waren angemeldet. Es kamen deutlich mehr.
20.000 Teilnehmer waren angemeldet. Es kamen deutlich mehr.imago/Future Image

Die Kostüme sind wirklich sehr bunt und knapp: Dort ein Männerpärchen in roten Schottenröcken, dort ein nackter Mann, nur bekleidet mit einer weißen Fellmütze und weißem Rucksack, da ein Mann mit sehr langem schwarzen Bart und sehr kurzem weißen Faltenröckchen. Männer mit umgehängten Riesenbrüsten oder Hundemasken. Sehr viele Frauen sind dabei. Viele gehören zur Szene, andere sagen, sie seien vor allem gekommen, weil sie ausgelassen feiern wollen. Emma, 22, eine Studentin, ist mit ein paar Freundinnen da und sagt: „Wir sind alle nicht lesbisch oder so. Wir wollen nur diese Leute unterstützen wegen der Vielfalt.“

„Bitte tragt eure Masken, bitte haltet Abstand“, ruft eine Frau auf dem letzten Truck durch die Lautsprecher. Doch das ist gar nicht so einfach bei gutem Wetter, bei guter Laune und guter Tanzmusik. Und so ist der letzte Truck eine Stunde nach dem Start des Umzuges gerade mal 200 Meter vorangekommen. Aber die Leute feiern ausgelassen und tanzen.